Von Informationsfreiheit noch weit entfernt

Behörden und Ministerien blocken noch gerne Anfragen nach dem Gesetz für Informationsfreiheit ab

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Der zweite Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) zur Informationsfreiheit für 2008/2009 zeigt, wie weit Deutschland noch entfernt ist von Transparenz und Informationsfreiheit.

Bei der Vorlage seines Berichts hob Peter Schaar allerdings auch hervor, dass sich einige Bundesbehörden um Transparenz bemühen und das Informationsfreiheitsgesetz geradezu vorbildlich anwenden. In insgesamt 248 Fällen wandten sich Bürgerinnen und Bürger schriftlich an seine Behörde. Thematisch sei dabei eine deutliche Verschiebung von allgemeinen Anfragen hin zu konkreten Beschwerden zu verzeichnen. In etwa einem Drittel der in den vergangenen beiden Jahren abschließend bearbeiteten Eingaben habe der BfDI die Geheimhaltung der begehrten Informationen als gesetzeskonform beurteilt. In knapp 40% der Fälle konnte er erreichen, dass die Behörden ihren ursprünglich ablehnenden Standpunkt revidierten und doch noch ganz oder zumindest teilweise Einblick in die gewünschten Unterlagen gewährten.

Viele Widerstände gegen die freie Information

Peter Schaar kritisierte "dass sich der Informationsfreiheitsgedanke noch nicht überall durchgesetzt" habe. Es bedürfe offenbar noch erheblicher Anstrengung auf dem Weg zu einer transparenten Bundesverwaltung.

Schaar verweist in diesem Zusammenhang auf den unzureichenden Bekanntheitsgrad des Informationsfreiheitsgesetzes. Die Bürger würden oft nur unzureichend über ihr Recht auf Behördeninformationen hingewiesen. Schaar zufolge drängt sich manchmal der Eindruck auf, manche Behörden würden alles versuchen, die Bürger von ihrem Recht auf Information fernzuhalten.

Ein Beispiel für eine solche rigide Haltung ist die Stadt Bonn, die jegliche Information über den Skandalbau "World Conference Center" bisher vorenthält (Hauptsache Karneval). Die Stadt Bonn beantwortet nicht einmal die Frage, wie viele Rechtsanwälte mittlerweile im Zusammenhang mit dem WCCB-Skandal für die Stadt tätig sind. Auch unter Bezugnahme auf das Informationsfreiheitsgesetz gibt es keine Auskünfte zum Gesamtkomplex WCCB. Vertraulich bleibt auch, ob es zutrifft, dass die von der Stadtverwaltung angeheuerten Berater von Pricewaterhouse Coopers (PwC) tatsächlich 500 Euro pro Stunde kassieren..."

Mittlerweile wird gegen die frühere Bonner Oberbürgermeisterin und mehrere kommunale Spitzenbeamte wegen des Verdachts der "Untreue in einem besonders schweren Fall" ermittelt. Ein Bericht des Städtischen Rechnungsprüfungsamtes über die höchst merkwürdigen Vorgänge in der Stadtverwaltung wurde den Stadtverordneten als personifiziertes Exemplar übergeben. Jede der über 400 Seiten sind mit dem jeweiligen Namen des Stadtverordneten als eine Art Wasserzeichen so gekennzeichnet, dass jede davon angefertigte Kopie sofort dem Urheber zuzuordnen wäre. Andererseits erhielten die Tatverdächtigen innerhalb der Verwaltung den Bericht hingegen "zur Stellungnahme".

Mit ihrer bürgerfeindlichen Handhabung des IFG steht die Klüngelstadt Bonn nicht alleine. Viele Verwaltungen auf kommunaler, Landes und Bundesebene versuchen durch eine restriktive Handhabung des Gesetzes, mit hohen Gebühren und übertrieben lange Bearbeitungszeit die interessierten Bürger zu entmutigen, ihren Informationsanspruch geltend machen.

Bundesministerien mauern besonders oft

Auch einige Bundesministerien zeigen sich überwiegend hartleibig. Gerne werden Unterlagen zu Gesetzgebungsverfahren in Ministerien mit dem Hinweis auf "Regierungstätigkeit" verweigert. Dabei können sich die Ministerialbeamten auf eine entsprechende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Berlin berufen.

