Kontrollgelüste aus dem Orbit

Implementierung von Drohnen in die spanische Migrationsabwehr. Bild: Europäische Kommission für Unternehmen und Industrie/Sagem Security

Die von der EU anvisierte Satellitenaufklärung auch für Sicherheitsbelange kommt in die "operationelle Phase"

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Mit einstimmiger Beschlussfassung hat der parlamentarische Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie (ITRE) vor zwei Wochen grünes Licht für die neue Verordnung der Europäischen Initiative für die Globale Umwelt- und Sicherheitsüberwachung (GMES) gegeben. GMES ist neben Galileo das derzeit ambitionierteste Programm im Bereich der EU-Satellitenforschung. Während Galileo als Satellitenpositionierungsdienst eine Alternative zum GPS entwickeln soll, liegt der Kernbereich für GMES in Umwelt- und Sicherheitsaufgaben (Migrationskontrolle aus dem All). Einer der sechs Satelliten ist bereits im Orbit unterwegs, bis 2014 soll das Gesamtprojekt voll einsatzbereit sein und eine weltweite Überwachung von Land, Ozeanen und Atmosphäre gewährleisten.

Ergänzt durch luft-, land- und seegestützte Instrumente (etwa Ballons zur Erfassung stratosphärischer Daten, Instrumente auf Schiffen und Schwimmkörpern, Messstationen, Seismographen) gibt GMES Karten, Datenreihen, Berichte und automatisierte Alarmmeldungen aus. In zahlreichen Forschungsprogrammen wird die Integration von Radar, Infrarot- und Wärmebildkameras oder Sonar vorangetrieben. Auch Drohnen, die in mehreren Kilometern Höhe operieren, sollen eingebunden werden. Die technische Leitung des Gesamtprojekts obliegt der Europäischen Raumfahrtagentur (ESA), als deutscher Kooperationspartner ist das Deutsche Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR) bzw. dessen Zentrum für satellitengestützte KrisenInformation (ZKI) verantwortlich.

Neue Bestimmungen zu Management und Datenzugang

In der vorgesehenen Änderung der GMES-Verordnung, deren Entwurf seit letztem Jahr in wesentlichen Teilen überarbeitet wurde, soll das Programm von 2011-2013 in einer neuen Tranche mit 107 Millionen Euro aus dem EU-Haushalt finanziert werden. Hinzu kommen 209 Millionen Euro, die GMES ohnehin aus Mitteln des 7. Forschungsrahmenprogramms (FP7) erhält.

Der ITRE-Ausschuss bedauert, dass die vorgesehene "Finanzausstattung" noch zu niedrig liegt und beriet über eine Aufstockung. Laut einer Analyse der Europäischen Raumfahrtagentur würden allerdings ohnehin Einsparungen 400 Millionen Euro zu erreichen sein, wenn die restlichen fünf Satelliten schneller ins All befördert werden könnten. Damit würden Unterbrechungen in der Fertigung umgangen, zudem entfielen teure Lagerungskosten. Im Gegensatz zum Satellitennavigationssystem Galileo, das in Erwartung hoher Gewinne von den beteiligten Rüstungskonzernen mitfinanziert wird, werden diese bei GMES mit öffentlichen Geldern versorgt.

Nach Abschluss der "Validierungsphase" steht GMES vor dem Eintritt in die "operationelle Phase". Dementsprechend enthält die zu ändernde Verordnung reichlich Vorschläge zu "Lenkungsstrukturen", Verwaltung und Nutzung gewonnener Daten, der Gesamtfinanzierung oder der Akzeptanzsteigerung satellitengestützter Überwachung der Erde. Die "Generaldirektion Interne Politikbereiche" der EU hatte hierzu im Dezember eine ausführliche Studie vorgelegt haben. Bemerkenswert am GMES-Projekt ist, dass die gewonnenen Bilder öffentlich verfügbar sein sollen – mit Ausnahme von "sicherheitssensiblen Daten". Nach der Beschlussfassung im Ausschuss soll nun das europäische Parlament im Juni über die neue Verordnung beraten.

Während die Dienste von GMES und seiner Unterprogramme gern anlässlich von Vulkanausbrüchen, Erdbeben und Ölkatastrophen öffentlich ventiliert werden, herrscht über die sicherheitstechnische Nutzung diskrete Zurückhaltung. Neben Zivilschutzbehörden sollen vor allem Polizei und Militär von den gewonnenen Daten profitieren. Zahlreiche EU-Forschungsprogramme entwerfen Machbarkeitsstudien und entwickeln serienreife Plattformen, um die Ergebnisse schließlich in GMES zu integrieren.