Spione beim Angeln

Russisches U-Boot der Golf-II-Klasse. (Ein Schwesterschiff der K-129). Bild: U.S. Navy

Der geheimdienstliche Nebel um das CIA-Schiff "Hughes Glomar Explorer" lichtet sich allmählich

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Diesen Januar gab die CIA erstmals Dokumente über das sagenumwobene "Project Azorian" frei, bei dem 1974 der amerikanische Auslandsgeheimdienst mit einem getarnten Spezialschiff ein unter mysteriösen Umständen gesunkenes russisches U-Boot aus 5.000 m Tiefe geborgen haben sollte. Doch ein Drittel dieses zusammenfassenden Berichts ist nach wie vor geschwärzt. Selbst wenn so manche Frage noch offen ist, so ist das meiste allerdings inzwischen durchgesickert, wenn auch noch immer nicht zu den Mainstream-Medien.

"Glomarization" nennen amerikanische Journalisten die durchaus effiziente Strategie, zu teilweise bekannt gewordenen geheimen Vorgängen eisern zu schweigen. Die Bezeichnung geht auf das sagenumwobene Schiff "Hughes Glomar Explorer" zurück, von dem 1975 zu lesen war, es habe im Vorjahr ein mit Atomwaffen bestücktes sowjetisches U-Boot aus 5.000 m Tiefe gehoben. Präsident Ford und seine Berater kamen überein, die in Pressekreisen kursierenden Informationen sowie die schließlich veröffentlichen Zeitungsartikel nicht zu kommentieren, auch nicht über diplomatische Kanäle. #

Eine offizielle Stellungnahme hätte die sowjetische Gegenseite zu einer Reaktion veranlasst und nicht zu unterschätzende Spannungen verursacht, die man sich auf diese Weise gegenseitig ersparte und den Fall aussaß. Zwar öffnete das Schweigen Spekulation Tür und Tor, doch seriöse Autoren und die Geschichtsschreibung zogen es vor, das Kapitel vornehm auszulassen. Nicht einmal in der CIA-Chronik von Tim Weiner wird die mit ca. einer halben Milliarde Dollar teuerste (bekannte) CIA-Operation aller Zeiten erwähnt.

Hughes Glomar Explorer. Bilder: U.S. Government

Erst 1993 übergab die CIA im Rahmen einer allgemeinen Aufarbeitung ungeklärter Vorfälle des Kalten Kriegs an Boris Jelzin einen Film, auf dem die mit militärischem Zeremoniell erfolgte Seebestattung geborgener Leichen russischer Matrosen zu sehen war, was die geheimnisvolle Aktion indirekt bestätigte. Schließlich übergab CIA-Chef Woolsey sogar die geborgene Schiffsglocke des U-Boots.

Der diesen Januar teilgeschwärzt freigegebene und Anfang Februar von der George Washington Universität verbreitete CIA-interne Bericht bleibt zu vielen Aspekten die Antwort schuldig: Warum war das U-Boot überhaupt gesunken? Was passierte tatsächlich bei der Bergungsaktion? Warum war der Frachtraum der Glomar Explorer 30 m kürzer als das U-Boot? Welchen Erkenntnisgewinn erhofften sich die Amerikaner von einem Wrack, das immerhin sechs Jahre im Salzwasser gelegen hatte, dass sie einen solchen Aufwand trieben? Warum bleiben die Ergebnisse zwei Jahrzehnte nach Ende des Kalten Kriegs noch immer geheim?

Warum sank K-129?

Am 11. März 1968 sank im Pazifik das russische U-Boot K-129, wobei es 98 Seeleute in den Tod riss. Soweit bekannt, liegen der russischen Seite keine Erkenntnisse über die Ursache vor. Bei K-129 handelte es sich um ein 1960 in Dienst gestelltes, Diesel-getriebenes U-Boot, bewaffnet mit drei ballistischen, damals modernsten Atomraketen mit 1200 km Reichweite sowie zwei Atomtorpedos.

Häufig wird der Verlust der K-129 in Beziehung zur in Hawaii stationierten USS Swordfish, die kurze Zeit nach dem Verschwinden der K-129 den Hafen von Yokosuka anlief. Dort konnten Passanten deutlich ein verbogenes Periskop sehen, dessen Beschädigung angeblich von der Kollision mit einem Eisbrocken bei Japan stammte. Die Swordfish war bereits früher in riskante Aufklärungseinsätze verwickelt gewesen. Manche wussten sogar über Schäden am Turm des atomar getriebenen U-Boots zu berichten. Hatte sich unterhalb der Wasseroberfläche eine Kollision der Kalten Krieger ereignet?

