Zahlen sollen die Anderen!

Vertreter der Finanzindustrie und unabhängige Experten diskutieren vor dem Finanzausschuss über Bankenabgabe und Finanztransaktionssteuer

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Wer zahlt für die Finanzkrise? Vor dem Finanzausschuss sind sich Vertreter von Banken, Versicherungen und Investmentmanager vor allem in einem einig: möglichst nicht sie selbst. NGOs und Gewerkschaften hingegen machen sich für eine Finanztransaktionssteuer stark – die jedoch ist trotz einstmaliger Zustimmung der Kanzlerin nicht in den Eckpunkten der Bundesregierung enthalten. Mittlerweile lehnt Merkel die Finanztransaktionssteuer ab.

In einem Eckpunktepapier skizziert die Bundesregierung, wie sie sich künftig die Finanzmarktregulierung vorstellt. Dazu zählen neben neuen Befugnissen der Aufsichtsbehörden für "Eingriffe im Vorfeld einer Insolvenz" ein "Reorganisationsverfahren für systemrelevante Banken", welches an das Insolvenzrecht angelehnt werden soll, sowie eine "risikoadjustierte Bankabgabe", die in einen neu zu errichtenden Stabilitätsfonds eingezahlt werden soll.

Die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA) soll den Fonds, der als Sondervermögen des Bundes eingerichtet wird, verwalten und gleichzeitig mit der Durchführung von Restrukturierungsmaßnahmen betraut werden. Zudem fordert die Bundesregierung die Verlängerung der Organhaftung bei Aktiengesellschaften von bisher fünf auf zehn Jahre.

Unbedingt verhindern will man jedoch offenbar, die Finanzindustrie zu stark in die Pflicht zu nehmen: Die Stärkung des Finanzstandortes Deutschland bleibt, wie auch schon vor der Finanzkrise, weiterhin das Ziel der Politik, wie der Schlusssatz des Dokumentes verrät.

Umstrittene Bankenabgabe

Und so zeigt sich die Finanzindustrie auch prinzipiell zufrieden mit den von der Bundesregierung vorgestellten Ideen. In ihren Stellungnahmen sprechen sich die Institute somit auch nicht gegen eine Bankenabgabe aus - wer die Kosten dafür übernehmen soll, ist jedoch umstritten.

Während der Verband deutscher Pfandbriefbanken (VDP) sogar für eine Ausweitung der Abgabe auch auf jene Akteure eintritt, die bislang keinerlei Regulierung unterliegen, womit beispielsweise auch Hedgefonds erfasst werden würden, wehren sich die Genossenschaftsbanken und Sparkassen gegen die Abgabe. Zwar sei es notwendig zu überlegen, wie die Finanzwirtschaft an den Kosten der Krise beteiligt werden könnte, jedoch müsse auch identifiziert werden, welche Institute und Geschäftsphilosophien maßgeblich zur Krise beigetragen hätten, so der Deutsche Sparkassen- und Giroverband – Sparkassen und Genossenschaftsbanken hätten mit ihrer an der Realwirtschaft orientierten Geschäftspolitik jedenfalls stabilisierend auf die Märkte eingewirkt.

Ähnlich sieht dies auch der Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken. Dieser betont zudem, dass für die Genossenschaftsbanken bereits ein Institutssicherungssystem existiere, sodass eine allgemeine Bankenabgabe für die genossenschaftlichen Banken nur eine Doppelbelastung sei, die aber keinen zusätzlichen nutzen bringe. Der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft hingegen spricht sich für eine Bankenabgabe aus, betont allerdings, dass die Versicherer ausgenommen bleiben sollten, da sie die Krise nicht verursacht hätten und ein anderes Geschäftsmodell als bei den Banken zugrunde läge.

Sparkassen und Genossenschaftsbanken hatten sich noch in ihren schriftlichen Stellungnahmen eher verhalten bis ablehnend gegenüber der von der Opposition favorisierten Finanztransaktionssteuer geäußert, erklärten jedoch vor dem Ausschuss, diese einer Bankenabgabe vorzuziehen.

