Der Euro stürzt ab

Die Zinsen für Staatsanleihen und die Kosten für Ausfallversicherungen steigen nun auch für Italien und Frankreich

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Nach der Abwertung der Kreditwürdigkeit durch die Ratingagentur Fitch wird Spanien verstärkt auf den griechischen Weg geschickt. Der Zinsunterschied (Spread) gegenüber Staatsanleihen aus Deutschland erklimmt neue Rekorde. Doch auch Anleihen Frankreichs, Italiens und Portugals kommen weiter unter Druck und der Euro sackte trotz der Stützungsmaßnahmen auf ein Vier-Jahres-Tief ab. Das undurchsichtige Verhalten der Ratingagenturen drängt nun Brüssel dazu, die Aufsicht über sie zu verstärken. Auch die Kritik will nicht daran verstummen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) Staatsanleihen kauft und dafür die Notenpresse anwirft und mit der Inflation spielt.

Die Verärgerung über die Ratingagenturen wird stärker. Dass nun auch Fitch das Mittelmeerland Spanien herabstufte herabstufte, sorgt in Brüssel für Aufregung. Dort ist man darüber verärgert, dass die Entscheidung am Wochenende ausgerechnet fiel, nachdem die spanische Regierung mit knappster Mehrheit einen neuen Sparplan durch das Parlament gebracht hat. Der sieht tiefe Einschnitte in den Haushalt vor, kürzt Löhne und Ausgaben, Steuern werden erhöht und die Renten eingefroren. Auf diesen Kurs hatte die EU das Land im Rahmen des Rettungsschirms gezwungen (Die hektische Eile nach der langen Weile).

In Brüssel fragt man sich immer offener, welche Böcke da als Gärtner fungieren. Der EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier wird heute seine Pläne für eine Reform der Finanzmärkte vorlegen. Der Franzose will damit auch an die Ratingagenturen herangehen. Schon vorab hatte das Handelsblatt gemeldet, Barnier wolle die Agenturen besser überwachen. Bei Verdacht auf Regelverstöße solle die geplante europäische Börsenaufsicht (European Securities and Markets Authority/ESMA) künftig gegen sie ermitteln und auch harte Geldstrafen verhängen können, zitierte die Zeitung aus seien Entwurf.

Barnier will die Vormachtstellung der drei US-amerikanischen Ratingunternehmen aufbrechen und spricht sich für eine europäische Agentur aus, weil es zu wenig Wettbewerb gebe. Die Transparenz müsse erhöht, Regeln zur Bewertung aufgestellt und das absurde Treiben beendet werden, wonach die Ratingagenturen die Firmen beraten, deren Produkte sie schließlich bewerten.

Spanien wird für Sparpläne bestraft

Die selbsternannten Bonitätsprüfer hatten mit der Abstufung Spaniens für Aufregung gesorgt. Bisher hatten sie stets den schnellen Abbau der explodierenden Haushaltsdefizite und den Abbau der Staatsschulden gefordert und die Herabstufung von Griechenland oder Portugal damit begründet. Das wurde auch als Begründung für die bisherigen Herabstufungen Spaniens durch Standard & Poor's (S&P) angeführt. Doch Fitch argumentiert nun genau umgekehrt. Erklärt wird, die Sparpläne belasteten die Erholung der Wirtschaft weiter. Das ist sogar richtig. Spanien wird also nun von Fitch dafür abgestraft, von seiner ursprünglichen Linie abgerückt zu sein, wofür die Regierung sogar einen Generalstreik riskiert. Offensichtlich kann man es den US-Agenturen nicht recht machen.

Wie es sich zeigt, wird diese erneute Abstufung das Land teuer zu stehen kommen. Denn die Zinsen für Staatsanleihen schießen in die Höhe. So erreichte der Zinsunterschied (Spread) zu deutschen Anleihen schon am Montag einen neuen Rekord. Der Spread für zehnjährige spanische Staatsanleihen war auf 1,58% gestiegen. Am Dienstag ging es weiter bergauf und der "Risikoaufschlag", wie er allseits genannt wird, stieg auf fast 173 Basispunkte. Während Berlin sein Geld für etwa 2,6% erhielt, musste Spanien schon 4,33% bieten.

Damit könnte Fitch seine Entscheidung bald für die nächste Abstufung anführen. Denn wie zuvor in Portugal oder Griechenland erhöhen sich die Refinanzierungskosten für Spanien weiter. Das macht die Einsparungen weitgehend zunichte, womit die Erholungschancen weiter verschlechtert werden. Damit hat sich die Tendenz verstärkt, die in den letzten Monaten zu beobachten ist, seit auch Spanien als angeblicher Pleitekandidat gehandelt wird. Dabei gehört das Land zu den wenigen Ländern im Euroraum, dessen Staatsdefizit 2009 mit gut 53% im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) noch unter der Stabilitätsmarke von 60% und sogar deutlich unter dem Durchschnitt der Euroländer (78,7%) lag.