Diese Theorie ist in der Roten Armee noch immer verbreitet. Der russische Admiral Victor Dygalo etwa machte Andeutungen, die Supermächte hätten sich auf gegenseitiges Stillhalten geeinigt, wie man es auch im Fall des amerikanischen Atom-U-Boots USS Scorpion getan hätte, das ebenfalls 1968 angeblich ohne Fremdeinwirkung gesunken war. Fantasiebegabtere westliche Autoren sahen in dem Vorfall eine Art "Jagd auf Roter Oktober", bei der das KGB in Rivalität zur Roten Armee einen atomaren Angriff auf Pearl Harbor plante, um dies China anzulasten, das den Sowjets damals von der Fahne zu gehen drohte.

Entgegen solchen spekulativen Behauptungen war die K-129 jedoch nicht auf dem Weg nach Pearl Harbor, sondern sank von Hawaii ca. 1.500 Meilen entfernt. Der Unglücksort liegt damit sogar dem eigenen Stützpunkt Petropawlowsk näher als Hawaii.

Auch die nach langer Forderung 2007 an Russland übergebenen Logbücher der Swordfish sprechen dafür, dass sich das amerikanische U-Boot zum fraglichen Zeitpunkt ganz woanders aufgehalten hat, nämlich gemeinsam mit der pazifischen Flotte in den Gewässern vor Nordkorea, wo gerade das Spionage-Schiff Pueblo mit samt dem NSA-Equipment vom Gegner gekapert worden war.

Hätte die Swordfish wirklich K-129 gerammt und hätte dies vertuscht werden sollen, so hätte das U-Boot kaum einen öffentlich einsehbaren Hafen angelaufen, wo das Schiff mit verbogenem Periskop sogar in der Zeitung abgebildet wurde. Auf dem fraglichen Foto ist keine Beschädigung des Turms zu erkennen.

Laut dem akustischen Überwachungssystem des US-Militärs, mit dem die USA die Weltmeere durch ein riesiges Netz an Unterwassermikrofonen abhören und Schiffsbewegungen lokalisieren, gab es an Bord der K-129 zwei Explosionen. Unterwasseraufnahmen lassen auf einen Unfall im Torpedobereich schließen.

Projekt Azorian

Da die USA im Gegensatz zu den Sowjets, die buchstäblich im Trüben fischten, die Fundstelle aufgrund der akustischen Überwachung kannten und das Wrack durch ein U-Boot ausgiebig fotografiert hatten, bot sich der CIA nun die einmalige Chance, erstmals sowjetische U-Boot-Technologie aus erster Hand zu begutachten sowie deren damals modernste Atomraketen. Die Aufklärungsleistungen der CIA waren hinter dem Eisernen Vorhang recht bescheiden geblieben, im Gegenteil war ihr häufig Desinformation zugespielt worden. Nun lagen Erkenntnisgewinne am Boden des Pazifiks, wenn auch auch 5.100 m unter der Wasseroberfläche. Es bestand die Aussicht, die Technologie der russischen U-Boote zu studieren, Chiffriersysteme und Codebücher zu erbeuten, vor allem aber erstmals sowjetischer Atomraketen habhaft zu werden, denen man ansonsten während des Kalten Krieges nicht einmal nahe kam. Die unter Erfolgsdruck stehenden Spione in Langley witterten einen großen Coup.

U-Boote waren in den 60er Jahren als mobile Abschussstationen ballistischer Atomraketen von entscheidender strategischer Bedeutung. Hatte man es noch 1962 als unmittelbare Bedrohung gewertet, dass die USA Raketen an der türkisch-russischen Grenze und die Sowjetunion Raketen auf Kuba stationierten, war dieses Bedrohungsszenario längst überholt, da U-Boote von überall her mit dem atomaren Inferno losschlagen konnten.

Über mehrere Jahre hinweg diskutierte die CIA mit dem Weißen Haus Konzepte, ob und wie der Havarist zu bergen sei. In einer Zeit, in der die USA Menschen zum Mond senden wollten, kannte man in Washington das Wort "unmöglich" nicht. Auch wenn viele dem Projekt nur geringe Erfolgsaussichten beimaßen und die Kosten jeden Rahmen sprengten, entschied schließlich Präsident Nixon persönlich, dass die ehrgeizige Operation durchgeführt werden sollte.

