Mit der großen Kelle angerührt

Chinesischer Pavillion (im Hintergrund. Architekt: He Jingtang). Bild: Stefano Meneghetti. Lizenz: CC-BY-SA-2.0

Die gegenwärtige Expo in Shanghai wirft die Frage auf: Was bewirkt die Weltausstellung eigentlich für die eigene Stadtentwicklung?

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Am Beispiel von Weltausstellungen werden gerne normative Parabeln des "guten Lebens" illustriert. Die nationalen und thematischen Präsentationen geben besondere Antworten auf allgemeinere Fragen nach Identität, d.h. danach was Menschen (geworden) sind und gemacht haben. "Globalisierungen" – dies sind allgemeine Tendenzen, wie es sie seit der griechischen Antike gibt – verweisen auf ein Übergewicht genereller Entwicklungen gegenüber lokalen Besonderheiten. Und seit der Expo in Brüssel 1958 gehört die "Bilanz für eine menschlichere Welt" zur Rhetorik von Weltausstellungen. Was bietet und bewirkt die gegenwärtige Expo in Shanghai?

Mögen die vorangegangenen Veranstaltungen in Aichi (2005), Hannover (2000) und Lissabon (1998) die in sie gesetzten Erwartungen hinsichtlich Publikumsakzeptanz und Wirtschaftlichkeit auch verfehlt haben, so ließen die Verantwortlichen für die erste Weltausstellung auf chinesischem Boden sich doch davon keineswegs beirren. Die Ambitionen der 2010 World Expo in Shanghai sind gigantisch – und offenbar nicht unrealistisch. Mehr als 240 Länder haben sich angemeldet; 80 Millionen Besucher erwarten die Veranstalter, vier Millionen davon aus dem Ausland. 97 Länder- und Themenpavillons sind auf dem Expo-Gelände entstanden, deren größter und auffälligster – natürlich! – der chinesische ist.

So weit, so gut: Man kennt die Eigengesetzlichkeiten beim Streben nach den Superlativen. Doch erhält dies einen merkwürdigen Beigeschmack, wenn man das Motto der Expo 2010 bedenkt: "Bessere Stadt, besseres Leben". Shanghai hofft, nach eigenem Bekunden, "ein Pilotprojekt für nachhaltiges und harmonisches Leben in der Stadt zu bauen". Allein, welche Wirkung entfaltet eine solche Weltausstellung eigentlich für die Stadtentwicklung?

Ohne Ressentiment lässt sich diese Frage kaum beantworten. Deshalb mag der Rückblick auf eine nunmehr 160-jährige Geschichte hilfreich sein. 1851 gab die Londoner Weltausstellung das Startsignal für ein Format, bei dem es nicht – wie etwa bei Messen, Märkten und Basaren – um's unmittelbare Verkaufen ging, sondern um ein gewerbeförderndes und zugleich nationalpolitisches Instrument. Mit durchaus umwälzenden Erfolg: Bis zum Ausbruch des 1. Weltkrieges fanden 57 Industrie- und Gewerbeausstellungen statt, davon 29 in Europa, 17 in den USA und insgesamt 11 in Australien, Asien und Südamerika. Gerade ökonomisch aufstrebende Länder setzten auf das Zaubermittel dieses Events, am augenfälligsten wohl Osaka im Jahr 1970, das Japans fulminanten Durchstart in die Spitze der Weltwirtschaft bildhaft demonstrierte.

Luxemburger Pavillion (von Hermann & Valentiny und Partner). Bild: Stefano Meneghetti. Lizenz: CC-BY-SA-2.0

Besonders vernünftig ging es bei den - erfolgreichen - Weltausstellungen dabei wohl nie zu. Sie lebten gleichsam von Chaos und Fantastik. Gab es etwas Unvernünftigeres, als einer abendländischen Metropole ein 1.000 Fuß hohes Eisengestell einzupflanzen, wie Gustave Eiffel es 1889 tat? Oder eine weiße Palaststadt in die Küstensümpfe des südlichen Chicago zu zaubern, wie 1893?

