Deutsche Islamkritiker stellen sich hinter den holländischen Rechtspopulisten Geerd Wilders

Bild: S. Duwe

Pax Europa und Politically Incoreect riefen zu großer Pro Wilders-Demo in Berlin und fast keiner ging hin

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Stell Dir vor, es gibt eine große Demonstration für den größten Verteidiger der freien Rede in ganz Europa, und keiner geht hin – so ähnlich müssen die vereinzelten Anhänger des niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders die Demonstration erlebt haben, die am Samstag vor der niederländischen Botschaft in Berlin stattfand. Auf der Veranstaltung, die die rechtsgerichtete Bürgerbewegung Pax Europa angemeldet hatte sollte ein Zeichen gegen den "politischen Prozess" gegen Geert Wilders gesetzt werden.

Vor dem Amsterdamer Bezirksgericht wird Wilders wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung seit dem 28. Januar der Prozess gemacht. Der Prozess lief schleppend an und wird sich wahrscheinlich über das ganze Jahr hinziehen. Kurioserweise hatte sich die Staatsanwaltschaft zunächst gegen eine Anklage ausgesprochen. Als Abgeordneter stehe Wilders Immunität zu. Das Amsterdamer Gericht kam aber nach einer Prüfung der Sachlage zu dem Schluss, dass die Klage zulässig sei und diverse Äußerungen von Wilders in der Öffentlichkeit über den durch die staatsamtliche Immunität geschützten Bereich hinausweisen würden.

Besonders muslimische Organisationen hatten auf eine Anklage gedrängt. Blickt man auf den Prozessauftakt zurück, wird der wohl entscheidende Grund klar, warum Staatsanwaltschaft und verschiedene Menschenrechtsorganisationen sich wünschten, es wäre nie zu einem Gerichtsverfahren gekommen. Denn Wilders hat seinen Auftritt vor dem Gericht - wie man es auch von seinen öffentlichen Auftritten gewohnt ist - zur Selbstinszenierung genutzt und mit dramatisierenden Äußerungen seine Popularität im rechten Lager weiter ausgebaut. Während er die Richter beschuldigte, an keinem fairen Prozess interessiert zu sein - und später die niederländische Justiz mit der von Nordkorea verglich -, saß hinter ihm die gesamte Abgeordnetengefolgschaft seiner Partei PVV (Partij voor de Vrijheid - zu deutsch: Partei für die Freiheit) in den Zuhörerreihen, während draußen Hunderte von Anhängern Anti-Islam Parolen ausriefen und das Recht der Meinungsfreiheit für ihren politischen Führer einforderten.

Konkret wird Wilders vorgeworfen, Menschen muslimischen Glaubens beleidigt zu haben, Hass gegen nicht-westliche Migranten und Muslime gestreut zu haben, sowie dass er zu diskriminierendem Verhalten gegen diese Gruppen aufgerufen hätte. Die Anklageschrift führt an die hundert Zitate von Wilders Aussprüchen auf, die er in niederländischen Tageszeitungen, im Internet, unter anderem auf der Homepage seiner Partei, und durch eigene Veröffentlichungen wie seiner islamkritischen "Dokumentation" Fitna (zu deutsch: Aufruhr) veröffentlicht hatte. Zu den brisantesten Äußerungen gehört die Aussage, dass der Koran wie das "Mein Kampf" einer Religion sei, die Nicht-Muslime als minderwertige Menschen und ungläubige Hunde betrachten würde. Auch dass der "Tsunami der Islamisierung" gestoppt werden müsse, gehört zu einer seiner aufrührenden Parolen. In einem BBC-Interview vom März scheute er sich nicht, erneut zu bekunden, den Islam nicht als Religion anerkennen, sondern vielmehr als Ideologie mit einer faschistischen Ausrichtung verstehen zu wollen. Ein Diffamierungsakt , der in der Amsterdamer Anklageschrift vom Januar bereits festgehalten war.

Bisher wurde in den Niederlanden erst eine Person, der ehemalige Politiker der Zentraldemokraten Hans Janmaat, wegen Volksverhetzung verurteilt – in zwei Fällen musste Janmaat insgesamt eine Geldstrafe in der Höhe von etwa 2.000 Euro zahlen. Dass es daher bei Wilders zu einer schmerzhaften Geldstrafe oder gar einem Freiheitsentzug kommen wird, ist eher unwahrscheinlich. Ob Wilders ein zwangsverordneter Gefängnisaufenthalt wirklich stören würde, muss zudem bezweifelt werden. Dies wäre die Sensationsnachricht für die rechte Szene in Europa schlechthin. Ein liberaldemokratischer Rechtsstaat sperrt einen etablierten Politiker ein und beschneidet seine Meinungsfreiheit, weil er es gewagt hat, den Islam zu kritisieren. Ein neuer Mobilisierungsschub der rechten Szene und der Verbreitung islamophober Ansichten wäre die Folge.

Bild: S. Duwe

Zudem stehen die Parlamentswahlen im Juni vor der Tür. Nachdem Wilders Partei bei den Kommunalwahlen in Almeere stärkste Kraft und in Den Haag zweitstärkste Kraft geworden ist, mehren sich die Anzeichen, dass Wilders PVV als drittstärkste Kraft aus den Parlamentswahlen hervorgehen und es so unter Umständen mit der Beteiligung an der niederländischen Regierung schon dieses Jahr klappen könnte.

