Internet-Sperrengesetz nicht praktikabel

Ab Juni will man in Frankreich Mahnbriefe an Filesharer verschicken, indessen zeigt sich das Gesetz in vielen Punkten nicht auf der Höhe der Zeit

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Vieles ist kompliziert am Hadopi-Gesetzeswerk, das Filesharern mit Pädagogik beikommen will und dazu auf die Wirkung drastischer Strafen hofft. Kein Wunder, dass hier Feindbilder entstehen und dass es sich jede Seite ab und an sehr einfach macht. Wie zum Beispiel ein Kommentar zur gestrigen Hadopi-Pressekonferenz, der nach dem Motto „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ von Fotos der Anwesenden an ein „deprimierendes Seniorenclubtreffen“ erinnert wird. Die Bilder ließen ihn daran denken, wie „unnütz und überholt“ das ganze Gesetz sei. Ähnliche Gedanken kommen allerdings auch aus der Mitte der Regierungspartei selbst: Die technische Umsetzung von Hadopi steht vor größeren Problemen, heißt es aus den Reihen der UMP.

Mitte Juni sollen die ersten Mahnbriefe an Urheberrechtsverletzer verschickt werden, von Hadopi. Das wird als faktische News aus der gestrigen Pressekonferenz berichtet; der Rest ist bestes französisches Wortgefieder, das dem Hungernden einen abgekauten Hühnerkochen als Fasan verkauft: "Nous ne sommes plus dans l’intention mais au stade de la mise en œuvre, pour rentrer demain dans l’application" .

Man wollte der Öffentlichkeit erklären, dass man auf dem besten Wege sei, künftig mit der Anwendung des Gesetzes anzufangen. 15 von künftig 50 bis 60 Mitarbeitern hätten in den Büros der 1000 Quadratmeter großen neuen Behörde schon mit ihrer Arbeit angefangen. 40 Prozent der Belegschaft würden sich später mit den Mahnbriefen befassen. Anscheinend gibt es dazu aber noch eine ganze Reihe von Problemen, die erst noch geregelt werden müssen, wie allein schon die Liste der Dekrete ziegt, die es noch braucht, bis die anvisierten Strafmaßnahmen tatsächlich fest auf juristischem Boden stehen.

Wie diese Probleme konkret aussehen, führt die UMP-Abgeordnete Laure de la Raudière, ehemals in der Führung von France Telekom, an anderer Stelle aus: Durch Tools wie Seedfuck sei die Verlässlichkeit der Identität von IP-Adresse und tatsächlichem Nutzer noch einmal deutlich verringert worden. Sehr viel größer dafür der Aufwand, die Urheberrechtsverletzung auf P2P-Sites einem bestimmten Nutzer zuzuordnen.

Zwei Fälle in der jüngsten Vergangenheit illustrieren die Kalamität, die durch die Verbreitung falscher IP-Adressen entsteht. In den beiden Fällen hatte die IP-Adresse nicht genügt, um den Verursacher der Urheberrechtsverletzung korrekt zu ermitteln. In dieser Sache seien weitere „Konkretisierungen“ nötig, heißt es jetzt. Für die User solcher Seiten sei es dagegen dank dieser Unsicherheiten die Verteidigung leichter, argumentieren Unterstützer von Filesharern.

Der Richter wird entscheiden, sagt dagegen die UMP-Abgeordnete. Das dürfte die Filesharer wiederum beunruhigen. Laure de la Raudière bringt dafür ein Problem auf den Tisch, über das zuvor wenig gesprochen wurde. Technische Schwierigkeiten, die mit der Sperrung des Internets verbunden sind, wenn gleichzeitig die „elektronische Kommunikation“ aufrechterhalten bleiben soll. Dies scheint der Ex-Managerin von France Telekom sehr kompliziert: „Es wird Orte geben in Frankreich, wo das nicht geht.“ Provider, die das Magazin Nouvel Observateur zitiert, äußern Ähnliches: Das Vorgehen sei machbar, aber „sehr komplex“. Geht es etwa darum, das Internet zu sperren und gleichzeitig den funktionsfähigen Telefonanschluss zu behalten? Oder geht es um Schwierigeres, dass man trotz gesperrtem Internetzugang weiterhin E-Mails empfangen kann, was mit Grundrechten in Verbindung gebracht wird?

Das wirft letztlich die Frage auf, ob das umständliche Vorgehen behördlicherseits noch zeitgemäß ist angesichts von Mobilfunkgeräten, mit denen man telefonieren und mailen kann – und ins Netz gehen. In ähnliche Richtung weist auch Ungeklärtes im Zusammenhang mit der „Sicherungssoftware“, die sicherstellen soll, dass nur der angemeldte Besitzer der Verantwortliche ist, den man vor Gericht stellen kann. Bei Fehlen einer solchen Software hat sich der IP-Besitzer gegenüber dem Vorwurf der Fahrlässigkeit („Negligence“) zu verantworten.

Das Hadopi-Gesetz ist ganz klar ein Fehler, so der UMP-Abgeordnete Zumkeller. „Es bringt den Künstlern keine Lösung und es bleibt völlig offen, ob es irgendwann Früchte zeigt.“