"Und was passiert mit den saudischen Frauen auf den Champs-Elysées?"

Trotz Bedenken des Staatsrats will Sarkozy das allgemeine Burka-Verbot im öffentlichen Raum

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Vor etwa drei Wochen erst hatte die Rechtsberatungsinstanz der französischen Regierung, der Conseil d'État, noch zu bedenken gegeben, dass ein generelles und absolutes Verbot der Vollverschleierung mit einiger Wahrscheinlichkeit in größere Konflikte mit allgemeinen Grundrechten geraten könnte (siehe dazu Generelles Burka-Verbot ohne festes juristisches Fundament). Dennoch will die Regierung nach aktuellen Ankündigungen, soweit wie möglich gehen, um ein allgemeines Verbot der Burka auf öffentlichen Plätzen in Frankreich durchzusetzen.

Der Rat des Conseils betraf den zentralen Punkt der laufenden Debatte: Gegen die prinzipielle Idee des „Anti-Burka-Gesetzes“ haben sich in Frankreich nur wenige ausgesprochen - Unstimmigkeit herrscht nur darüber, ob es für den ganz öffentlichen Raum gelten soll oder nur für Amtsstuben, Schulen, Gerichte, öffentlichen Transport usw. .Während Kritiker der neuen Rechtsvorlagen darauf verweisen, dass bestehende Gesetze ausreichen würden – was auch die Expertise des Staatsrats bestätigt - , wollen Sarkozy und die UMP-Spitze „im Namen der Würde der Frauen“ soweit wie möglich gehen.

Die Vollverschleierung werde in Frankreich nicht nur in Räumen des öffentlichen Dienstes verboten, sondern im ganzen öffentlichen Raum verkündete der Regierungssprecher Luc Chatel gestern. Noch im Mai soll der Regierungsentwurf im Ministerrat vorgelegt werden, die Regierung wolle in der Sache rasch voranschreiten:

Das Verbot des Ganzkörperschleiers muss allgemein sein und für den gesamten öffentlichen Raum gelten, weil sich die Würde der Frauen nicht teilen lässt.

Regierungssprecher Luc Chatel

Sarkozy mag darauf hoffen, dass ihn solche Manöver aus dem Rekordpopularitätstief (nur mehr 35% Zustimmung) holen. Eine Garantie auf größere Popularität gibt dieses Gesetz allerdings nicht, auch wenn sich damit gut Stimmung machen läßt. Die Anwendung der Anti-Burka-Gesetz könnte nämlich für allerhand Wirbel sorgen, deren Konsequenzen noch wenig absehbar sind. Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen, deuten sehr in diese Richtung.

„Werden wir in Frankreich erleben, dass Polizisten auf Frauen, die völlig verschleiert sind, zugehen und sie dazu auffordern, dass sie den Schleier abnehmen? Wird das nur den kleinen Leuten in den Vorstädten passieren oder auch den reichen großen arabischen Familien, die in Paris zu Gast sind“, wundert sich zum Beispiel Verteidigungsminister Morin, der mit solcher schlecht verhohlener Kritik an einem Prestigeobjekt Sarkozys selbst Punkte sammeln will. Vor wenigen Tagen hat mit einer eigene Zentristenpartei für Aufmerksamkeit gesorgt und Ambitionen bei den nächsten Präsidentschaftswahlen bewiesen. Morin will sich nun etwas von Sarkozy absetzen.

Ähnliche Schwieirigkeiten mit dem Gesetz äußert aber auch ein UMP-Mitglied, der Ombudsmann Jean-Paul Delevoye, ebenso am Beispiel der reichen Saudis: „Ich finde das Gesetz gut, aber nicht das generelle Verbot. Ich weiß zum Beispiel nicht, was man mit den reichen saudi-arabischen Frauen machen wird, die für drei Wochen kommen, um auf den Champs-Elysées einzukaufen“.

„Was macht man mit Frauen, die sich wehren?“, fragt der Präsident der Menschenrechtsliga, „wird sie dann abgeführt aufs Polizierevier, wird man ihr den Schleier wegziehen?“ Problematisch sieht das ein ranghoher Vertreter Polizeigewerkschaft SGP Police. „Das kann sich leicht gegen uns wenden. Nicht nur, dass wir von der Frau ein Bußgeld verlangen, wir müssen ja auch dafür sorgen, dass das Vergehen beendet wird. Wenn sie sich weigert, wird sie auf das Revier mitgenommen.“

Anfang April erhielt eine 31jährige Frau ein Strafmandat über 22 Euro von Polizisten ausgestellt, weil sie mit einem Niqab am Steuer saß - „Teilnahme am Straßenverkehr unter erschwerten Bedingungen“. Der Fall erregt heute - anlässlich der Debatte um das Burkaverbot - einige Aufmerksamkeit in den Medien. Die Frau erklärte, dass sie den Strafzettel der Polizei als reine Diskriminierung begreife und legte Einspruch ein.