"In Afghanistan wird für jeden von uns gekämpft und gestorben"

Verteidigungsminister Guttenberg wiederholt die üblichen Begründungen und verweist auf tödliche Einsätze "nicht nur in Afghanistan"

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Während Bundeskanzlerin Merkel oder Verteidigungsminister Guttenberg weiterhin versichern, dass die Bundeswehr in Afghanistan Deutschland verteidigen, erhöht der Militäreinsatz allerdings eher die Gefährdung. Wie BKA-Präsident Zierke der Neuen Osnabrücker Zeitung erklärte, würden sich seit einem Jahr Reisen nach Afghanistan und Pakistan in Ausbildungslager häufen. Letztes Jahr sollen an die 30 junge Menschen dort auch geblieben sein.

In Afghanistan hat sich etwa die Gruppe der Deutschen Taliban Mudschaheddin etabliert, die kürzlich mit einem Video auf sich aufmerksam machten. Vorgeworfen wird den deutschen Soldaten von den muslimischen Deutschen, dass sie Besetzer seien. In einem Kommentar der afghanischen Taliban, der am 21. April veröffentlicht wurde, wird davor gewarnt, dass die Deutschen ihre traditionellen Beziehungen zu Afghanistan nicht amerikanischen Interessen opfern sollten. Hingewiesen wird auf die vielen Opfer des Luftschlags in Kundus und den Umstand, dass die Mehrheit der Deutschen nach Umfragen nicht hinter dem Bundeswehreinsatz steht. Der Kampf der Taliban wird als "muslimischer nationaler Widerstand" bezeichnet, der deutschen Regierung ei schneller Truppenabzug nahegelegt.

Von Afghanistan ist vor dem Bundeswehreinsatz allerdings keine Gefahr für Deutschland ausgegangen. Die Anschläge vom 11.9. sollen zwar von Bin Laden und Co. in Afghanistan ausgeheckt worden sein, vorbereitet wurden sie aber u.a. in Deutschland. Beteiligt an den Anschlägen waren keine Taliban und keine Afghanen, 15 der 19 9/11-Attentäter stammten aus Saudi-Arabien, einer totalitären, islamistischen, aber ölreichen Monarchie, die aber als guter Freund des Westens geschützt wird, zwei aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, einer aus Ägypten und einer aus Jordanien.

BKA-Präsident Ziercke weist auf 350 "Ermittlungsverfahren mit islamistischen Hintergrund" hin, die gerade in Deutschland laufen. Das seien so viele wie noch nie. Das BKA bearbeite 220 Verfahren, fast die Hälfte sollen Anschläge in Afghanistan betreffen: "Hier spiegeln sich die vermehrten Angriffe auf deutsche Soldaten wider", so Ziercke. Das aber heißt nicht, dass Deutschland am Hindukusch verteidigt wird, sondern der deutsche Militäreinsatz in Afghanistan nicht nur Angriffe auf die deutsche Soldaten bewirkt, sondern auch Deutschland gefährden könnte.

Diese Zusammenhänge werden jedoch systematisch ausgeblendet. Auch auf seiner Trauerrede zur Beerdigung der vier am 15. April getöteten deutschen Soldaten wiederholte Guttenberg, dass der Einsatz in Afghanistan gefährlich sei und dass dort "für unser Land, für dessen Menschen, also für jeden von uns, gekämpft und gestorben" werde. Wieder einmal sprach er auch davon, dass die Soldaten "Opfer hinterhältiger, feiger Anschläge" wurden, als ob dies die Bombardierung der Tanklastzüge bei Kundus anders wäre. Gestorben seien die vier Soldaten "für die Gewissheit, ihre und unsere Freiheit, das Leben unserer geborenen wie ungeborenen Kinder, unserer Familien zu schützen. Auch und gerade in Afghanistan."

Richtig sagte Guttenberg angesichts der dürftigen Begründung: "Die Frage nach dem Sinn bleibt zurück." Letzten Endes beantwortet er sie dadurch, dass er das in der Gesellschaft verbreitete "bequeme Beiseitestehen" geißelte, in der "viele Worte wie 'Dienen', 'Dienst' oder 'Tapferkeit' für überkommene, altmodische Begriffe gelten". Würde man den Spieß umdrehen, dann könnte man auch sagen, dass solche Worte notwendig werden, wenn überzeugende Begründungen fehlen.

Guttenberg stimmte die Deutschen und die Soldaten auf eine tödliche Zukunft ein: "Tod und Verwundung sind Begleiter unserer Einsätze geworden und sie werden es auch in den nächsten Jahren sein - wohl nicht nur in Afghanistan." Der letzte Zusatz sollte noch mehr zu denken geben als die Versicherung, dass die Bundesregierung weiterhin erklärt, die deutsche Sicherheit in Afghanistan verteidigen zu müssen, was nach der "neuen Strategie" des ISAF-Oberkommandierenden bedeutet, mehr gemeinsame Patrouillen mit afghanischen Soldaten durchzuführen und dadurch auch angreifbarer zu werden (Afghanistan: "Die Taliban sind unsere Brüder"). Interessant würde freilich sein, in welchen Ländern nach Guttenberg noch Bundeswehreinsätze geplant sind.