Kaum neue Arbeitsplätze am Ende der Krise

Die gute Nachricht ist: die Wirtschaftskrise ist überstanden. Die schlechte jedoch folgt auf dem Fuß: eine rasche Erholung auf dem Arbeitsmarkt wird es wohl nicht geben

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Die soziale Marktwirtschaft hat sich auch in der Krise bewährt. Mit diesem immer wiederkehrenden Mantra eröffnete Gunter Thielen, der Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann-Stiftung, die Konferenz über die Wirtschaftskrise und die Herausforderungen, die auf den deutschen Arbeitsmarkt noch zukommen werden. Ausdrücklich lobte Thielen die viel kritisierten Krisenpakete der Bundesregierung. Besonders lobte er dabei "die mit Begeisterung aufgenommene Abwrackprämie", die Regelung zur Kurzarbeit sowie die Kanzlergarantie, dass die Spareinlagen der Deutschen sicher seien. Mit diesen und weiteren Maßnahmen habe die Bundesrepublik, obwohl als Exportnation schwer von der Krise getroffen, die Krise relativ gut überstanden.

Angel Gurria, der Generalsekretär der OECD, fand auf der Konferenz der Bertelsmann-Stiftung deutliche Worte zur Zukunft der Arbeit in Zeiten der Krise. Nachdem die Arbeitslosenquote in den OECD-Staaten 2007, also vor der Wirtschaftskrise, bei 5,8 Prozent auf einem 28-Jahres-Tief angekommen war, stieg die Arbeitslosigkeit bis zum letzten Quartal 2009 auf 8,8 Prozent an. Das bedeutet, dass mehr als 18 Millionen Menschen in den insgesamt 31 OECD-Ländern ihre Arbeit verloren haben. Auch die Zahl derer, die nur noch eine Teilzeitstelle finden würden, obwohl sie gern mehr arbeiten wollen, sei gestiegen, so Gurria.

OECD-Generalsekretär Angel Gurria warnt vor Wachstum ohne neue Jobs. Foto: S. Duwe

Für 2010 sieht er aber erste Zeichen einer Besserung. Die Daten legten nahe, dass die Arbeitslosenrate ihren Höchststand erreicht habe. Damit sind die guten Nachrichten jedoch auch schon vorbei. Das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes in den OECD-Staaten, in diesem Jahr werden 1,9 Prozent und in 2011 noch einmal 2,5 Prozent erwartet, reicht bei weitem nicht aus, um eine rasche Abnahme der Arbeitslosigkeit herbeizuführen.

Zudem stünden die Staaten vor der Herausforderung, gleichzeitig ihre angeschlagenen Haushalte zu sanieren und eine aktive Arbeitsmarkpolitik zu betreiben – ein Spagat, der kaum zu schaffen sein dürfte. Zumal der OECD-Generalsekretär davon ausgeht, dass selbst in Ländern mit einer sehr beschäftigungsfreundlichen Politik fünf Jahre vergehen würden, bis die Arbeitslosenquote wieder das Vorkrisenniveau erreicht hat. In anderen Ländern könne das sogar noch deutlich länger dauern.

Für Länder wie Deutschland, die Arbeitsplatzabbau durch verkürzte Arbeitszeiten verhindert haben, sieht er das Risiko des "jobless recovery", eines Aufschwungs, in dem keine neuen Arbeitsplätze entstehen. Schließlich würde zunächst einmal die Arbeitsmenge pro Mitarbeiter wieder auf das Maß vor der Krise erhöht, bevor es zu Neueinstellungen käme.

Ein Aufschwung, in dem neue Arbeitsplätze entstehen, sollte aus seiner Sicht jedoch oberste Priorität für die Regierungen haben. Dazu sei es auch notwendig, dass die Regierungen Geld in die Hand nehmen, um beispielsweise "grünes Wachstum" zu fördern oder energetische Gebäudesanierung zu finanzieren.

Die Jahre mit Leben füllen

Doch selbst wenn neue Jobs entstehen würden, so würde sich dies zunächst auf die Zeitarbeitsbranche konzentrieren. Dies zeige die Erfahrung aus vergangenen Aufschwungsphasen, hieß es von der Bertelsmann-Stiftung. Da diese Erwerbsform, wie auch andere so genannte atypische Erwerbsformen, jedoch häufig mit großen Unsicherheiten und Niedriglöhnen verbunden sind, war diese ein wichtiges Thema auf dem Kongress.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen nutzte ihren Vortrag, um die Zeitarbeit zu verteidigen. Sie sei eine "Brücke in die Arbeit". Neun Prozent der Zeitarbeiter seien vorher niemals beschäftigt gewesen, so die Ministerin. Zwar gebe es Drehtüreffekte, jedoch sei es "besser, zeitweilig beschäftigt zu sein, als gar nicht beschäftigt zu sein", so von der Leyen. Für sie sei es am wichtigsten, "die Menschen auf die sichtbar ihnen abzuverlangende Flexibilität vorzubereiten", erklärte sie. Gleichzeitig warb sie für eine Neubesetzung des Begriffs der Rente mit 67. Dieses Wort müsse geändert werden in "Wie geht Arbeit bis 67", da die Erhöhung des Renteneintrittsalters für die Menschen eine Chance darstelle. Noch nie in der Menschheitsgeschichte seien die Alten so fit wie heute gewesen. Deshalb müsse man sich nun mit der Frage auseinandersetzen, was man tun könne, "um diese gewonnenen Jahre mit Leben zu füllen", so von der Leyen.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen. Foto: S. Duwe