Das Gericht sieht einen Informationsanspruch nach dem IFG nur, soweit öffentlich- rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrgenommen werden, nicht aber für sogenannte. Regierungstätigkeit. Tätigkeiten im Sinne politischer Staatslenkung, die sich nicht unmittelbar an den Staatsbürger wenden, seien nicht der öffentlichen Verwaltung zuzurechnen und unterlägen der parlamentarischen Kontrolle, so dass keine Notwendigkeit bestehe, sie dem Anwendungsbereich des IFG zu unterwerfen (vgl. Urteil vom 10. Oktober 2007 – VG 2 A 101.06– und vom 16. Januar 2008 – VG 2 A 68.06 –)

Zur Regierungstätigkeit in diesem Sinne zählt das VG Berlin auch die Vorbereitung und Begleitung von Gesetzentwürfen in den Ministerien, auch wenn diese Verfahren längst abgeschlossen sind. Diese Auffassung des Gerichts wurde von der Ministerialverwaltung als Steilvorlage dankbar aufgegriffen. Behörden berufen sich bei der Informationsverweigerung auch gerne auf das vermeintliche Vorliegen von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen gemäß § 6 Satz 2 IFG.

Zu diesem Thema habe das Bundesverwaltungsgericht mit erfreulicher Deutlichkeit klargestellt, "dass nur solche unternehmensbezogenen Angaben geschützt sind, deren Offenlegung die Wettbewerbsposition des betroffenen Unternehmens nachteilig beeinflussen kann". Ein weiteres großes Streitthema ist Schaar zufolge der Zugang zu Unterlagen von Vergabeverfahren. Doch besonders in diesem korruptionsanfälligen Bereich staatlichen Handelns bedarf es einer möglichst großen Transparenz. Probleme bereitet auch der Ausnahmetatbestand des § 3 Nr. 6 IFG zum Schutz fiskalischer Interessen des Bundes im Wirtschaftsverkehr. Mit sehr allgemein gehaltenen Überlegungen werden häufig Informationsanträge abgelehnt, wenn Auskunft zum Geschäftsgebaren staatlicher Stellen verlangt wird. Dies geschieht dem Bericht zufolge selbst dann, wenn es um längst abgeschlossene Geschäfte geht. Eine Geheimhaltung sei jedoch nur dann berechtigt, wenn die Behörde konkret darlegen könne, dass das Bekanntwerden der Information geeignet wäre, ihre fiskalischen Interessen im Wirtschaftsverkehr zu beeinträchtigen.

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit sieht besonders in der Finanzverwaltung größer werdende Widerstände gegen die Informationsfreiheit. Das ist nicht weiter erstaunlich, herrscht doch in weiten Teilen der Finanzverwaltung eine vordemokratische Grundeinstellung. Aber auch das Kanzleramt und die ihm nachgeordneten Behörden, wie etwa der Bundesnachrichtendienst, mauern gerne, selbst bei bereits historischen Themen und Fragestellungen (For Your Eyes Only - im Geheimdienst ihrer Kanzlerin).

Evaluierung des IFG gefordert

Schaar hält nach vier Jahren eine Evaluierung des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) für dringend geboten, um den freien Informationszugang unter Einbeziehung der bisherigen Erfahrungen zu optimieren. Sowohl Änderungen in der behördlichen Praxis als auch eine Begrenzung der gesetzlichen Ausnahmetatbestände seien erforderlich. Unbefriedigend sei auch das Nebeneinander verschiedener Normen für die Informationsansprüche. So finden sich Informationszugangsregelungen im IFG, im Umweltinformationsgesetz und im Verbraucherinformationsgesetz.

Im Bundestag forderten Linke und Grüne die Bundesregierung auf, dafür sorgen, dass die Geheimniskrämerei in den Behörden und Ministerien ein Ende findet. Es habe sich wieder einmal gezeigt, dass viele Behörden nach wie vor lieber mauern als informieren. Das alte Verwaltungsdenken, nichts nach außen dringen zu lassen, habe sich aus vielen Amtsstuben noch nicht verabschiedet, erklärte der innenpolitische Sprecher der Grünen, Dr. Konstantin von Notz. Jan Korte, innenpolitischer Sprecher Die Linken ergänzte: "Während der Staat über die Bürgerinnen und Bürger immer mehr wissen will und unablässig riesige Datensammlungen anlegt, will er umgekehrt am liebsten keinen Einblick in sein Handeln gewähren." Informationsfreiheit werde nach wie vor eher als Bedrohung und nicht als selbstverständliches Recht der Bürger empfunden.