Hughes Glomar Explorer

Da das Projekt eine Vielzahl an Beteiligten erforderte und schon aufgrund der Größenordnung nicht unentdeckt bleiben würde, war eine Coverstory erforderlich, welche die Mission verdeckte und ihre sichtbaren Teile plausibel erklärte. Als glaubwürdige Tarnung im Tiefseebereich bot sich neben einer inszenierten Ölbohrung auch eine wissenschaftliche Forschungsmission an, wie sie die "Glomar Challenger" durchführte. Das zum Konzern des exzentrischen Milliardärs Howard Hughes gehörende Bohrschiff war in der Lage, bis zu 7 km tief zu bohren und hatte durch seine Untersuchungen Alfred Wegeners Theorie der Plattentektonik bestätigt. Jedoch benötigte die CIA ein größeres Spezialschiff, das auch einen riesigen Frachtraum bot, der von Wasserseite her beladen werden konnte.

Da Hughes schon seit dem Zweiten Weltkrieg für das Pentagon produzierte, der CIA sämtliche Spionageseiten lieferte und ihr für verdeckte Operationen seine Einrichtungen als Stützpunkte zur Verfügung stellte, gewann man den inzwischen zurückgezogen lebenden Milliardär als bewährten Partner für die Camouflage.

Inwieweit Hughes persönlich eingeweiht war, ist nicht gesichert. Der Öffentlichkeit gegenüber wurde verlautbart, Hughes wolle mit einem neuen, seiner Glo(bal) Mar(ine) Challenger ähnlichen Schiff die Verwertbarkeit von Manganknollen erforschen, welche den Meeresboden überziehen.

1973 wurde in Pennssylvania die Hughes Glomar Explorer fertiggestellt, die ca. 180 Seeleuten Platz bot und über einen Bohrturm verfügte, der mittig so aufgehängt war, dass er vom Seegang nicht beeinträchtigt wurde und in der Vertikalen blieb. Zu diesem Zwecke waren eigens die bis heute größten Kugellager der Welt gefertigt worden. An diesen Turm sollten nacheinander Bohrelemente angeschraubt werden, um schließlich eine über 5.000 m lange Stange zu bilden, an der in der umgekehrten Prozedur die geheime Fracht heraufgezogen werden sollte. Computer-koordinierte Motoren steuerten Seitwärtsbewegungen des Schiffes entgegen. Bevor sich die Glomar II dem Operationsgebiet näherte, unternahm es zur Tarnung einige Reisen, bei denen u.a. der Umgang mit radioaktivem Material trainiert wurde.

Neben dem Bohrturm verfügte die Glomar Explorer über zwei ungewöhnliche Aufbauten, die sich vertikal in die See absenken ließen. Ihre geheime Funktion bestand darin, als Führungsschienen die Aufnahme großer Fracht durch die Wasserluke zu erleichtern und diese das letzte Stück oberhalb der Wasseroberfläche zu hieven.

"Clementine"

Um das U-Boot zu fixieren, fertigte an der Westküste die Rüstungsschmiede Lockheed, die nicht mit der Werft in Pennsylvania in Beziehung gesetzt werden sollte, eine gigantische Kralle, die den Kosenamen "Clementine" erhielt. Dieses Bergungsgerät sollte an der aus Bohrelementen gebildeten Stange herabgelassen werden, um das zum Teil in den Meeresboden versackte U-Boot zu ergreifen und aus dem Schlamm zu hieven, wobei es sich hydraulisch abstützte. Die für den immensen Druck in 5.000 m Tiefe vorgesehene Konstruktion verfügte über Kameras und eigene Steuerungsmotoren zur Anvisierung des Ziels.

Damit die Kralle ungesehen in das ansonsten harmlos erscheinende Schiff montiert werden konnte, wurde sie in einer James Bond-tauglichen Geheimmission in einem eigens angefertigten schwimmenden Hangar an der belebten Küste angeliefert. Die "Hughes Mining Barge" genannte Konstruktion hatte auch die Funktion, die Kralle vor Spionagesatelliten zu verbergen. Damit nicht genug, war der Sporthallen-große Hangar so konstruiert, dass er mitsamt seiner geheimen Fracht tauchen konnte.

Als die Glomar II Anfang 1974 Long Beach anlief, tauchte die Mining Barge diskret von Froschmännern eskortiert vor der Küste ab und sank auf den Grund. Die Glomar II platzierte sich nachts über der getauchten Halle, deren Dach sich öffnete und die geheime Fracht an die geöffnete Wasserluke des CIA-Schiffs übergab. Über Nacht war aus dem "Forschungsschiff" ein geheimes CIA-Bergungsschiff geworden, ohne dass dies ein Beobachter gemerkt hatte.

