Unterirdisch gut

Mit "Metro 2033" landete Dmitri Gluchowski einen Bestseller. Jetzt gibt es das Videospiel zum Endzeit-Roman.

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Immer wieder bedienen sich Game-Designer direkt aus der Literatur. Unlängst erschien mit Dante's Inferno ein Titel, der sich Dante Alighieris Göttliche Komödie als Kulisse für ein blutiges Hack and Slay-Spektakel ausborgte. Zwischen der Literatur-Verspielung und ihrer Vorlage liegt oft eine große Zeitspanne. Eine interessante Ausnahme ist das Spiel Metro 2033.

Der gleichnamige Roman des russischen Autors Dmitri Gluchowski kursierte ab 2002 als kostenloses ebook im Netz, 2005 entwickelte sich die Papierversion in Russland zum Bestseller, 2008 erschien das Buch auch auf Deutsch. Beim Schreiben ließ sich Gluchowski stark von eigenen Videospiel-Erfahrungen beeinflussen:

Fallout hatte großen Einfluss auf meine Leidenschaft für postapokalyptische Welten. Ich fand dieses Universum unglaublich romantisch.

Dass der Roman einmal als Vorlage für ein Spiel dienen würde, hatte der Autor anfangs noch nicht geplant - doch als das ebook auftauchte, löste es sofort Interesse bei verschiedenen Games-Entwicklern aus, schon bald kauften sie die Rechte. "Metro 2033" und die Fortsetzung "Metro 2034" lesen sich fast schon wie ein Drehbücher für Rollenspiel-Kampagnen. Das nächste, noch titellose Buch von Dmitri Gluchowski dürfte Literatur und Game noch enger zusammenbringen. 2009 sagte der Autor in einem Interview, er habe in seinen neuen Roman "erschreckende Kreaturen, die man in das Spiel einbinden kann, eingebaut". Und außerdem noch einige Szenen, die sich besonders gut im Spiel und im Kino machen.

Am Spiel "Metro 2033" hat Gluchowski - man ahnt es schon - beratend mitgewirkt. Entwickelt hat es die ukrainische Spieleschmiede 4A Games - deren Gründer verließen ein Jahr vor dem Release von S.T.A.L.K.E.R.: Shadow of Chernobyl die heutigen Konkurrenten von GSC Game World. Während "S.T.A.L.K.E.R" als Schauplatz die Todeszone rund um das havarierte Kernkraftwerk Tschernobyl hat, spielt "Metro 2033" im post-apokalyptischen Moskau. Ein Atomkrieg hat die russische Metropole in ein verstrahltes, von furchterregenden Mutanten behaustes Ruinenfeld verwandelt. Nur Abenteurer wagen sich an die Oberfläche, um Munition und andere wertvolle Gegenstände der Vorkriegszeit zu bergen. Zufluchtsort der Menschen ist das weitläufige Metro-Netz der Stadt: In den morschen U-Bahn-Stationen tief unter der Erde leben Tausende in klaustrophobisch engen Holzverschlägen, ernähren sich von Schweine- und Pilzzucht. Der erbitterte Verteilungskampf hat zahlreiche verfeindete Gruppen hervorgebracht: Kommunisten und Faschisten führen erbitterte Stellungskriege, skrupellose Geschäftemacher bewegen sich zwischen den Fronten.

Gefahr geht auch von den Monstern aus, die rudelweise die Schächte durchstreifen und auf der Suche nach Beute selbst in die hermetisch abgeriegelten U-Bahn-Stationen vordringen. Mit Waffengewalt gelingt es den Menschen immer wieder, diese blutdurstigen Kreaturen zurückzuschlagen. Als neue, tödliche Bedrohung erweisen sich die "Dark Ones", dämonische Schattenwesen, deren bloße Nähe den Verstand der Menschen zerstört. "Metro 2033"-Held Artjom muss erleben, wie seine Heimstatt immer mehr unter den Druck der gespenstischen Belagerer gerät. Eines Tages bricht Artjom auf, um das Geheimnis der "Dark Ones" zu ergründen. Vielleicht kann er seine Mitmenschen warnen, bevor es zu spät ist.

Was nach einem Open-World-Szenario im Stile von Fallout oder "S.T.A.L.K.E.R" klingt, erweist sich schnell als hochgradig lineare Angelegenheit. Artjoms beschwerlicher Weg durch den Untergrund Moskaus ist exakt abgezirkelt - bestenfalls darf er einen abzweigenden, in eine Sackgasse mündenden Schacht oder ein Gewölbe erkunden. Die Macher von "Metro 2033" haben klare Prioritäten gesetzt: Nicht Bewegungsfreiheit steht im Vordergrund, sondern intensive Kämpfe und spektakuläre Script-Sequenzen. Tatsächlich ist "Metro 2033" ein atmosphärisch überaus dichtes Erlebnis: In den schwach beleuchteten U-Bahn-Schächten hallen die Schritte von den Wänden wider, und wenn dann aus der Dunkelheit ein tiefes Knurren ertönt, stellen sich dem Spieler die Nackenhaare auf.

Besonders in der Gestaltung der Metro-Stationen hat 4A Games viel Liebe zum Detail bewiesen. Männer und Frauen sitzen an Schanktischen oder feilschen an Marktständen um Haushaltsgegenstände und Waffen, Kinder laufen spielend umher, hier und da wälzt sich ein gut gemästetes Schwein in einem Käfig. Angesichts dieser Lebensfülle ist es schade, dass Artjom mit den meisten Bewohnern nur notdürftig interagieren kann: Mehrere Antwortmöglichkeiten wie in einem Rollenspiel sieht "Metro 2033" nicht vor. Immerhin kann Artjom seine Ausrüstung durch Kauf oder Tausch schrittweise verbessern, als Währung dient die Munition aus der Vorkriegszeit.

Dass Metro 2033 ein gutes, aber kein überragendes Spiel geworden ist, liegt an einer Reihe von Nachlässigkeiten in Level-Design, Grafik und KI. Die oberirdischen Areale wirken - im Vergleich zur spektakulären Unterwelt - wenig inspiriert. Gegner zeigen selbst bei Treffern aus nächster Nähe optisch kaum Wirkung, was die Kämpfe schwerer abschätzbar macht. In ihrer Raumaufteilung und Angriffstaktik verhalten sich die Feinde recht intelligent, zeigen dabei aber immer wieder grobe Aufmerksamkeits-Aussetzer. Kaum zu verschmerzen ist der fehlende Multiplayer-Part, der offenbar den bereits erwähnten Prioritäten zum Opfer fiel. Für acht bis zehn Stunden Singleplayer-Spielspaß ist Metro 2033 aber allemal gut.

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