Deutsche Bank Research will Krisenkosten umverteilen

Dr. Bernhard Speyer von Deutsche Bank Research mahnt, dass Finanzkrisen möglichst ohne staatliche Mittel gelöst werden sollten, jedoch sei in "systemischen" Finanzkrisen das Eingreifen des Staates auch mit finanziellen Mitteln erforderlich. Zwar sei ein Beitrag der Finanzindustrie selbst zu den Krisenkosten politisch und ökonomisch geboten, in der aktuellen Situation aber schwer machbar – eine zu hohe Belastung der Institute könnte die Krise verschärfen, so Speyers Botschaft.

Von einer exklusiven Sonderbelastung für die Finanzindustrie will Speyer ebenfalls nichts wissen, da diese ökonomisch "schwierig zu rechtfertigen" sei: Die Maßnahmen zur Stabilisierung des Bankensystems kamen schließlich nicht nur Banken zugute, sondern dienten auch der Stabilisierung der Gesamtwirtschaft.

Vom Verursacherprinzip ist in der Stellungnahme von Deutsche Bank Research nichts zu lesen. Vielmehr schlägt man die Einrichtung eines europäischen Finanzsektorstabilisierungsfonds vor, der eine gerechte Lastenverteilung zwischen öffentlicher Hand und Finanzsektor ermöglichen solle, falls ein systemrelevantes Institut scheitert. Dieser sollte allerdings kein Instrument zur Rettung, sondern zur Abwicklung sein und "Ansteckungseffekte" verhindern. Die Abgabe, die die Institute zu leisten haben, soll laut Speyer angemessen und risikobasiert sein, zudem sollen Belastungen für ausgewählte Geschäftsmodelle und Finanzinstrumente vermieden werden.

Da mit den "angemessenen Abgaben" offenbar kein schneller Aufbau des Fonds möglich ist, fordert Speyer weiter einen Beitrag des Staates, der später zurückgefahren werden soll, sowie die Integration bestehender Sicherungssysteme – letztendlich scheint es das Ziel der Vorschläge zu sein, die Lasten der aktuellen und kommender Krisen auf möglichst viele Unbeteiligte umzuverteilen. Speyer selbst erklärte auf der Anhörung, dass es ihm von Anfang an bewusst sei, dass sich die Deutsche Bank Research mit diesen Vorschlägen nicht beliebt machen würde. Zur Eindämmung riskanter Spekulationen kamen weder von der Deutschen Bank noch von den restlichen Vertretern der Finanzindustrie nennenswerte Vorschläge.

Als Anreiz zum Moral Hazard lehnt das Tax Justice Network (TJN) die von der Bundesregierung geplante Bankenabgabe ab. In einer Stellungnahme befürchtet das international agierende Netzwerk, dass die Abgabe von den Banken als eine Art Versicherung angesehen würde. Dadurch würde der Anreiz zur Risikominimierung schrumpfen.

Das TJN spricht sich daher, wie unter anderem auch Attac, der DGB und der Verband Entwicklungspolitik Nichtregierungsorganisation für die auch von Grünen, SPD und Linken beantragte Einführung einer Finanztransaktionssteuer aus, da diese " in geradezu mustergültiger Weise Einnahme und Lenkungswirkung" verbindet, wie TJN erklärt. Das Netzwerk sieht in den teilweise extrem kurzen Anlagehorizonten der Investoren einen der wesentlichen Gründe für die Instabilität an den Märkten. Kurzfristige Spekulationen auf minimale Kursschwankungen mit hohem Fremdkapitaleinsatz seien krisenverschärfend gewesen.

