Jemen: Kampf um Mindestalter bei Heirat für Mädchen

Ein 13-jähriges Mädchen starb an den Folgen einer Vergewaltigung durch ihren "Ehemann", Geistliche und Politiker wehren ein Mindestalter als westlich und unislamisch ab

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Am 2. April verblutete ein dreizehnjähriges Mädchen, das kurz zuvor mit einem 23-jährigen Mann verheiratet worden war. Der Ehemann brachte Elham Assi, so die neueste Version, zu einer Klinik, um ihr Hymen für den Geschlechtsakt entfernen zu lassen. Nachdem die Ärzte sich weigerten, hatte er sie festgebunden und dann mit dem Finger vergewaltigt. Das Mädchen starb an den vaginalen Verletzungen, nachdem der Mann sie, noch blutend, erst einmal zu einem Scheich gebracht hatte, der sie durch Rezitation von Koranversen von ihrer vermeintlichen Verhexung heilen sollte.

Ein Viertel aller Frauen, die im Jemen aufgrund von Deals zwischen den Familien verheiratet werden, sind jünger als 15 Jahre, in manchen Stammesgebieten soll dies sogar füpr die Hälfte der Mädchen zutreffen. Im Jemen sind Mädchen, die in die Pubertät gekommen sind, heiratsfähig und werden dementsprechend oft verkuppelt. Aber es werden auch bereits Mädchen im Alter von 8 Jahren verheiratet. Und weil sie als heiratsfähig gelten, ist nach Eintritt der Pubertät auch Sex mit ihnen legal (Im Vatikan wäre Sex mit Kindern ab 12 Jahren erlaubt). Allerdings wurde das Mindestalter erst 1999 abgeschafft, davor lag es im Norden bei 16 Jahren und im Süden bei 15 Jahren.

Auch in dem Fall von Elham Assi schlossen die Familien der Brautleute ein wechselseitiges Geschäft über den Kopf und dann auch über das Leben des Mädchens hinweg. Der Ehemann forderte mit Gewalt sein "Recht" auf Sex mit dem Mädchen ein, das sich dem verweigerte. Jetzt verlangt die Familie des Mädchens, obgleich sie die Heirat erzwang, scheinheilig den Tod des Vergewaltigers. Zudem soll die eigene Mutter dem Mädchen geraten haben, mit ihrem Mann Sex zu haben, um nicht Schande über die Familie zu bringen. Man hat ja schließlich ein Geschäft geschlossen.

Zwar gibt es aufgrund des Drucks von westlichen Staaten einen Gesetzesvorschlag, dass das Heiratsalter auf 17 Jahre heraufgesetzt werden soll, doch scheint dieser nicht genügend Unterstützung zu erfahren. Im Gegenteil, Islamisten sehen in der Heraufsetzung des Mindestalters und damit im Verbot der Kinderheirat nur eine Durchsetzung westlicher Vorstellungen und eine Niederlage des Islam. In diesem Monat steht die Entscheidung eines Unterausschusses des Parlaments an, der darüber befinden soll, ob die Heraufsetzung des Mindestalters mit der Scharia vereinbar ist, nachdem Abgeordnete das Gesetz als unislamisch abgelehnt haben. Man geht davon aus, dass zwar das Heiratsalter herausgesetzt, das Gesetz aber nicht durchgesetzt wird, weil der Widerstand unter den konservativen Muslimen zu groß ist.

Auch Frauen wie diese vor dem Parlament Jemens protestieren gegen das Gesetz, das ein Mindestalter von 17 Jahren verankern will. Foto: Annasofie Flamand/IRIN

Sheik Mohammed Hamzi, ein Imam und Politiker der Oppositionspartei al-Islaah, hat etwa dazu aufgerufen, das Gesetz zurückzuweisen, weil das eine Einmischung des Westens in jemenitische Angelegenheiten bedeute. Seine Begründung ist verwinkelt. Hamzi verweist für seine Begründung auch auf den Propheten Mohammed, dessen zweite Frau Aisha bei der Heirat neun Jahre alt gewesen sein soll. Zudem ist Sex außerhalb der Ehe nicht erlaubt: "Wir verstehen, dass junge Menschen sexuell aktiv sind, aber im Unterschied zum Westen können sie hier heiraten und müssen sich nicht amoralisch verhalten." Zwar müsse ein Mädchen für eine Heirat reif genug sein und dieser zustimmen, ein Mindestheiratsalter würde aber die Freiheit einschränken, beispielsweise wenn ein 13- oder 14-Jähriger Sex haben will. Nun könnten 23-Jährige ja auch Sex miteinander haben, der Imam denkt aber wohl an ältere Männer, die mit Kindern Sex haben wollen und durch ein Schutzalter kriminalisiert würden. Herhalten muss dann die Kultur, die im Jemen halt anders sei. Das wird freilich die Mädchen nicht überzeugen, die zur Heirat und zum Sex gezwungen werden.

Der angeblich einflussreichste Geistliche im Jemen, Sheikh Adbul-Majid al-Zindani, der auch Bin Laden gekannt haben soll, rief Ende April an der Imam-Universität in Sana'a zum Widerstand gegen das Gesetz auf, das "Kultur und Gesellschaft bedroht und Unmoral verbreitet". Die anwesenden Studenten und Geistlichen forderte er auf, eine Millionen Unterschriften gegen das Gesetz zu sammeln, nachdem dessen Befürworter für eine Petition eine Million Unterzeichner zusammen gerbacht haben. Man würde auch eine Millionen Demonstranten organisieren können, wenn dies notwendig werden sollte. Al-Zindani hatte schon im März ein Dekret erlassen, das diejenigen, die das Gesetz für ein Mindestalter unterstützen, zu Apostaten erklärt. Und im Januar hatte er, nachdem die Regierung stärker gegen al-Qaida vorgegangen ist, zusammen mit 150 anderen Geistlichen eine Warnung an die westlichen Regierungen verfasst, sich nicht in die inneren Angelegenheiten des Landes einzumischen.

Islamisten setzen auf Nationalismus, um ihre Position zu stärken. Alles, was angeblich westlich und unislamisch ist, muss so verteidigt werden, bis hin zum Sex mit Minderjährigen, der durch Kinderheirat als "legal" gilt. Wer im Jemen für das Mindestalter eintritt, gilt als Agent des Westens, obgleich die Abschaffung des Mindestalters erst vor 11 Jahren erfolgt ist und sogar das erzkonservative Nachbarland ein Mindestalter eingeführt hat. Islam und Scharia können also für die Ablehnung des Gesetzes keine Rolle spielen.

Menschenrechts- und Frauengruppen wurden so von Hamzi als vom Westen gesteuerte und finanzierte Organisationen bezeichnet. Nach einem Bericht von Foreign Policy scheint die Strategie zu greifen. Zwar seien die meisten Jemeniten gegen die Kinderheirat, aber sie treten für kulturelle Unabhängigkeit und ihre angeblichen islamischen Werte ein, die von reaktionären Geistlichen gerne erweitert werden, um Glauben und Nationalismus zu vermischen und ihre Macht zu sichern ("Der Sheik ist die höchste Autorität eines Stammes und ist immer ein Mann").

Dazu kommt die übliche Abwertung von Frauen. Hamzi macht sich über die Frauenorganisation Sisters Arab Forum for Human Rights (SAF) lustig, die den Fall von Elham Hassi an die Öffentlichkeit gebracht hatte: "Niemand will diese Frauenrechtlerinnen heiraten", sagte er. "Sie sind nur deprimiert, weil sie nicht verheiratet sind, und daher eifersüchtig."