Anfangs waren die Expositionen ein Privileg der seinerzeit stärksten Wirtschaftsnationen: England und Frankreich. Deren Hauptstädte boten einen so prachtvollen wie organisatorisch leistungsfähigen Hintergrund für die rauschenden Feste der Industrie; Fortschritt jeglicher Art wurde den breiten Schichten hier dargeboten. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts bedienten sich dann die USA, die kommerziell und auch kulturell den Anschluss an die "Alte Welt" suchten, des Mediums zur Demonstration eigener Stärke, des "american way of life and business".

Besonders Chicago tat sich da hervor, wobei die Expo von 1893, die im weit außerhalb gelegenen Jackson Park stattfand, eine Art Wendepunkt darstellte. Mit einem Ehrenhof, axial aufeinander bezogenen Gebäuden und Freiräumen wurde hier der Prototyp der "City-Beautiful"-Bewegung geschaffen: Die White City von Chicago, die den ideellen Gegensatz zur Black City bildete – jener aufstrebenden Industrie- und Handelsstadt mit ihrer als "Commercial Style" verrufenen (Hochhaus-) Architektur. Zugleich aber nutzte man die Chance, vermittels des Vehikels Weltausstellung Flächen zu akquirieren, die nach dem Abriss der Ausstellungsbauten als Parkanlagen und öffentlicher Erholungsraum der Bevölkerung der hochverdichteten Stadt zur Verfügung gestellt wurden.

Damit leistete die Expo etwas genuin Neues: Der Integration der (und in die) Landschaft, die Planung zusammenhängender Grünräume als Instrument zur Gliederung des urbanen Raumes. Doch das Ende dieser Ära war absehbar, als 1904 die "Louisiana Purchase Exposition" stattfand. Sie brach alle bisherigen Rekorde: Fast 20 Millionen Besucher wanderten durch eine riesige, 508 Hektar umfassende Stadt aus Gips. Im taumelnden Wettbewerb mit sich selbst begann die Expo, zum Mega-Event, zugleich aber zur bloßen Kulisse zu werden.

Italienischer Pavillion (von Giampaolo Imbrighi). Bild: Stefano Meneghetti. Lizenz: CC-BY-SA-2.0

Zwar lässt sich beobachten, dass landschaftliche Lagevorteile prinzipiell gerne genutzt wurden. Flüsse und Lagunen galten immer als Vorzugsplätze. Paris, das achtzig Jahre lang auf Weltausstellungen abonniert war, hatte die Seine und ihr Hochufer, Montreal den St. Lorenz-Strom und seine Inseln, Sevilla den Guadelquivir mit der Cartuja-Insel, Lissabon die weiten Wasserspiele des Tajo. Als aber zu Beginn des 20. Jahrhunderts die finanziellen und planerischen Investitionen in das Unternehmen Weltausstellung förmlich explodierten, erzwang das sukzessive ein Umdenken: Das jeweilige Gelände sollte zunehmend einen dauerhaften Nutzen für die Stadt aufweisen.

Vorbildfunktion hatte die Franco-British-Exhibition 1908 in London, indem ihre Ausstellungsbauten anschließend zu Messehallen umgewidmet wurden. Und in Barcelona verbanden die Verantwortlichen bei der Weltausstellung 1929 geschickt nationale Repräsentationsbestrebungen und handelspolitische Ambitionen mit Visionen für die weitere urbane Entwicklung. Der gewählte Standort – der Berg Montjuic – stellte seinerzeit einen historisch belasteten und sozial problematischen Stadtbezirk dar. Mit dem neuen Veranstaltungsgelände und seiner Folgenutzung als Messe setzte man bewusst einen Impuls zur Entwicklung eines zweiten, zusätzlichen Geschäftszentrums im Westen der katalanischen Metropole. Wobei als zentrale Voraussetzung die Verbesserung der Anbindungen an den Altstadtkern und die Flächen des Eixample diente.

Südkoreanischer Pavillion (von Mass Studies). Bild: Stefano Meneghetti. Lizenz: CC-BY-SA-2.0

In den 1930er Jahren setzte der Trend zur thematischen Organisation ein; dem Motto selbst kam eine immer stärkere Bedeutung zu: "Century of Progress" lautete der selbstzufriedene Euphemismus 1933/34 in Chicago, und mit dem Slogan "World of Tomorrow" wollte New York 1939/40 Utopien als Fluchtmöglichkeit in den vom II. Weltkrieg gebeutelten Jahren anbieten.