Dann wäre die in den Medien bereits aufgeflammte Hysterie wegen eines deutlichen Rechtsrucks in der politischen Landschaft Europas nach dem Wahlausgang in Ungarn tatsächlich ernst zu nehmen. Doch was Geert Wilders ohnehin von anderen rechtspopulistischen Parteiführen in Europa wie dem Vorsitzenden der ungarischen Jobbik-Partei, Gabor Vona, oder seinem österreichischen Kollegen Christian Strache der FPÖ unterscheidet, ist Wilders Fähigkeit europaweit, ja sogar weltweit, für nationalistische und islamophobe Programmatik zu werben und an einem landesübergreifenden Rechtsruck zu arbeiten. Eine vornehme Umgangsweise, seine internationale Biografie, sehr gute Englischkenntnisse und die internationale Vermarktung seiner "Dokumentationen" und Propagandafilme befähigen ihn dazu. Im Mai steht eine Reise nach Los Angeles an. Dorthin wurde er zur Filmvorführung der amerikanischen PRB-Produktion "Warning to the West" geladen, als Ehrengast unter Gleichgesinnten. Dort wird er einem breiten Publikum von der Islamisierung Europas berichten können und die freundschaftlichen und islamfeindlichen Beziehungen über den Atlantik hinaus ausbauen.

Joachim Swietlik vom Berlin-Brandenburger Pax Europa. Bild: S. Duwe

"Wir sind die Guten!"

In Deutschland jedoch kann Wilders seine Anhänger offenbar noch nicht sonderlich gut mobilisieren. Bei der Demonstration am Samstag, zu der neben Pax Europa auch der Blog Politically Incorrect aufgerufen hatte, kamen statt der erwarteten 500 gerade einmal 120 Teilnehmer, die auf dem ohnehin schon kleinen Areal an der niederländischen Botschaft recht locker vor der aufgebauten Bühne standen und den geladenen Rednern zuhörten. Im Forum zur Liveübertragung der Veranstaltung beklagte sich ein Demo-Teilnehmer, dass fast mehr Polizeiwannen als Teilnehmer da gewesen seien, was der Realität doch recht nah kommt. Die Redner hingegen schwärmten durchweg von den zahlreich angereisten Demonstranten aus ganz Europa, was angesichts der überschaubaren Menge vor der Bühne viel von einer Realsatire hatte.

Auch inhaltlich hatten die meisten Redner, von immer wiederkehrender Erhöhung von Wilders zu einem "Aufrechten, der die Wahrheit verkündet", wie Joachim Swietlik, der Landesvorsitzende des Berlin-Brandenburger Pax Europa e.V., Wilders nannte, nicht viel zu bieten. Ohne ihre Identifikationsfiguren wären die selbsternannten Islamkritiker von Pax Europa und PI wohl nicht einmal in der Lage, überhaupt eine Demonstration auf die Beine zu stellen.

PI-Gründer Stefan Herr, der kleine Geert Wilders. Bild: S. Duwse

Wie wenig die Islamkritiker zu sagen haben, demonstrierte unfreiwillig der Gründer von PI, Stefan Herre. Viel mehr, als dass Wilders ein Mann sei, um den die Welt die Niederlande beneide, und dass er ihn gerne als Ministerpräsidenten sehen würde, war von dem Polit-Blogger nicht zu hören. Herre selbst ist in der Szene ebenfalls eine Identifikationsfigur, oder wie man auf der Demo sagte: ein kleiner Geert Wilders. Ein solcher war jeder, der sich aufgerafft hatte, den Samstagnachmittag an der niederländischen Botschaft zu verbringen und gegen den "islamischen Terror", die Versuche, Europa zu "islamisieren", zu protestieren – den Anwesenden schien es weniger darum zu gehen, eine politische Botschaft zu vermitteln, als darum, sich in ihrer Ansicht selbst zu bestätigen. Wohl nicht ohne Grund attestierte PI-Aussteiger Jens von Wichtingen dem Blog sektenhafte Züge.

Bemerkenswert hingegen war die Rede des CDU-Politikers Marc Doll, der den Demonstranten zu Beginn seiner Rede ein markiges "Ihr seid der Körper, ihr seid die Macht" zurief und erklärte, dass er heute nicht für die CDU spreche, woraufhin er demonstrativ seine Anzugjacke neben sich auf die Bühne warf. Unweigerlich fragte man sich, was Doll überhaupt noch in der CDU hält. Mit seiner Idee, ein modernes Scherbengericht nach griechischem Vorbild einzuführen, mit dem unliebsame Bürger quasi demokratisch aus dem Land herausgewählt werden können, dürfte er sich jedenfalls in der Union nicht viele Freunde machen.

Einig waren sich alle jedoch darin, dass der Islam eine geschlossene Ideologie darstellt, die möglichst weit weg von Europa gehalten werden solle. Unterschiedliche Strömungen im Islam, auch Kritik von Moslems an Fundamentalisten aus den eigenen Reihen, möchte man nicht wahrhaben, da hinter dem Islam eine totalitäre Ideologie stecke, die die christliche europäische Kultur auszulöschen drohe. Der ehemalige CDU-Politiker, der schon am Rande einer früheren Pax Europa-Demo von Islamisierung in Berlin sprach, schürte mit drastischen Worten die Angst vor dem Islam. Er wolle nicht, dass eines Tages in den Geschichtsbüchern steht, "in einer Zeit, als Europa noch christlich war", sagte Stadtkewitz. Er wolle, dass auch die Kinder in diesem Land noch in Freiheit leben können.

Die wenigen Demonstranten sind von solchen politisch inkorrekten "Wahrheiten" begeistert. Zum Abschluss ergreift Swietlik noch einmal das Wort und geißelt den Prozess gegen Wilders als linksgrüne Gesinnungsdiktatur. "Kriechtiere und Amöben" steuerten uns sehenden Auges in die Katastrophe, so Swietlik. Aber immerhin: "Wir sind die Guten, wir tun was!"