Das Geld als therapeutisches Wundermittel

Psychologen wollen in Tests bestätigt haben, dass allein schon der Gedanke an Geld oder das Berühren von Geldscheinen Schmerzen und psychisches Leiden reduziert

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Dagobert Duck hat es schon immer gewusst (Dagobert Duck wird 60). Der Kontakt mit Geld oder das Baden in Gold erfrischt nicht nur die Seele, sondern vertreibt auch Kummer und Sorgen. Da mögen manche behaupten, Geld mache nicht glücklicher, Psychologen wollen hingegen zumindest herausgefunden haben, dass Geldscheine körperliche und emotionale Schmerzen mindern und das Selbstwertgefühl aufbauen.

Schmerz kann auf vielfältige Weise verändert werden, es ist ein subjektives Empfinden. Das Einnehmen von Placebos kann da etwa Wunder wirken. Die Psychologen Xinyue Zhou von der Sun Yat-Sen University, Kathleen Vohs von der University of Minnesota und Roy Baumeister von der University of Florida gingen in ihrer Studie, die in der Zeitschrift Psychological Science erschienen ist, davon aus, dass Geld auch so ein Placebo ist oder als Symbol die Menschen beeinflusst.

Ausgangspunkt ihrer Versuche war die Hypothese, dass Geld soziale Anerkennung mit sich bringt und dazu dient, "dass Menschen das vom sozialen System erhalten, was sie wünschen". Wer das notwendige Kleingeld hat, banal gesagt, schafft an – und stellt auch gern mit Accessoire zur Schau, dass er wohlhabend ist, wodurch er auch interessanter und mächtiger wird.

Allein schon der Gedanke an Geld könnte, so die Psychologen, Selbstgenügsamkeit und Selbstbewusstsein steigern sowie das Vertrauen stärken, dass sich Probleme lösen lassen. Geld sei eine allseitige soziale Ressource, mit dem sich (fast) alles eintauschen lässt. Die Kehrseite wäre, wenn das Geld so mächtig in den Köpfen wirkt, dass in Menschen, die sich zurückgewiesen fühlen, der Wunsch nach Geld stärker wird. Und weil sozialer Ausschluss nach psychologischen Studien nicht nur emotional schmerzt, sondern der emotionale Schmerz dem körperlichen ähnlich ist, könnte Geld beide miteinander verbundenen Formen des Schmerzes heilen. Eine Schmerz- oder Psychotherapietherapie, in der die Patienten zur Leidensminderung mit Geld überschüttet, das von den Krankenkassen bezahlt wird, ist dennoch kaum denkbar.

Um ihre Hypothese zu überprüfen, führten die Psychologen sechs Experimente durch, die teils ziemlich leichtfüßig daherkommen. In einem Versuch in China wurden die Versuchspersonen getrennt und dann gefragt, mit wem sie eine Aufgabe lösen wollten. Allen wurde schließlich mitgeteilt, dass alle (sozial akzeptiert) oder niemand (zurückgewiesen) mit ihnen arbeiten wolle, weswegen die gemeinsame Aufgabe nicht angegangen werden konnte. Sie mussten dann aus dem Gedächtnis eine Münze zeichnen (je größer, desto größer der Wunsch nach mehr Geld). Dann wurde ihnen eine Liste mit angenehmen Dingen vorgelegt (Sonnenschein, Frühling, Schokolade, Strand …). Sie sollten sagen, auf was sie für 1,4 Millionen Dollar verzichten würden. Am Ende des Experiments wurden sie noch gebeten, eine Spende für Waisenkinder zu geben. Die zurückgewiesenen Versuchspersonen zeichneten größere Münzen, gaben mehr für Geld auf, aber weniger für die Waisen. Also, so sagen die Wissenschaftler, erhöht soziale Zurückweisung das Verlangen nach Geld.

In einem anderen Experiment ließ man einen Teil der Versuchspersonen ein angebliches Fingerfertigkeitsspiel spielen, bei dem sie 80 Geldscheine zählen mussten, der andere Teil hantierte nur mit Papierblättern. Dann spielten sie am Computer ein Ballspiel mit drei weiteren, aber nur simulierten Personen aus. Die Stressgruppe erhielt von den Mitspielern immer weniger Bälle zugespielt. Und wer dann auch zuvor nur mit Papier zu tun hatte, der fühle soch angeblich richtig zurückgewiesen, während es den Geldscheinzählern nicht so ging, die, so die Deutung, über den Kontakt mit dem segensreichen Geld ihr Selbstwertgefühl retten konnten.

In einem weiteren Versuch mussten die Versuchspersonen wieder Geldscheine oder Papier zählen. Dann wurde ihnen eine Hand festgebunden. In der sehr schmerzhaften Variante wurden deren Finger für 90 Sekunden in 43 Grad warmes Wasser getaucht, anschließend für 30 s in 50 Grad heißes Wasser und dann wieder für 60 s in 43 Grad warmes Wasser. Für gemäßigt schmerzhafte Variante wurden die Finger nur für 180 s in 43 Grad warmes Wasser getaucht. Wie man sich schon denken kann, kühlt die vorherige Berührung des Geldes und lässt den Schmerz besser ertragen, allerdings nur in der sehr schmerzhaften Version des Experiments. Und auch wenn die Versuchspersonen nur daran dachten, Geld zu verlieren, empfanden sie den körperlichen Schmerz (Hitze) und die soziale Zurückweisung stärker.

Eigentlich müssten die Dagoberts und die früheren Bankangestellten, die noch nicht ausschließlich mit elektronischem Geld umgingen, sondern mit Münzen und Geldscheinen, mit dem größten Selbstvertrauen ausgestattet sein. Aber wenn schon an Geld denken, alles gut macht … Für die Psychologen jedenfalls ist klar: "Wirklich Geld zu haben, bringt offensichtliche Vorteile mit sich."

Zumindest psychische. Es senkt in Stresssituationen Schmerz und Leiden, Mangel an Geld hingegen verstärkt das Leiden. Kaum andere Ressourcen würden diese psychische Verzauberungsmacht wie Geld besitzen, glauben die Psychologen. Es ist allseitiges Tauschmittel, das sich aufhäufen lässt und sich selbst vermehrt, einfach etwas Besonders. Die Armen wären also in der Gleichung Geld = Macht = (Selbst)Zufriedenheit, Selbstvertrauen, Stärke = soziale Anerkennung doppelt gestraft. Nur gut, dass die Welt meist doch etwas komplexer und anders ist als unter Versuchsbedingungen. Kathleen Vohs, eine der Autorinnen, meint dennoch, man könne doch auch Geld als Therapeutikum einsetzen: "To assuage the pain in a medical circumstance, you may want to give [patients] reminders of cash, because it might psychologically be beneficial and then they wouldn't feel quite so much pain." Wie es mit weiteren Nebenwirkungen des Geldes aussieht, das kann man schon lange beobachten, schließlich dreht sich ja alles ums Geld.