Nach dessen Ende standen Wissenschaft und Technik, die bis dahin bestimmenden Themen der Expositionen, als Heilsbringer indes in der Defensive. Jedoch setzten die Veranstalter nach wie vor gerne den wissenschaftlich-technischen Fortschritt in Szene, indem sie in der Formulierung der Mottos und der Auswahl der Ausstellungsobjekte den Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität, der Bequemlichkeit und den Unterhaltungswert betonten. So fand die relativ hohe Beteiligung vieler kleiner, kurz zuvor neugegründeter Staaten an der Expo 1967 in Montreal mit dem Leitmotiv "Man and his World", welches die Solidarität der Menschen untereinander herausstellte, städtebaulich einen Niederschlag in groß ausgebildeten Gemeinschaftsbereichen als internationale Treffpunkte. Den Zeitgeist folgend rückte alsbald die Natur und deren Erhalt bzw. Reparatur in den Vordergrund. Entsprechend idealisierte man in Brüssel 1958 unter dem Motto "Bilanz für eine menschliche Welt" die friedliche Nutzung der Atomenergie. Freilich erweist sich deren Versinnbildlichung rückblickend als wenig geglückt: Da der Atom-Enthusiasmus mittlerweile eher schwindet, eignet sich das "Atomium" kaum mehr für ein positives Stadt-Marketing.

Das gebaute Bild bleibt trotz Virtualisierung Werbeträger

Eben diese neue Startposition in der Städtekonkurrenz aber ist mehr und mehr zur raison d'etre geworden: Die Rolle als Stellvertreter für die ganze Nation, die globale Beachtung und Medienwirksamkeit veranlasst die gastgebenden Städte zu außergewöhnlichen Planungen, um sich möglichst eindrücklich darzustellen und aus der Phalanx vergleichbarer Städte hervorzuheben.

Bemerkenswert ist, dass auch im Zeitalter von virtual reality das gebaute Bild der erste Werbeträger bleibt. Im 19. Jahrhundert verhalfen die Expos den Materialien Glas und Eisen zum Durchbruch; sie waren es, die den repräsentativen Charakter der "Industriepaläste" prägten und bis dahin ungeahnte Licht- und Raumeindrücke erzeugten. Auch andere, heute selbstverständliche technische Leistungen – wie das Bauen mit vorgefertigten Teilen (London 1851), die Konstruktion des Dreigelenkbogens (Maschinenhalle Paris 1889), moderne Zeltkonstruktion (Montreal 1967), intelligente Außenhäute (Sevilla 1992), Rolltreppen, Fahrstühle, Schwebebahnen usw. – sind anlässlich von Expositionen entwickelt worden.

Australischer Pavillion (von Wood Marsh und Think!OTS). Bild: Stefano Meneghetti. Lizenz: CC-BY-SA-2.0

Ab und an gab es auch zukunftsweisende Architekturen: Beispielsweise der Barcelona-Pavillon von Mies van der Rohe (1929), Buckminster Fullers geodätische Kuppel (Montreal 1967) oder die Strukturen der japanischen Metabolisten um Kenzo Tange (Osaka 1970). Und in den letzten anderthalb Jahrzehnten sind signature buildings und big names aus der Architektenzunft zum Teil des jeweiligen Vermarktungskonzeptes avanciert. Doch gemessen an all dem, was bei den Expos ostentativ zur Schau gestellt wurde, erscheinen die Konsequenzen am Ort des großen Ereignisses in der Regel ephemer. Schon die ersten Weltausstellungen waren flüchtige Installationen; spurlos etwa verschwand der legendäre, 600 Meter lange Londoner "Crystal Palace" von Joseph Paxton, der in die Architekturgeschichte als "Verwirklichung eines neuen Baugedankens" eingegangen ist.

Implizit wirft jede Weltausstellung die Frage nach der Darstellbarkeit gesellschaftlicher, politischer und kultureller Inhalte durch architektonische Formen auf. Nun mag ja schon allein dieser Anspruch Kritik provozieren. Und in Anbetracht von Medien, die den Zeitgeist weitaus wirksamer verkörpern, hat es eine thematisch ausgerichtete Expo heute fraglos schwer. Wie man überhaupt konstatieren muss, dass solche Events ihren eigentlichen Daseinszweck eingebüsst haben: die Vermittlung des Fortschritts.