In seinem eigenen Bereich hat dies auch Gerd Sonnleitner, der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, erkannt. Er macht spekulative Geschäfte mit Agrarprodukten für verstärkte Preisschwankungen an den internationalen Rohstoffmärkten verantwortlich. Diese treffen besonders Menschen in Entwicklungsländern hart, da sie zu steigenden Lebensmittelpreisen führen. Sonnleitner spricht sich für höhere Eigenkapitalanforderungen und eine Finanztransaktionssteuer für eben jene Rohstoffspekulation aus. Für den ganzen Finanzmarkt möchte sich der Präsident des Bauernverbandes nicht äußern, da ihm eine allgemeine Analyse der Lage auf den Finanzmärkten "nicht möglich" sei.

Finanztransaktionssteuer ist gut für die Realwirtschaft

Dean Baker, Kodirektor am Washingtoner Center for Economic and Policy Research, sieht sehr starke Argumente für die Finanztransaktionssteuer, wie sie die Opposition fordert. Der Makroökonom, der nur eine schriftliche Stellungnahme an den Ausschuss abgegeben hat, verspricht sich von ihr substanzielle Einnahmensteigerungen bei gleichzeitiger Verbesserung der Funktion der Finanzmärkte. Der Finanzmarkt sei derzeit größer als für eine funktionierende Wirtschaft nötig, die Steuer würde die Märkte verkleinern und zu mehr Effizienz führen. Die Transaktionssteuer senke die Rendite für Kurzzeitinvestments, die keinen produktiven Zweck erfüllen, so Baker.

Auch weed hält die Transaktionssteuer für sinnvoll, um gegen den spekulativen Hochfrequenzhandel vorzugehen. Dieser steht auch im Verdacht, den drastischen Kurssturz am US-amerikanischen Aktienmarkt ausgelöst zu haben..

Der BWL-Professor und Hedgefonds-Manager Max Otte sprach sich ebenfalls deutlich für eine Finanztransaktionssteuer aus. Die von der Bundesregierung derzeit befürwortete Bankenabgabe belohne die Zocker und gehe auf Kosten der Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die uns durch die Krise gebracht hätten. Die deutschen Sparkassen und Genossenschaftsbanken gehörten zu den besten Bankensystemen der Welt, so Otte.

Er räumte ein, dass es bezüglich der Finanztransaktionssteuer derzeit nicht viele empirische Erkenntnisse gebe, jedoch sei die Logik eindeutig – je stärker ein Produkt gehebelt sei, desto stärker wirke die Steuer. Auch wenn das Vermögen häufig gedreht, also in andere Anlagen umgeschichtet, wird, wirke die Steuer stärker. Diese Lenkungswirkung trage sogar zu einer besseren und effizienteren Preisfindung am Markt bei. Damit widersprach er Prof. Christoph Kaserer von der TU München, der aus eben diesem Grunde die Steuer abgelehnt hatte. Auch für Prof. Rudolf Hickel hingegen war diese Ablehnung "überhaupt nicht einsichtig". Die Preisbildungseffizienz werde eher durch Spekulation gestört. Hickel forderte, wie auch andere Experten, die Transaktionssteuer durch weitere Maßnahmen wie dem Verbot von Leerverkäufen und Spekulation mit Kreditausfallversicherungen zu ergänzen.

Doch für Dr. Werner Schnappauf, Hauptgeschäftsführer des BDI, ist die Finanztransaktionssteuer kein Mittel, um Spekulationen einzudämmen. Sie habe eine "fragwürdige Lenkungswirkung" und würde die "Realwirtschaft empfindlich treffen", da sie auf die Realwirtschaft abgewälzt würde. Schnappauf kritisiert zudem die Verlängerung der Organhaftung bei Aktiengesellschaften – sie würde zu einer "Verrechtlichung der Vorstands- und Aufsichtsratstätigkeit" führen und könnte zur "Lähmung der unternehmerischen Initiative führen".

Appell aus Österreich

Ganz andere Töne kommen dagegen aus dem Süden: Die Wirtschaftskammer Österreichs nannte die Bankenabgabe eine Bankkundenabgabe, die das Wachstum erschwere und empfiehlt – die Finanztransaktionssteuer. Sie ermögliche Krisenvorsorge und langfristige Investitionen statt Spekulationen. Die Steuer müsse allerdings durch eine europäische Ratingagentur ergänzt werden.