Diese Kostenentwicklung kann auch beim das Spekulationsvehikel Credit Default Swaps (CDS) beobachtet werden. Auch diese sogenannten Kreditausfallversicherungen waren schon vor dem Sparprogramm deutlich teurer geworden. Anfang Mai waren sie von 163 auf 245 Basispunkte explodiert. Bis zum 28. Mai kam es nach dem Sparprogramm zu einem kurzfristigen Rückgang auf 220, doch nach der Neueinstufung von Fitch sind sie nun am Dienstag auf 265 Basispunkte hochgeschnellt. Das bedeutet, dass es jährlich nun schon fast 265.000 Euro kostet, um spanische Anleihen im Umfang von 10 Millionen Euro zu versichern.

Es zeichnet sich hier genau der Kurs ab, mit dem Griechenland in die Situation getrieben wurde, der die Auslösung des Rettungsplans nötig gemacht hat. Als die Sozialdemokraten unter Georgios Papandreou bei vorgezogenen Neuwahlen im Oktober 2009 die Konservativen ablösten, die die EU so gnadenlos über das Defizit belogen hatten, musste das Land noch einen Zinsaufschlag von etwa 1,5% im Vergleich zu Deutschland bezahlen. Dann war es Fitch, die von Griechenland als Pleitekandidat sprach, womit der Spread schon auf 2,3% anwuchs.

Danach nahm das Karussell aus Abstufungen und Heraufprügeln von Zinsen und CDS-Kosten erst richtig an Fahrt auf, obwohl auch Griechenland massive Kürzungen von Ausgaben und Steuererhöhungen beschlossen hat, wie es die Ratingagenturen gefordert hatten. Vor der Verabschiedung des EU-Rettungspakets musste das Land für zehnjährige Anleihen schon 10% bieten. Das war mehr als Pakistan zahlen muss, woran aber die Politik der Bundeskanzlerin auch einen erheblichen Anteil hatte (Berliner Schlingerkurs zur Griechenland-Hilfe).

Spekulation könnte nun auch Italien und Frankreich in die Abwärtsspirale treiben

Doch nicht nur das kleine Griechenland oder Spanien sind betroffen, auch Portugal wird angegriffen, obwohl es hier kaum wirkliche Begründungen gibt. Die wirtschaftlichen Grunddaten sind nicht so schlecht, weder beim Defizit, bei der Verschuldung oder bei der Arbeitslosigkeit liegt das Land in der Spitzengruppe. Doch plötzlich nannte die Ratingagentur Moody's das Land in einem Atemzug mit Griechenland und sagte einen "langsamen Tod" voraus (Kreist auch über Portugal der Pleitegeier?). Zwar legte das Land einen glaubwürdigen und ausgewogenen Sparplan vor, doch die Ratingagenturen stuften es ab, die der US-Investmentbank Lehman noch kurz vor der Pleite die Bestnote gaben. Angesichts steigender Finanzierungskosten und CDS-Kosten versuchte sogar der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Portugal in Schutz zu nehmen.

Genutzt hat es nichts. Weder ein zweites Rettungspaket, das unausgewogener war und die übliche Mehrwertsteueranhebung, Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst und das Einfrieren der Renten beinhaltete, noch der 750 Milliarden Euro schwere Rettungsschirm haben verhindert, dass die Spekulation mit CDS-Papieren oder die Zinsen für Staatsanleihen eingegrenzt wurden. Auf 350 Basispunkte sind die sogenannten Ausfallversicherungen für Portugal am Dienstag angeschwollen.

Doch inzwischen hat das Spekulationsfieber längst auch ökonomische Schwergewichte wie Italien und Frankreich erreicht. Die CDS-Kosten für italienische Staatsanleihen kletterten am Dienstag auf ein Rekordhoch. Für eine fünfjährige Absicherung von Papieren im Wert von zehn Millionen Euro mussten nach Angaben des Datenanbieters Markit 250.000 Euro gezahlt werden, so viel wie nie zuvor. Noch am Montag lagen die Papiere bei 200 Basispunkten. Auch Italien versucht nun, mit Sparplänen die geforderte Haushaltssanierung zustande zu bringen.

