Gipfel endet mit Absichtserklärungen

Die Reform der Bologna-Reform wird weiter auf sich warten lassen

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Wenn die heutige Studentengeneration eines Tages auf sich zurückblickt, wird ihr Fazit vermutlich nüchterner ausfallen als die phänomenale Bilanz jener 68er, die aus längst gesicherten gesellschaftlichen Positionen am eigenen Denkmal herumbasteln und sich selbst für allerhand historische Errungenschaften verantwortlich machen. Eine Revolution mit Pensionsansprüchen werden die Bildungsstreikenden dieser Tage nicht hinbekommen. Außergewöhnliches haben sie trotzdem erreicht, denn der Versuch, die Sollbruchstellen des maroden Bildungssystems exakt zu markieren, wird für die Konzeption passgenauer Sanierungsmaßnahmen, wenn sie denn jemals in Angriff genommen werden, ebenso bedeutsam sein wie die Steuerung der Aufmerksamkeitsökonomie auf ein zentrales Defizit der deutschen Politik.

Beides ist den streikenden, aber auch diskutierenden Nachwuchsakademikern in den vergangenen Jahren mit Beharrlichkeit und viel Kreativität gelungen. Die Bundesministerin für Bildung und Forschung, die den Protest anfänglich für "gestrig" hielt (Der Bologna-Prozess - eine "planwirtschaftliche Chimäre"?), konnte sich der Diskussion ebenso wenig entziehen wie ihre Ressortkollegen aus den Bundesländern, und so darf allein die Ausrichtung einer "Nationalen Bologna-Konferenz", die am Montag im Berliner dbb Forum stattfand und per Livestream im Internet übertragen wurde, als Erfolg gewertet werden.

Ob auf diese Weise zukunftsfähige Konzepte auf den Weg gebracht werden können, steht allerdings auf einem ganz anderen Blatt. Denn die Mandatsträger schafften es nicht nur, die Debatte über die Reformbedürftigkeit des Bologna-Prozesses aus der Streikwelle des vergangenen Wintersemesters herauszuhalten und erneut um mehrere Monate zu verzögern.

Die Konferenz, die vor allem über die Studierbarkeit der Reformstudiengänge, Mobilitätsfragen und die Akzeptanz auf dem Arbeitsmarkt diskutierte, endete nach vier Stunden mit einem gemeinsamen Imbiss und diversen Absichtserklärungen, die bereits bei vergleichbaren Veranstaltungen veröffentlicht wurden. Die wichtigste: Im Mai 2011 gibt es schon die nächste Bologna-Konferenz! Für die Verbesserung der Lehre an den Hochschulen will der Bund in den nächsten zehn Jahren zwei Milliarden Euro zur Verfügung stellen – Experten beziffern den tatsächlichen Bedarf allein in diesem Bereich auf mindestens eine Milliarde pro Jahr.

Der Tenor der Bologna-Befürworter blieb auch in Berlin stets der gleiche: Die Reform an sich ist nicht das Problem, bei der Umsetzung und Kommunikation kann aber gegebenenfalls noch nachgearbeitet werden. Zu guter Letzt hatten die Teilnehmer die Möglichkeit, sich mit Hochschulen zu beschäftigen, die unter dem Titel "Gelungene Beispiele für die Umsetzung der Bologna-Reform" vorgezeigt wurden. 23 handverlesenen Bildungstempeln widmete die Hochschulrektorenkonferenz, deren Präsidentin Margret Wintermantel sich immer wieder unberufen zur Sprecherin der studentischen Protestbewegung machte (Bologna auf dem Markt der Meinungsmöglichkeiten), eine aufmunternde, 84 Seiten starke Broschüre. Hier sind motivierende Beiträge vom Format: "'So eine Chance für die Hochschulen kommt nicht wieder' - Lehr-Experte Wilfried Müller im Gespräch über die Umsetzung der Bologna-Reform – und darüber, warum er selbst gerne im Bachelor studieren würde" nachzulesen.

Der grüne Sprecher für Hochschulpolitik Kai Gehring veröffentlichte sein Statement bereits 20 Minuten vor Ende der Konferenz, bemängelte das "folgenlose Tagungstheater" und forderte "einen Rettungsschirm für Hochschulen".

Ein fester Fahrplan mit klaren Zwischenzielen für Bologna-Korrekturen ist mehr als überfällig. Dieser muss unter anderem die neuen Studiengänge entfrachten und überarbeiten, einen echten "Qualitätspakt Lehre" als dritte Säule im Hochschulpakt verankern, bundeseinheitliche Zugänge zum Studium garantieren und den Studienplatzmangel beheben. Schavan darf die Studienreform nicht allein den Ländern oder Hochschulen überlassen, sondern muss ihrer Verantwortung als Bundesbildungsministerin gerecht werden und die Studierenden tatsächlich mitbestimmen lassen. Verbindliche kontinuierliche studentische Partizipation ist unerlässlich, da Studierende Experten in eigener Sache sind.

Kai Gehring

Mit seiner Kritik steht er nicht allein.