Die biometrische Datenbank des Pentagon für Aufständische

US-Soldaten erschossen drei Schüler und einen jungen Polizisten und erklärten nach einem Abgleich mit der Datenbank, zwei wären "bekannte Aufständische" gewesen

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Die Geschichten gleichen sich. Wieder haben ISAF-Soldaten in der Nähe der Stadt Khost auf ein Fahrzeug geschossen, das sich einem Konvoi näherte (vgl. US-Soldaten beschießen Passagierbus). Dabei sind alle vier Insassen getötet worden.

Nach dem ISAF-Bericht kam dem vordersten Fahrzeug des Konvois am Montagabend ein PKW entgegen, der nicht auf Lichtzeichen reagiert haben soll. Vielmehr habe der Fahrer das Licht ausgeschaltet und sei auf den Konvoi zugefahren. Nach einigen Warnschüssen habe man dann den Wagen beschossen. Angeblich seien unter den vier Toten zwei "bekannte Aufständische" gewesen. Der Vorfall werde näher geprüft, also dürfte er ad acta gelegt werden. Ähnlich wie in Deutschland nun auch der Luftangriff in Kundus mit der Einstellung des Verfahrens gegen Oberst Klein als unproblematisch und kriegsgerechtfertigt abgeheftet werden soll.

Wie immer gibt es widersprüchliche Berichte über solche Fälle, die nicht nur der ISAF-Mission schaden und die Opposition stärken, sondern auch die afghanische Regierung schwächen, da sie für ISAF-Mission und das Verhalten der ausländischen Soldaten mit verantwortlich gemacht wird. Aus dem afghanischen Bildungsministerium kam die Meldung, wie Spiegel Online berichtet, dass es sich angeblich um vier Schüler handeln soll. Anderswo hieß es, es habe sich um drei Schüler im Alter von 14, 15 und 17 Jahren und einen zwanzigjährigen Polizisten gehandelt. Präsident Karsai verurteilte wie gewohnt die ISAF für vorschnelles Feuern.

Klar ist offenbar, dass es sich unbewaffnete Personen gehandelt hat. Und interessant ist, wie die ISAF dazu kam, von zwei bekannten Aufständischen zu sprechen. Schon länger ist bekannt, dass die US-Truppen im Irak und in Afghanistan zentrale Datenbanken aufgebaut haben, in der Irismuster, Fingerabdrücke, Handflächenabdruck, Gesichtserkennung und andere biometrische Daten von vermeintlichen Aufständischen gesammelt und mittlerweile angeblich innerhalb von 2-10 Minuten mit Daten abgeglichen werden können, die mit einem Scanner - Multi-Modal Mobile Biometric Recognition Device - erfasst werden.

Das Automated Biometric Identification System im Einsatz. Bild: BIMA

An anonymous individual can be a tactical, operational, or strategic threat. By leveraging biometrics modalities, such as finger and palm prints, iris patterns, facial features, voice patterns, or DNA, biometrics strips away anonymity, determines identity, and enables operators to take action on this information, thereby mitigating threats.

BIMA

Eingespeist werden in das seit 2004 existierende Automated Biometric Identification System (DOD ABIS), das nun von der neu gegründeten Biometrics Identity Management Agency (BIMA) betreut wird, beispielsweise die biometrischen Daten von Festgenommenen oder solche, die man auf Waffen oder Sprengbomben, in verdächtigen Fahrzeugen, an Kampforten oder in Häusern gefunden hat, in denen sich Aufständische aufgehalten haben sollen. Die Daten von Afghanen, die sich für Sicherheitsdienste bewerben, werden ebenfalls abgenommen, an Grenzen, Checkpoints oder bei Razzien werden biometrische Daten gesammelt. 2009 wurde eine neue Version des Systems, das multimodal Next Generation DOD ABIS, eingeführt.

Mittlerweile sind nach einem Pentagon-Bericht (ppt-Dokument) aus dem Jahr 2009 in dem zentralen ABIS Daten von weit mehr als 3 Millionen Menschen eingespeist. Wie viele davon aus Afghanistan stammen, geht daraus nicht hervor. Neben Verdächtigen befinden sich jedenfalls auch viele Zivilisten und Angehörige der afghanischen Sicherheitsdienste wie Polizisten und Soldaten in der Datenbank.

Bild: BIMA

Leutnant Todd Vician, ein Pentagon-Sprecher, räumte ein, dass die beiden angeblichen Aufständischen deswegen so bezeichnet wurden, weil sich ihre Daten im ABIS-System befinden. Und er musste zugeben, dass dies eigentlich nicht viel bedeutet, weil auch die Daten von Zivilisten aus irgendwelchen Gründen in die Datenbank gelangen können. Er gab auch zu, dass die vier Toten nicht bewaffnet waren. So schnell wird man also ein Aufständischer, was dann auch gleichzeitig die Soldaten entlastet.

In Kandahar schlugen hingegen die "Aufständischen" mit einer "Eselbombe" an einem Kontrollpunkt der Polizei zu und töteten drei Kinder im Alter von 11, 12 und 15 Jahren. Da gleichen sich die Seiten. Beim Gebet in einer Moschee wurde ebenfalls in Kandahar der stellvertretende Bürgermeister erschossen.