Selbst Frankreich rückt immer stärker ins Blickfeld. CDS für französische Staatsanleihen haben sich seit Jahresbeginn schon verdoppelt. Nun hatte am Wochenende ausgerechnet die Regierung die Gerüchteküche so richtig angeheizt. Der französische Haushaltsminister François Baroin hatte erklärt, dass die Bestnote der Ratingagenturen in Gefahr sei. Es sei "eine schwierige Zielstellung" und "eine Herausforderung", damit Frankreich das "AAA" behalte.

Damit wollte er eigentlich für stärkere Sparanstrengungen werben, denn bisher hält sich Paris noch weitgehend zurück. Doch die Gerüchte, dass auch Spanien abgestuft werden könnte, sorgten am Dienstag an den Börsen für große Unruhe und ließen den Euro erneut einbrechen. Die Gemeinschaftswährung stürzte um fast zwei US-Cent auf ein Vier-Jahres-Tief von 1,2112 Dollar. Zwar konnte sich der Euro seither wieder um die Marke 1,22 stabilisieren, doch es wird mit einer weiteren Abwertung zum Dollar gerechnet, auf den schließlich mit viel Geld gewettet wird (Wetten gegen den Euro).

Ein französisches Komplott?

Diese Entwicklung zeigt, wie wirkungslos die Maßnahmen verpuffen, mit denen die Lage stabilisiert werden soll. Weder das Rettungsnetz für Griechenland, noch der Euro-Rettungsschirm oder der Tabubruch der EZB, nun auch Staatsanleihen anzukaufen, konnten die Lage stabilisieren. Doch die Kritik am Anwerfen der Notenpresse wird lauter, mit der die EZB den Rettungsschirm flankiert. Fast einen Monat nach dem Beschluss ist weiter unklar, für welchen Zeitraum und mit welchem Gesamtvolumen die Ankäufe getätigt werden sollen.

Etwas deutlicher hatte der Präsident der Deutschen Bundesbank diese umstrittene Strategie kritisiert. Wie andere Analysten sieht auch Axel Weber eine steigende Inflationsgefahr aufziehen (Die Angst vor der Inflation steigt). "Die Geldpolitik hat in der Krisenbewältigung neue Wege eingeschlagen, die ich angesichts der damit verbundenen stabilitätspolitischen Risiken nach wie vor kritisch sehe", erneuerte Weber seine Kritik am Montag auf einer Rede in Mainz. Um sich den Weg nicht zu verbauen, zum Nachfolger von EZB-Präsident Jean-Claude Trichet zu werden, kritisiert auch Weber den Tabubruch nicht grundsätzlich. Er macht auf Schadensbegrenzung. Der Aufkauf dürfe nur "zielgenau und eng begrenzt" umgesetzt werden, weil die zentrale Aufgabe der Zentralbank auch weiterhin sein, für Preisstabilität zu sorgen. Es gelte deshalb, "eine klare Trennungslinie der Zuständigkeiten zwischen Geldpolitik und Finanzpolitik zu ziehen".

Dabei ist diese Trennungslinie mit der Entscheidung zum Ankauf von Staatsanleihen längst überschritten. Zudem hat der Spiegel in seiner neuen Druckausgabe gemeldet, dass es im Rahmen des Ankaufs von Staatsanleihen ein "französisches Komplott" gebe, an dem der französische EZB-Chef beteiligt sei. Eigentlich nicht geplant, kaufe die EZB derzeit vor allem griechische Staatsanleihen, wovon vor allem französische Banken profitierten. Von den 40 Milliarden Euro, welche die Zentralbank schon für Staatsanleihen ausgegeben habe, seien 25 Milliarden für griechische Anleihen ausgegeben worden. "Täglich kommen weitere zwei Milliarden hinzu", berichtete das Nachrichtenmagazin. In der Bundesbank frage man sich, warum, vor allem in diesem Umfang, diese Bonds gekauft würden. Ohnehin stünde das Rettungspaket mit 110 Milliarden Euro allein für Griechenland bereit.

Die Preise würden für diese Papiere künstlich hoch gehalten und vor allem französische Banken entsorgten Griechenland-Papiere bei der EZB. Deutsche Banken und Versicherungen hatten sich im Rahmen des Rettungspakets aber verpflichtet, sie bis 2013 zu halten. Der Spiegel sieht die lange Hand von Nicolas Sarkozy hinter dem Vorgang. Der konservative französische Präsident habe durch massiven Druck seinen Landsmann Trichet zu dem Tabubruch gedrängt. Das kann stimmen, schließlich spielt man in Paris mehr oder weniger offen mit der Idee, einen Teil der Staatsschulden über eine steigende Inflation zu beseitigen (Frankreich will mit einer Reichensteuer eine Rentenreform versüßen). Als Nebeneffekt hätte schon bisher die Bundesbank sich mit 7 Milliarden Euro an der Sanierung französischer Banken beteiligt.