Eine gerade von der Bertelsmann Stiftung vorgelegte Studie kommt allerdings zum Ergebnis, dass die Zeitarbeit normalerweise keine "Brücke in die Arbeit" ist: "Auf dem Feld der Zeitarbeit zeigt sich eine deutliche Tendenz zur Spaltung zwischen Rand- und Kernbelegschaften ohne belastbare Hinweise auf eine Brückenfunktion. Ohne die originäre Funktion der Zeitarbeit als Puffer für Auftragsspitzen in Frage zu stellen, bietet sich eine Annäherung der Arbeitsbedingungen in der Zeitarbeit an die Entlohnung und die Arbeitsbedingungen der Kernbelegschaften sowie ein Zuwachs an Bestandssicherheit mit wachsender Verweildauer an."

Mindestlohn weiter umstritten

Brigitte Pothmer, die sozialpolitische Sprecherin der Grünen, erklärte, dass eine Verpflichtung aller zum Normalarbeitsverhältnis zwar keine Lösung sein könne, forderte allerdings eine bessere Balance zwischen Flexibilität und Sicherheit. Für Zeitarbeiter könnte sie sich eine Flexibilitätsprämie vorstellen. Ein ähnliches Modell existiert bereits in Frankreich. Dort erhalten Zeitarbeiter nicht nur den gleichen Lohn wie die Stammbelegschaft eines Unternehmens, sondern zusätzlich noch eine Prämie in Höhe von 10 Prozent. Würde eine solche Regelung auch in Deutschland eingeführt, würde dies die Verdrängung von regulären Beschäftigten durch Zeitarbeiter stoppen, da Zeitarbeiter dann deutlich teurer als regulär Beschäftigte wären.

Dieser Vorschlag stieß jedoch auf wenig Gegenliebe: Johannes Vogel (FDP) warf Pothmer vor, die Tarifautonomie in der Zeitarbeit beschränken zu wollen. Die Diskussion um den Missbrauch der Zeitarbeit, beispielsweise bei Schlecker hält er für "medial aufgeheizt", gestand jedoch ein, dass man sich Gedanken über schwarze Schafe machen müsse. Um die Qualifikation der Arbeitnehmer zu verbessern, schlug er vor, dass der Staat die Weiterbildung von Beschäftigten künftig mitfinanzieren sollte. Diese Idee, so Vogel, sei jedoch noch nicht mit seiner Partei abgestimmt.

Derart viel Fürsorge für die Unternehmer ging denn auch selbst dem Hauptgeschäftsführer des Arbeitsgeberverbandes BDA zu weit. Zwar müsse jeder, der in Arbeit ist, auch weitergebildet werden. Dies sei jedoch Sache der Arbeitgeber, die die Kosten zu tragen hätten, und der Arbeitnehmer, die die Zeit dafür aufbringen müssten. Zugleich lobte er die Zeitarbeitsfirmen, die eine große soziale Verantwortung übernehmen würden, indem sie Geringqualifizierte fit für die Arbeit machen. Das Problem der Niedriglöhne sehe er hingegen nicht. Vollzeitbeschäftigte Aufstocker verdienten im Schnitt über 10 Euro in der Stunde, ein Mindestlohn wäre da fehl am Platz. Doch ein Bericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigt: die Löhne liegen weit darunter. Ein Aufstocker in Westdeutschland verdient demnach im Schnitt nur 7 Euro brutto pro Stunde, im Osten sogar nur 6,02 Euro.

Selbst die Bertelsmann-Stiftung hat dieses Problem mittlerweile erkannt, und sich dazu durchgerungen, ebenfalls einen gesetzlichen Mindestlohn zu fordern. Dieser müsse allerdings für alle Branchen gelten.

Zweifel jedoch sind angebracht, wenn es um das angekündigte Ende der Wirtschaftskrise geht. Die drohende Staatspleite Griechenlands und die Abwertung der Kreditwürdigkeit Portugals und Spaniens werden Europa und damit auch Deutschland, das von Exporten in die EU wirtschaftlich stark abhängig ist, weiter belasten. Und nicht zuletzt haben auch deutsche Banken griechische Staatsanleihen in ihren Depots – allen voran die bereits verstaatlichte Hypo Real Estate mit einem Gesamtvolumen von fast 8 Milliarden Euro. Hier droht bereits eine neue Blase zu platzen.