Mosul: Schiitische Milizen wollen den Fluchtkorridor für den IS schließen

Brennende Ölfelder bei Qayyarah am 21. Oktober. Bild: Nasa

Nicht nur in Syrien verschärfen sich die Spannungen in den verschiedenen Anti-IS-Lagern, auch im Irak spült die Offensive auf Mosul die Konflikte zwischen den interessierten Parteien hoch

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Die Angriffe auf die Großstadt wurden bislang von den kurdischen Peschmerga aus dem Osten und den irakischen Streitkräften, die von schiitischen Milizen begleitet werden, im Süden ausgeführt. Angriffe auf IS-Stellungen aus der Luft werden von Flugzeugen der US-geführten Koalition und der irakischen Luftwaffe geflogen. Eingenommen wurde das kleine Städtchen Qayyarah in der Nähe des gleichnamigen Flughafens, wo sich die US-Truppen einquartiert haben und der für größere Flugzeuge ausgebaut werden soll. Wie auch anderswo und von Saddam Hussein vorexerziert haben die sich zurückziehenden IS-Kämpfer das Anzünden von Öl als taktisches Mittel eingesetzt, um den Vormarsch zu behindern und die Sicht aus der Luft zu behindern. Während anderswo Gräben, Gruben oder Tonnen für diesen Zwecke mit Öl gefüllt wurden, wurden hier die nahe gelegenen Ölfelder angezündet, von denen nun dicke und giftige schwarze Wolken über die Stadt und auch den Flugplatz ziehen.

Die irakische Regierung hatte schon die Bewohner gelobt, dass sie ausgeharrt haben und nicht während der Kämpfe geflohen sind, wie dies auch den Menschen in Mosul geraten wird, aber sie beginnen nun nach der Befreiung aufgrund der Vergiftungsgefahr zu fliehen. Das Öl in Qayyarah ist schwefelhaltig und daher besonders riskant. 30 Menschen sollen schon gestorben sein, Hunderte müssen medizinisch behandelt werden. Schnelle Abhilfe ist unwahrscheinlich, denn es wir noch in der Nähe gekämpft, weswegen auch das Löschen der Feuer ein gefährliches Unternehmen ist, für das man Experten aus der Privatwirtschaft bräuchte, die sich aber der aktuellen Gefahr nicht aussetzen werden.

Dazu kommt, dass die IS-Kämpfer in der von ihnen verfolgten Rückzugsstrategie der verbrannten Erde auch die hier befindliche Mishraq-Schwefelfabrik angezündet haben, von der ebenfalls hochgiftige, übel stinkende Wolken aus Schwefeldioxid und Schwefelwasserstoff aufsteigen, die noch aus dem Weltall gesehen werden können. Ähnlich wie Falludscha oder Ramadi sind die "befreiten" Städte oft verwüstete Geisterstädte, die noch lange gefährlich sein werden, weil sie der IS mit Sprengfallen und Minen überzogen hat. Nach dem Pentagon seien die Brände weitgehend unter Kontrolle, die irakischen Truppen würden sie mit Wasser, Sand und Schaum zu löschen versuchen, sie würden aber weiterhin qualmen.

Aus Bashiqa, einst bewohnt vor allem von Jesiden, scheint der IS bereits abgezogen zu sein. Die Stadt haben Kurden der Peschmerga umstellt, Einwohner sollen aus der Stadt fliehen. In der Nähe von Bashiqa sind seit Ende 2015 türkische Truppen stationiert, die dort arabische Sunniten als Kämpfer ausbilden. Die türkische Regierung besteht darauf, an den Kämpfern teilzuhaben, um nach einer Einnahme mit am Tisch zu sitzen. Präsident Erdogan hat bereits einen verwegenen historischen Anspruch auf Mosul erhoben (Erdogan meldet Anspruch auf Mosul an).

Die schiitisch dominierte irakische Regierung hat die türkischen Truppen als unerwünschte Besatzer bezeichnet, forderte deren Rückzug und will deren Beteiligung an den Kämpfen verhindern. Hinter dieser Forderung steht vor allem der Druck der schiitischen Milizen, während die Peschmerga der Kurdischen Regionalregierung unter Barsani zumindest keine offenen Konflikte mit der türkischen Regierung haben, auch oder weil diese gegen die PKK und die YPG vorgeht und diese bekämpft. Die US-Regierung versucht, zwischen Bagdad und Ankara zu vermitteln, die türkische Regierung verhandelt auch weiter mit der türkischen. Angedroht hat sie allerdings, weitere Truppen im Irak zu stationieren, wenn die Gespräche scheitern sollten. Und sie warnte bereits, dass sie nicht zulassen werde, wenn die PKK ein Hauptquartier in Sindschar aufbauen wolle.

Während die irakische Regierung die schiitischen Milizen, die nur teilweise dem Kommando der Streitkräfte unterstehen, kaum kontrollieren kann und diese wahrscheinlich auch in Mosul eindringen werden, was die Türkei, aber auch die USA gerne verhindern würden, gibt es ein ähnliches Problem zwischen den Peschmerga und den irakischen Truppen. Es gab eine Vereinbarung, dass die Peschmerga ein wichtiger Bestandteil der Offensive sein, aber 10-20 km vor Mosul den Vormarsch beenden und den Ring um die Stadt sichern sollen. Mittlerweile rücken Peschmerga-Einheiten weiter voran. Pentagonsprecher Dorrian versuchte in einer Pressekonferenz mögliche Konflikte herunterzuspielen. Die kurdischen Kräfte seien halt "anpassungsfähig".

In russischen und türkischen Medien ist bereits behauptet worden, die Amerikaner würden mit Saudi-Arabien und der Türkei planen, den IS-Kämpfern im Westen der Stadt einen Fluchtkorridor offen zu lassen, über den sie nach Tal Afar und dann nach Syrien gelangen könnten. Unterstellt wurde, was nicht ganz abwegig erscheint, dass so in Syrien der Widerstand gegen Assad (und Russland) gestärkt werden könnte (Wer arbeitet mit den islamistischen Terroristen in Syrien und im Irak zusammen?). Die britische Times zitierte einen irakischen Offizier, der ebenfalls von einem Fluchtweg sprach. Die Türkei hat sich lange nicht gescheut, mit IS als Feind von Assad und den syrischen Kurden zu kooperieren, vermutlich gab es auch eine Absprache, da sich der IS praktisch kampflos aus der wichtigen Stadt Dscharablus vor dem Einmarsch der türkischen Armee mitsamt den Milizen der so genannten Freien Syrischen Armee zurückgezogen hatte.

Die syrische Regierung warnte vor einem solchen Korridor. Russische Medien spielen das Thema ebenfalls. So hat die syrische Medienberaterin von Assad, Bouthaina Shaaban, gegenüber dem russischen Sender RT gestern gesagt, dass die von der USA geführte Koalition die Einkreisung von Mosul so angelegt haben soll, dass die IS-Kämpfer nach Syrien fliehen soll. Russland und Syrien würden dies sehr ernst nehmen, das sei eine Bedrohung der "Souveränität" Syriens. Man könnte sich allerdings auch vorstellen, dass die IS-Kämpfer mit einem solchen Fluchtweg erst einmal aus der Stadt gelockt werden sollen, um sie dann unterwegs zu bombardieren, wodurch die Schäden in der Stadt vermindert werden könnten.

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