Niederländischer Pavillion (von John Körmeling). Bild: Stefano Meneghetti. Lizenz: CC-BY-SA-2.0

Was in London und Paris Mitte des 19. Jahrhunderts noch uneingeschränkt galt, nämlich die Gelegenheit, die Massen mit der Modernität zu konfrontieren, Technik und Fortschritt als Erlebniswerte zu inszenieren, das ist längst obsolet. Heute scheinen die Rollen vertauscht: Ausstellungen buhlen um Zuschauer, und Städte um Ausstellungen. Sah Walter Benjamin die magische Anziehungskraft der Weltausstellungen noch in ihrer Eigenschaft als "Wallfahrtsstätten zum Fetisch Ware" – womit er gerade den entscheidenden Zusammenhang mit der neuen Psyche des Großstadtmenschen herstellte –, so sind mittlerweile an die Stelle der stolzen Leistungsschau die Forderungen der Tourismusindustrie, des Stadtmarketings sowie Infrastrukturbedürfnisse getreten – und eine Konkurrenz durch die Unterhaltungsindustrie.

Die Vorbehalte, die jeder Expo seit geraumer Zeit entgegen gebracht werden, haben auch mit dem Medium selbst zu tun. Die Great Exhibitions und Expositions Universelles fungierten anfangs als Mustermessen, auf denen man sich über Produkte und Produzenten informierte; doch das ist seit rund hundert Jahren obsolet. Frühere Expos waren zudem Enzyklopädien der Menschheit – doch dieses Bedürfnis wird heute anderswo bedient, auf Buchseiten wie Websites. Und schließlich hat ein Gegensatz die gesamte Geschichte der Weltausstellungen geprägt, nämlich der zwischen nationaler Konkurrenz und internationaler Zusammenarbeit.

Polnischer Pavillion (von Wojciech Kakowski, Natalia Paszkowska und Marcin Mostafa). Bild: Stefano Meneghetti. Lizenz: CC-BY-SA-2.0

Schwer zu sagen, ob die World's Fairs insgesamt mehr dem großen Ziel gedient haben, das laut Prinz Albert, dem Schirmherrn der ersten Expo, in der "Darstellung der Einheit der Menschheit" lag, oder ob sie die Rivalität zwischen den Staaten befördert haben. Jedenfalls wichen die großen Ausstellungspaläste, die alles unter einem Dach gezeigt hatten, sehr bald den eigensüchtigen Pavillons, die von Staaten oder Großunternehmen errichtet wurden. Die Fülle der Exponate ließ sich nicht mehr in einem einzigen Gebäude vereinen. Doch war auch das symbolische, alles einende Dach nicht mehr gefragt. Heute scheint der Widerstreit zwischen Globalismus und Nationalität entschärft. Die weltweit ähnliche Fassadenkosmetik der Länderdarstellungen tut ein Übriges. Reale Unterschiede scheinen nur mehr eine Art pittoresker Reiz in touristisch nutzbarer Landschaft zu bilden oder zu sein.

Letztlich aber benötigen die High-Tech-Spektakel, wie sie sich der Expos bemächtigt haben, keinen definierten Ort mehr

Digitale Bilderkatarakte lassen sich in jedem Schuppen entfesseln. Noch gibt es sinnlich erfahrbare Architektur, wie diese Expo zeigt – etwa den spanischen Pavillon, der sich in einem Schuppenkleid aus Weidengeflecht präsentiert.

Im Brennpunkt freilich steht der chinesische Beitrag: Die sogenannte "Krone des Orients" ist mit 63 Metern Höhe dreimal höher als die anderen Länderpavillons in Shanghai. Sie offenbart sich als komplexes Gebilde auf der Basis traditioneller chinesischer Elemente. Beginnend mit der Farbgebung, leuchtet der Bau in sieben verschiedenen Schattierungen des Gugong-Rot, das einst nur dem Kaiserlichen Palast vorbehalten war. Das Dach ist eine 30 Meter hohe Dougong-Struktur; hier allerdings aus Stahl.

