Das Überleben der lebenden Toten

Alle Bilder: Magnolia Pictures.

George A. Romeros "Survival of the Dead" verwandelt sich selbst in einen untoten Film

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Der Zombiefilm-Erfinder George A. Romero ist wahrlich nicht der erste Künstler, der von seinen Epigonen eingeholt und überholt wurde. Gerade im Horrorfilm, der per se über ein begrenztes Motivinventar verfügt, scheint es unabwendbar, dass selbst die originellste Idee einmal verbraucht ist. Da hilft nur postmoderne Uneigentlichkeit oder ein dickes Fell. Romero hat sich für zweiteres entschieden und vielleicht wird sein Zombiefilm "Survival of the Dead" deshalb Opfer seiner eigenen Struktur.

Nach dem Film-Fiasko „Bruiser“ im Jahre 2000 hat sich Romero auf seine erfolgreichste Idee zurück besonnen: den modernen Untoten-Film. Zunächst schloss er mit "Land of the Dead" die Quadrologie von „Night of the Living Dead“ (1968), „Dawn of the Dead“ (1978) und „Day of the Dead“ (1985) ab und begann 2007 dann die Zombifizierung der Welt noch einmal von vorn zu erzählen: "Diary of the Dead" bestach dabei vor allem durch seine guten erzählerischen Ideen, die – geschuldet einem niedrigeren Budget als die vorherigen Werke – aus der filmtechnischen Not (namens Digital-Video) eine Tugend machten und den Zombiefilm nun in Form eines Videotagebuches präsentierten.

In „Survival of the Dead“ hält Romero nicht nur nicht mehr die ästhetisch-ironische Kommentierung der YouTube-Generation und ihrer Authentisierungsbemühungen aufrecht – es mangelt ihm insgesamt an neuen Ideen für seinen Film. Vieles von dem, was uns „Survival of the Dead“ zeigt, ist vielfach vorher zu sehen gewesen – entweder in Romeros eigenen Filmen oder denen seiner Epigonen. Vielleicht war seine Hoffnung, dass, wenn er die erzählte Zeit zurück dreht, sich auch die Zombiefilm-Geschichte auf Anfang setzen würde. Die Handlung ist nämlich eine Woche nach dem Ausbruch der Seuche und damit direkt an die von „Diary of the Dead“ angesiedelt.

Das Überleben der lebenden Toten

Setting ist eine kleine Insel vor der Küste der USA, auf die sich eine Söldner-Truppe zurückziehen möchte. Denn dort soll es keine Untoten geben, verspricht ihnen eine Videobotschaft. Dass es auf dieser Insel durchaus ein paar lebende Tote und noch gefährlichere lebende Lebende gibt, verschweigt der Clip: Zwei Gruppen versuchen dort nämlich ihre jeweilige Philosophie im Umgang mit den Zombies durchzusetzen.

Auf der einen Seite die O'Flynns, die die Zombies auf klassische Weise durch Zerstörung des Gehirns loswerden wollen; auf der anderen Seite die Muldoons, die abwarten möchten, ob nicht doch noch ein Heilmittel entdeckt wird, und die die Untoten bis dahin zu resozialisieren versuchen, indem sie sie an ihre alten Lebensumstände zurück zu erinnern versuchen.

Als sich der Konflikt zwischen den beiden Gruppen zuzuspitzen droht, wird Patrick, der Anführer der O'Flynns, kurzerhand von der Insel verbannt. Sogar seine eigene Tochter hat sich zuletzt den Muldoons angeschlossen, nicht zuletzt, weil sie auf Schonung einer nahen (untoten) Verwandten hofft. Auf dem Festland angekommen wird Patrick O'Flynn schließlich von den Soldaten aufgeschnappt, die bereits eine recht verlustreiche Reise hinter sich haben. Er verspricht ihnen, sie zur Insel zu bringen; dort erhofft er sich von ihrer Firepower insgeheim Verstärkung gegen seinen Widersacher.

Survival of the deadest

Und wieder einmal nutzt Romero die Zombie-Thematik als Hintergrund für eine etwas platte Sozialkritik. Es gehört zum Zombiefilm dazu, dass die Lebenden stets als die schlimmere Bedrohung dargestellt werden; die Zombies erscheinen lediglich als Manifestation der gesellschaftlichen Selbstzerstörungskräfte, was ihre Bedrohlichkeit nur noch steigert.

Das ist bereits seit Romeros Erstling klar und müsste deshalb eigentlich nicht wiederholt werden. Diesen Konflikt dann auch noch zwischen Militär und Zivilisten austragen zu lassen, wobei die Zivilisten reichlich, die Soldaten hingegen kaum noch militärisch funktionieren, ist ebenfalls nicht neu: Schon in „Day of the Dead“ war es exakt darum gegangen, und dieser Film endete sogar auf einer einsamen Insel in der scheinbaren Rettung.

Eine Insel sollte auch am Ende von „Land of the Dead“ erreicht werden – doch die Zombies waren schon da. Da sie sich, wie man seit Fulcis „Zombi 2“ weiß und auch in „Survival of the Dead“ noch einmal vorgeführt bekommt, als Nicht-Atmer natürlich auch unter Wasser bewegen können, gibt es kein Entrinnen vor ihnen. Man hat sich ihnen zu stellen!

Domestizieren lassen sie sich auch nur schwer (ebenfalls in „Day of the Dead“ durchexerziert) und richten dann allenfalls ihre wieder gewonnen Kompetenzen gegen die Lebenden ein. Kurzum: Die Zombies haben einen evolutionären Vorteil und verdrängen die Menschen. Ihre Unaufhaltsamkeit - für Hans D. Baumann sind sie deshalb „eher das Analogon einer Naturgewalt“ - zeichnet sie geradezu aus. Das meiste davon ignoriert Romero, denn er versucht das Subgenre des Zombiefilms ja nicht etwa zu ergänzen, sondern er plant seinen Relaunch.

Ewige Wiederkehr der immer Gleichen

„Survival of the Dead“ ist laut Verleiher „der zweite Film einer neuen Saga“, was wohl bedeutet, dass noch mindestens ein weiterer Zombiefilm von Romero folgen soll. Leider hatte „Diary of the Dead“ hierzulande keinen Kinostart – das jüngste Elaborat hat allerdings mit dem ansonsten nicht zuletzt für Horror-DVDs bekannt gewordenen Splendid-Film-Label einen Verleiher gefunden und war erstmals im März auf den Fantasy Filmfest Nights zu sehen, bevor er jetzt in den Kinos anläuft.

Es scheint also, als könne der Zombiefilm vorerst keine Ruhe finden, als würde er selbst in Form einer performativen Verdopplung seiner Erzählung als Wiederkehr des Immergleichen die Filmgeschichte nicht verlassen können. Mit der Wiederbelebung altbekannter Motive und Erzählmuster ist darin tatsächlich eine Analogie zu den Untoten zu finden.

Vielleicht wiederholt Romero an sich selbst aber auch das Muldoon'sche Resozialisierungsprogramm aus „Diary of the Dead“: Im Film wird beispielsweise ein Postboten-Zombie an einen Briefkasten gekettet, in den er immer und immer wieder den selben Brief steckt und wieder herausholt. Man braucht sich jetzt nur vorzustellen, es gäbe auch einen zombiefizierten Horrorfilm-Regisseur auf der Insel ...

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