Im Mai 1974 waren alle Tests der Glomar II abgeschlossen. Präsident Nixon wollte jedoch den anstehenden Gipfel abwarten, der keinesfalls durch eine piratenmäßige Bergung eines gegnerischen militärischen Schiffes hätte gefährdet werden sollen.

Im Juni ereignete sich in Los Angeles ein mysteriöser Einbruch im früheren Firmensitz von Howard Hughes, der dort sein Archiv untergebracht und inzwischen die USA dauerhaft verlassen hatte. Da offenbar in erster Linie Dokumente gestohlen wurden, befürchtete die CIA, dass auch Informationen über die Glomar II in Umlauf geraten seien. Die Verantwortlichen waren außer sich, da die teuerste CIA-Operation aller Zeiten nun den Sowjets oder der Öffentlichkeit gegenüber enthüllt werden konnte, bevor sie stattfand - wie es mit zahlreichen CIA-Operationen der Fall gewesen war.

Der Einbruch war allerdings offensichtlich ein Inside-Job, dessen Aufklärung ersichtlich von oben behindert wurde. Der zwielichtige Milliardär Hughes war kurz zuvor von einem Gericht zur Herausgabe von Dokumenten verurteilt worden, die praktischerweise nun gestohlen wurden. Der angeblich überrumpelte Wachmann räumte später ein, dass er ein angebliches Glomar-Dokument an sich genommen habe, jedoch will er es später vernichtet haben, was kaum glaubhaft ist.

Auch wenn vieles dafür spricht, dass es ein solches Dokument nie gegeben hat, so hatten die Sowjets tatsächlich Wind von der geplanten Bergung der K-129 bekommen, kannten sogar die Code-Bezeichnung "Jennifer", welche eine Planungsgruppe für geheime maritime Aktionen verwendete. Doch das KGB hielt die Bergung eines U-Boots aus 5.000 m Tiefe für unmöglich und nahm den Tipp nicht ernst. Von der riesigen Kralle wussten oder ahnten sie offenbar nichts.

Hochseeangeln für Spione

Am 04.Juli 1974 erreichte die Glomar II die Position über der havarierten K-129, um ihre geheime Kralle an dem "Bohrgestänge" in die Tiefe herabzulassen. Diese Position konnten Historiker durch ein britisches Schiff verifizieren, das wegen eines medizinischen Notfalls die Glomar II um Hilfe bat, deren Geheimnis jedoch nicht bemerkte.

Doch auch andere Gäste fanden sich ein, nämlich am 18.Juli das russische Schiff Chazhma, das mit optischen Geräten aus einem Helikopter heraus das ungewöhnliche Forschungsschiff auskundschaftete. Aus Sicherheitsgründen ließ der Kapitän der Glomar II die Hubschrauberlandeplattform blockieren, um eine Kaperung durch eine sowjetische Kommandoaktion zu erschweren. Nichts dergleichen geschah. Stattdessen sandten die Russen durch optische Signale diverse Fragen zu Ausrüstung und Mission, die man im Sinne der Coverstory beantwortete. Die Chazhma gab sich scheinbar damit zufrieden und drehte ab.

Jedoch tauchte am 22. Juli ein anderes russisches Schiff auf, die scheinbar zivile SB-10, das die Szene weiter beobachtete. Den Augen der amerikanischen Matrosen boten die Russen zwei Frauen, die sich auf dem Schiff unbekleidet zeigten - ein übliches Geheimdienstmanöver, um versteckten Fotografen gute Frontalaufnahmen gegnerischer Agenten zu erleichtern. Wie man mit Bohrgestänge ein U-Boot aus 5.000 m Tiefe bergen wollte, erschloss sich den russischen Zaungästen nicht. Durch die Pipeline hochsaugen würde man es nicht können. Das neugierige Schiff zog immer engere Kreise um die Glomar II, was diese durch Blenden mit Suchscheinwerfern konterte. Zuletzt ließ die SB-10 sogar Taucher zu Wasser, was die Glomar II zu Ausweichmanövern veranlasste. Die Russen verabschiedeten sich schließlich, nicht ahnend, dass nur noch wenige hundert Meter unter dem "Forschungsschiff" die gewaltigste Angel aller Zeiten ihren Fang einholte.