Der österreichische Finanzstaatssekretär Andreas Schieder betonte, dass im österreichischen Parlament alle Fraktionen hinter der Finanztransaktionssteuer gestanden hätten, diese ist in einem Vorratsbeschluss in Österreich bereits verabschiedet worden. Die Steuer sei besser, je internationaler sie umgesetzt werde, so Schieder. Er appellierte an die Bundesrepublik, ebenfalls einen Vorratsbeschluss für die Finanztransaktionssteuer auf den Weg zu bringen. Dieser würde höchstwahrscheinlich den Durchbruch in dieser Frage bedeuten.

Keine Belastung für den Kleinsparer durch Transaktionssteuer

Das von Banken und Versicherungen vorgebrachte Argument, die Finanztransaktionssteuer würde vor allem den Kleinsparer belasten, wollte Otte nicht gelten lassen. Eine Gesellschaft, die Riesterprodukte anbiete, habe pro Jahr 1,5 bis 3 Prozent an eigenen Kosten, rechnete der Fondsmanager vor. Dazu kämen dann 0,05 Prozent Finanztransaktionssteuer, diese sei somit unerheblich.

Nach seinen Berechnungen komme ein Kleinsparer mit einem Einkommen von 30.000 Euro über einen Zeitraum von 20 Jahren bei einem Sparbetrag von 1.200 Euro im Jahr auf zusätzliche Belastungen in Höhe von 74 Euro. Davon seien 20 Euro Kosten aus den laufenden Einzahlungen und 54 Euro Belastungen aufgrund von Umschichtungen des Fondsvermögens. Dabei ist Otte davon ausgegangen, dass der Fonds im Jahr ein Drittel seines Vermögens umschichtet.

Das würde bedeuten, dass nur 0,23 Prozent der Sparsumme aufgrund der Transaktionssteuer gezahlt werden müssten. Damit wäre weder die Altersvorsorge noch die Investition eines Unternehmens nennenswert belastet, jedoch bei Hedgefonds, die mehrmals am Tag ihr Vermögen drehen, schlage sie zu – und das sei gewünscht. Der Finanztransaktionssteuer könne somit nicht ihre Lenkungswirkung abgesprochen werden.

Nun ist die Regierung gefordert

In der Koalition besteht derzeit keine Einigkeit über das weitere Vorgehen: Während das Eckpunktepapier der Regierung die Finanztransaktionssteuer gar nicht erst in Erwägung zieht und beispielsweise von Angela Merkel und der FDP abgelehnt wird, spricht sich beispielsweise der CSU-Landesgruppenchef Friedrich für eine solche Steuer aus – allerdings nur, wenn sie auf internationaler Ebene eingeführt wird. Im Grunde kommt dies einer Absage gleich, eine wirksame internationale Koordination in der Finanzmarktpolitik ist derzeit noch in weiter Ferne.

Der konservative österreichische Finanzminister Josef Pröll (ÖVP) appellierte vor dem Treffen der EU-Finanzminister in Brüssel an die Kanzlerin, sich für eine Finanztransaktionssteuer einzusetzen. Ohne Deutschland hätte eine Besteuerung der Spekulation keine Chance, so Pröll. Angela Merkel spricht sich hingegen mittlerweile für eine Finanzaktivitätssteuer aus, das heißt eine Besteuerung von Bonuszahlungen, Gehältern und Gewinnen der Banken.

Auch Dean Baker wünscht sich, dass Deutschland zu einem Vorbild in Sachen Finanztransaktionssteuer wird: " There are substantial forces pushing for FTTs in most major wealthy countries including the United States. The actions of the German government can add momentum to this movement." In der praktischen Umsetzung allerdings ist die Bundesrepublik davon anscheinend noch weit entfernt.