Wer soll's bezahlen?

Krankenversicherung für ALG-II-Empfänger

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Nach dem Karlsruher Urteil zu den Regelsätzen bei ALG II können diejenigen, die privat krankenversichert sind, Hoffnung schöpfen. Ihr bisher teilweise selbst zu leistender Krankenversicherungsbeitrag könnte als regelmäßiger Mehrbedarf anerkannt werden.

Krankenversicherung? Zahlt das Amt. Oder?

Bei vielen Diskussionen rund um die Höhe des ALG II wird die Meinung vertreten, dass der Hilfeempfänger indirekt ca. 1000 Euro erhält. Diese Höhe ergibt sich, wenn alle Leistungen für ihn zusammengerechnet und somit also neben dem Regelsatz noch die Kosten der Unterkunft sowie die Beiträge zur Sozialversicherung hinzugerechnet werden. Hier wird oft davon ausgegangen, dass die Krankenversicherungsbeiträge automatisch in voller Höhe übernommen werden. Tatsächlich ergibt sich jedoch für jene, die vor dem Leistungsbezug privat krankenversichert waren, ein Problem: Sie können nicht in die gesetzliche Krankenversicherung zurück - doch der Basistarif der privaten KV ist weiterhin zu hoch, als dass er von den ArGen komplett übernommen werden kann.

Mit dem Rückkehrverbot sollte verhindert werden, dass sich Versicherte "das Beste aus beiden Welten" sicherten - also solange in der privaten Krankenversicherung blieben, wie sie deren Beiträge zahlen konnten, um dann, wenn z. B. die Tätigkeit als Freiberufler oder Selbständiger nicht mehr genug abwarf, über den Weg des ALG-II-Bezuges zurück in die gesetzliche Krankenversicherung zu kommen. Durch diesen Riegel, den man den "Rosinenpickern" vorschob, ergab sich für ALG-II-Empfänger die obige Problematik.

Besonderer Härtefall? Ja, aber ...

Der Basistarif, den die private Krankenversicherung anbietet, liegt für die ALG-II-Empfänger jedoch unerreichbar hoch - nämlich bei 569,63 Euro. Zwar wurden die privaten Krankenversicherungen gesetzlich verpflichtet, den Basistarif in solchen Fällen um die Hälfte kürzen - doch auch von den verbliebenen 284,82 Euro übernahmen die ArGen bisher lediglich einen Teilbetrag. Übrig blieben gut 150 Euro, die Versicherten aus dem normalen Regelsatz in Höhe von 359 Euro zuschießen sollte. Regierungsstellen beantworteten Anfragen zu diesem Thema bisher lediglich mit dem Hinweis, dass es an der PKV sei, Beiträge, die nicht oder nur teilweise entrichtet werden, gerichtlich einzuklagen.

Sozialrechtsexperten forderten dagegen, dass der Gesetzgeber den ALG-II-Empfängern wieder den Weg in die GKV ermöglichen müsse, und die Grünen brachten einen Gesetzesentwurf ein, der zum Inhalt hat, dass die PKV ihren Beitrag für ALG-II-Empfänger auf die Höhe senken muss, in der die Beiträge komplett von den ArGen übernommen werden.

Allerdings könnten diese Forderungen durch das Karlsruher Urteil zu den Hartz-IV-Sätzen möglicherweise überflüssig geworden sein: Für diejenigen ALG-II-Bezieher, die ihre Krankenkassenbeiträge über eine (vor allem für chronisch Kranke schwer durchhaltbare) faktische Dauerkürzung von mehr als 40 Prozent des Regelsatzes zahlen sollen, ergibt sich durch den höchstrichterlichen Urteilsspruch nämlich eine Chance auf Abhilfe.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband empfiehlt mittlerweile, die höheren Kosten zur PKV (die ja geleistet werden müssen, um weiterhin eine gesetzlich vorgeschriebene Krankenversicherung zu haben), als Mehrbedarf im Sinne der Karlsruher Rechtsprechung geltend zu machen und auf Übernahme der Mehrkosten zu bestehen. Notfalls, so der Verband, solle eine Klage eingereicht werden, da die Chancen, Recht zu bekommen, zur Zeit gut ständen.