Geheimnisvolle Tiefsee

Dokumentationen und Bücher über die lange als "Jennifer-Projekt" bekannte Mission blieben notwendig lückenhaft, enthielten häufig Spekulation. Es kursierten Gerüchte angeblicher Besatzungsmitglieder, die CIA habe das U-Boot komplett geborgen, was sich jedoch angesichts der zu geringen Ausmaße der Ladeluke nicht nachvollziehen lässt. Eine andere populäre Version besagt, K-129 sei während der Hebung auseinander gebrochen, so dass nur ein Teil geborgen werden konnte. Russische Fachleute hielten jedoch einen solchen Bruch des stabil konstruierten U-Boots für unwahrscheinlich.

Die Wahrheit liegt in der Mitte. Ende 2009 erschien der bislang nur auf DVD vertriebene Dokumentarfilm "Project Azorian" des in Wien lebenden US-Filmemachers Michael White, der neben aufwändigen Animationen auch reichlich - eigentlich geheimes - Originalfilmmaterial von der Expedition sowie Interviews mit Beteiligten wie Ingenieuren und Managern bietet. Dieser fast zweistündige Film dürfte denn auch der Anlass für die CIA gewesen sein, nach 35 Jahren des Schweigens diesen Januar den CIA-Bericht von 1978, der erstmals 1985 CIA-intern verbreitet werden durfte, der Öffentlichkeit freizugeben. Der Bericht ist zu einem Großteil geschwärzt und noch immer müssen sich Veteranen, die Bücher über die Mission schreiben wollen, der CIA-Zensur fügen. Doch in Whites ambitionierter Dokumentation bleiben nur wenige Geheimnisse der spannenden und technologisch beeindruckenden Operation ausgespart.

K-129 war bereits bei der Explosion in zwei Teile gerissen worden. Missionsziel war von Anfang an der gut erhaltene Rumpf mit den Torpedoschächten und dem Turm sowie den hierin vermuteten R-21-Raketen. Bei der Bergung war jedoch nicht das solide gebaute sowjetische U-Boot die Schwachstelle, sondern der Greifer. Bereits beim Zugriff auf das U-Boots hatte es Probleme mit einem Greifarm von Clementine gegeben, der schon in diesem Stadium abbrach. Wie sich erst später herausstellen sollte, war das gewichtssparende Metall, aus dem die Kralle gebaut worden war, nicht stabil genug. Auf dem Weg nach oben brachen kurz vor dem Ziel weiteren Greifarme. Zwar hatte man etwa einzelne Öffnungen wie die Torpedoschächte mit Netzen gegen Verluste gesichert, doch bezüglich des gesamten Körpers der Statik der Kralle vertraut. Die verbliebenen Greifarme förderte nur noch einen geringen Rest der Beute nach oben.

Was man außer den Leichen der Matrosen und der Schiffsglocke noch im Wrackteil fand, unterliegt offiziell noch immer der Geheimhaltung. Der Zugang zum Frachtraum war nur wenigen Crewmitgliedern gestattet. Als großen Erfolg der Mission verbuchte die CIA die Erkenntnis, dass die Hülle sowjetischer U-Boote bedeutend massiver war, als bis dahin angenommen. Ein Experte äußerte sich, allein dieser Befund sei den Preis der Mission wert gewesen. In dem Wrackteil fand man ausgerechnet Manganknollen, was perfekt zur Coverstory passte.

Die wohl bedeutendste Beute aus dem Wrack waren jedoch zwei russische Nukleartorpedos, deren Bergung nach Ansicht des russischen Geheimdienstes der CIA gelungen war. Auf Whites Dokumuentarfilm ist sogar die Begutachtung eines der Torpedos an Bord der Glomar II zu sehen.

Ein Teil des verstrahlten Materials wurde noch auf der Fahrt verklappt, die Leichen der russischen Matrosen auf See bestattet. Einem während der Operation verstorbenen Manager wurde der Wunsch erfüllt, dessen Asche von der Glomar Explorer aus in die See zu verstreuen.

Presse-Lecks

Noch im selben Jahr sickerte die spektakuläre Geschichte scheibchenweise auf die Schreibtische bekannter Enthüllungsjournalisten, darunter auch Seymour Hersh. CIA-Chef William Colby persönlich telefonierte umher, um die Herausgeber davon zu überzeugen, dass eine Veröffentlichung die nationale Sicherheit gefährde. Das Kapern fremder Militärschiffe hätte als kriegerischer Akt betrachtet werden können, wie man dies ja umgekehrt im Fall der Pueblo propagierte, zumal sich hier eine Supermacht als Grabräuber an den Atombomben der anderen vergriff.