Österreichischer Pavillion (von SPAN & Zeytinoglu). Bild: Stefano Meneghetti. Lizenz: CC-BY-SA-2.0

Auf den Spaßfaktor setzen die Holländer mit ihrer kunterbunten Architektur-Collage: Man geht eine spiralförmige Brücke hinauf, die von kleinen Häuschen gesäumt ist, in denen holländische Künstler ihre Werke präsentieren. Der österreichische Pavillon wurde als Gesamtkunstwerk aus Raum, Klang und Bildern konzipiert. Die Verkleidung der komplex gekrümmten Fläche – sie umfasst den gesamten Außenbereich und das Dach – vermittelt den Eindruck einer nahtlosen Oberfläche, obgleich das Gegenteil der Fall ist. Indem die Fassade mit zehn Millionen Porzellanfliesen besetzt ist, spielt sie zugleich auf die Tradition chinesischer Porzellanexporte nach Europa an.

Deutschland tritt diesmal mit einer respektablen Architektur (Entwurf: Schmidhuber + Partner, München) an; der Pavillon symbolisiert mit seinen drei schwebenden, austarierten Kuben das Motto "Balancity". Und selbst die Stadt Hamburg leistet sich einen eigenen Auftritt, der das klimafreundliche Bauen nicht nur thematisiert, sondern auch verkörpert: Der Pavillon ist wunderbarerweise sein eigenes Exponat: das erste Passivhaus in China.

Festivalisierung der Stadtpolitik

Dies ist der Glanz der Oberfläche. Dahinter lässt sich etwas Struturelles erahnen: Jede veranstaltende Stadt klammert sich – allen weltweiten Erfahrungen zum Trotz – unverdrossen an die Hoffnung, mittels Expo viele ihrer Probleme zu lösen. Zumal Großereignisse eine Art Patentlösung zu bieten scheinen, um sonst Unerreichbares zu verwirklichen. Sie helfen, Gelder zu mobilisieren, politischen Druck aufzubauen, Zeitvorgaben einzuhalten, Ressourcen zu bündeln und einen – wie auch immer gearteten – Stadtumbau durchzusetzen.

"Festivalisierung der Stadtpolitik" haben die Soziologen Häußermann/Siebel das einmal treffend genannt. Dafür wurde Shanghai gleichsam umgekrempelt, so wie dies auch Peking anlässlich der Olympiade 2008 erging. Es entstanden ein sechsspuriger Straßentunnel unter dem Bund, der historischen Uferpromenade, und hunderte Kilometer neuer U-Bahnstrecken, um die chronische verstopfte Innenstadt beiderseits des Huangpu zu entlasten. Obgleich stadtstrukturell längst überfällig, erweist sich dies nur als das notwendige Beiwerk für den eigentlichen Festakt. Und da geht es um Inszenierung, nicht um nachhaltigen Urbanismus. Ohne großes Federlesens wurde ein funktionierendes, unweit des Zentrum gelegenes Industrieareal zum Expo-Gelände bestimmt, die sozialen Kosten kompromisslos in Kauf genommen: 18.000 Familien wurden zum Umzug gezwungen. Gemessen daran mag man sich nicht recht freuen, wenn der chinesische Pavillon künftig ein Museum beherbergt oder auf dem – mit 5,3 Quadratkilometern überaus üppigen – Gelände später eine Konzerthalle sowie ein Konferenzzentrum Platz findet.

Rechenschaft darüber, dass große Ereignisse eher für sich selbst stehen, als dass sie Bausteine für eine übergeordnete und langfristig angelegte Stadtentwicklung darstellen, gibt man sich – damals wie heute – eher ungern. Zwar erkoren sich die Organisatoren der EXPO 2010 Shanghai "Better City, Better Life" als Thema. Damit soll dem Wunsch der Menschheit nach einem qualitätvollen und angemessenen Leben in den künftigen Städten Sorge getragen werden. Doch vorerst ist das nicht mehr als eine bloße Deklamation. Denn in erster Linie erweist sich die Expo als politisches Schauspiel. Zwar ist dem ein großes Publikum gewiss. Ob es aber längerfristige und nachhaltige Effekte bringt: Das wird sich erst zeigen, wenn das propagandistische Gedöns sich gelegt hat.