Multitasking funktioniert doch

Allerdings sind nach einer Studie nur sehr wenige "Supertasker", die zwei Aufgaben gleichzeitig ohne Leistungsverlust bewältigen können

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Während die einen darauf schwören, dass Multitasking durchaus möglich ist, sagen andere, es sei unmöglich gleichzeitig zwei oder mehr unterschiedliche Informationsströme zu verarbeiten. Mitunter wurde Multitasking schon mal als Körperverletzung bezeichnet. Es dürfte allerdings sehr darauf ankommen, was man darunter verstehen will.

Schließlich könnte man schon einen Spaziergang in Begleitung als Multitaskingrausch begreifen, weil man nicht nur geht und dabei schauen muss, nicht zu stolpern, keinen Passanten anzurempeln, auf Fahrradfahrer aufzupassen und die Richtung einzuhalten, sondern auch die Umgebung betrachtet und entweder zuhört oder spricht. Man könnte argumentieren, dass wir nur immer einer verschiedene sensorische, motorische und andere kognitive Prozesse integrierenden Tätigkeit nachgehen, dafür aber schnell zwischen Aufgaben hin- und herswitchen können. Das wiederum könnte zu der Oberflächlichkeit und Zerstreutheit führen, die viele Multitasking-Kritiker der Mediengeneration attestieren. Allgemein wird davon ausgegangen, dass aufgrund der begrenzten Kapazität der Aufmerksamkeit zwei Aufgaben schlechter bewältigt werden können als eine. Ein bekanntes Beispiel dafür ist, dass Telefonieren beim Autofahren das Risiko steigert, da die Reaktionsgeschwindigkeit beim Bremsen verlangsamt ist

Die Psychologen Jason Watson und David Strayer vom Applied Cognition Lab der University of Utah wollen nun jedenfalls herausgefunden haben (die Studie wird in der Zeitschrift Psychonomic Bulletin and Review veröffentlicht), dass es zwar sehr kleine, dafür aber höchst effektive Gruppe von Multitaskern gibt. Sie stellen 2,5 Prozent der Bevölkerung dar und können beispielsweise sicher fahren, während sie mit dem Handy telefonieren. Die Kehrseite der Studie ist natürlich der bekannte Fakt, dass der Rest, immerhin 97,5 Prozent, nicht erfolgreich und uneingeschränkt fahren und telefonieren kann. Watson meint, dass wir wahrscheinlich denken, wir seien die Ausnahme: "Die Chance, ein Supertasker zu sein, sind so gut wie die Wahrscheinlichkeit, eine Münze zu werfen und fünfmal hintereinander Kopf zu erhalten."

Supertasker nennen die Psychologen die Aufmerksamkeitselite, die sie aufgrund von Tests von 200 Versuchspersonen im Alter von 18-53 Jahren gefunden haben. Sie mussten in einem realistischen Fahrsimulator fahren und telefonieren oder nur fahren bzw. telefonieren. Die Telefonaufgabe war sehr anspruchsvoll, denn die Versuchsteilnehmer mussten sich an 2-5 Worte in der richtigen Reihenfolge erinnern und dabei auch noch störende mathematische Aufgaben lösen. Eine Aufgabe lautet als Beispiel: "ist (3/1) -1 = 2?": "Katze": "ist (2*2) + 1 = 4?", wobei die Versuchspersonen die Rechenaufgabe beantworten und sich die Reihenfolge der eingeflochtenen Worte merken mussten: "Schachtel". Gemessen wurde die Reaktionsgeschwindigkeit beim Bremsen, der Abstand zum nächsten Fahrzeug, die Gedächtnisleistung und die Leistung beim Rechnen.

Wie erwartet sank bei den meisten Teilnehmern die Leistung beim Multitasking zum Teil erheblich. Durchschnittlich brauchten sie 20 Prozent mehr Zeit zum Bremsen, während sich der Abstand zum vorderen Fahrzeug um 30 Prozent vergrößerte, weil die Fahrer mit dem simulierten Verkehr nicht mithalten konnten (allerdings würde dann aber auch das erhöhte Risiko durch längere Reaktionszeit auch sinken). Die Gedächtnisleistung nahm um 11 Prozent ab, nur 3 Prozent jedoch die Rechenleistung. Das würde insgesamt etwa den Leistungen eines betrunkenen Fahrers entsprechen. Bei den Supertaskern – 3 Männer und 2 Frauen - zeigte sich hingegen keine Verschlechterung, ihre Gedächtnisleistung verbesserte sich sogar um 3 Prozent. Und wenn sie nur eine Ausgabe ausführten, waren sie ebenfalls deutlich besser als der Rest. Die Ergebnisse seien nicht zufällig, was eine Überprüfung durch die Monte-Carlo-Methode ergeben hat.

Warum aber sind nicht alle Menschen Supertasker. Das hätte doch schließlich Vorteile, nicht nur Autofahren oder beim Steuern eines Düsenflugzeugs. Die Psychologen spekulieren, dass womöglich eine perfekte Multitasking-Leistung auf Kosten von anderen kognitiven Kapazitäten gehen könne. Es könnte aber auch sein, dass die Situationen, die Multitasking-Fähigkeiten erfordern, noch so neu seien, dass sich noch keine selektiven evolutionären Vorteile entwickeln konnten. Wenn die Technik weiter den Alltag durchdringt, könnte es aber auch sein, dass die Supertasker die gleichzeitige Bewältigung von zwei Aufgaben auch nicht mehr leisten können. Die Psychologen glauben aber, weil sie den Blick auf einzelne Menschen gelegt haben, dass ihr Ergebnis erst einmal die allgemein vertretene Annahme widerlegt, dass Multitasking nicht möglich sei.