Die großen Zeitungen akzeptierten diese Argumentation und nahmen ihre Schreiber an die Kette. Für eine Krise zwischen den Supermächten, wie sie ein Jahrzehnt zuvor die Stationierung russischer Raketen auf Kuba ausgelöst hatte, wollten gute Patrioten nicht verantwortlich sein.

Doch ein investigativer Journalist, der bereits Nixon anderweitig in Bedrängnis gebracht hatte, ließ sich nicht beknien und brachte 1975 die Story: Pulitzer-Preisträger Jack Anderson, der als gläubiger Mormone seinen erfolgreichen Journalismus als zu ehrende Gottesgabe betrachtete, berichtete als erster, worauf seine Kollegen prompt folgten und ihre Stories aus der Schublade holten. Das Bekanntwerden der Operation bewog die CIA, von weiteren Bergungsversuchen endgültig abzusehen.

Watergate(s)

Anderson hatte bereits seit Jahren Präsident Nixon durch seine Enthüllungen über Schmiergelder unter unter Druck gesetzt. Ein langjähriger Spender war Milliardär Howard Hughes gewesen, was insbesondere im Wahlkampf von 1960 für einen Skandal gesorgt hatte. Da immer wieder brisante Regierungsdokumente ihren Weg zu Journalisten wie Anderson fanden, hatte Nixon eine geheime Gruppe an Prätorianern aus dem Geheimdienstmillieu rekrutiert, die als "Klempner" (Plumbers) die Informationslecks abdichten sollten. Hierzu hatten die Plumbers sogar Mordanschläge auf Anderson durch Vergiften geplant.

Die Plumbers sollten außerdem herausfinden, was der politische Gegner über die diskreten Spenden von Hughes wusste. Das Verhältnis zwischen dem reichsten Amerikaner und "seinem" Präsidenten war abgekühlt, weil Hughes ungehalten über die Fortsetzung der oberirdischen Atomtests war, die sogar seine zeitweise Residenz in Las Vegas erschütterten. Ein weiteres Sicherheitsrisiko bot der schillernde Ex-Geheimdienstler und Hughes-Lobbyist Robert Maheu, der bei Hughes in Ungnade gefallen war, jedoch gute Kontakte zu demokratischen Spitzenpolitikern unterhielt, die er als Lobbyisten für Hughes gewonnen hatte. Da seit etlichen Jahren niemand Hughes gesehen hatte, wusste Nixon so gut wie nichts über seinen exzentrischen Finanzier, der ihm Weisungen zur Atomwaffe erteilen wollte - aber auch einen Teil der zugehörigen Raketen lieferte. Die Steuerbehörde etwa war sogar davon ausgegangen, Hughes sei seit 1970 tot und nur noch eine Inszenierung seiner Manager.

Die Plumbers brachen mit allerhand Abhörgerät mehrfach in Wahlkampfbüros der Demokraten ein, um diese zu verwanzen. Im Büro des demokratischen Chefstrategen Larry O'Brien, der ebenfalls auf der Payroll von Hughes stand und mit Maheu befreundet war, wurde das Team im Juni 1972 in flagranti erwischt. Es dauerte noch zwei Jahre, bis die Verbindung des Einbruchs zu Nixon nicht mehr abzustreiten war. Am 8. August 1974, zwei Tage bevor die Reste der K-129 das Watergate der Glomar Explorer erreichten, war Nixon wegen des Einbruchs im Watergate-Gebäude zurückgetreten. Als Anderson 1975 seine Story über das CIA-Schiff brachte, war sein größter Feind längst Geschichte.

Die einstige Glomar II fährt heute als "GSF Explorer" für Ölbohrungen über die Meere. Zwischenzeitlich war sie tatsächlich zur Ernte von Manganknollen eingesetzt und dann über 20 Jahre hinweg stillgelegt worden, bis man das Schiff 1996 für Ölbohrungen reaktivierte. Der sich ebenfalls noch im Einsatz befindliche schwimmende Transport-Hangar für die Kralle beherbergte später das erste Stealth Schiff der Navy. Der Verbleib der geborgenen Fracht ist noch heute geheim.

Voraussichtlich im Oktober erscheint das Buch "Project Azorian. The CIA and the Raising of the K-129", in dem die Autoren Norman Polmar und Michael White weitere Geheimnisse an die Oberfläche holen.