Elterngeld: Werbepause vom Leben

Die Maximalzahlungen des Elterngelds sollen von den Sparplänen verschont werden, heißt es aus dem Familienministerium. Besser wäre es, das Elterngeld, wie es von der Leyen konzipiert hat, ganz abzuschaffen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Dass es Kürzungen beim Elterngeld geben wird, gilt als sicher. Das Erreichen des Sparziels der Regierung könne „nicht ohne Einsparungen beim Elterngeld funktionieren“, kündigte Familienministerin Schröder an. Wo sie kürzen will, steht aber noch nicht fest. Entschieden sei noch nichts, man würde „noch unterschiedliche Modelle durchrechnen“. Doch hat Schröder schon klar gemacht, woran nicht gespart werden soll.

Die Maximalzahlungen für gut verdienende Eltern sollten von Kürzungen ausgenommen werden. Die Höchstleistung von 1800 Euro monatlich, die ein Jahr lang bezahlt werden, müssen unangetastet bleiben. Wer hier rütteln wolle, habe „den Grundgedanken des Elterngeldes nicht verstanden“. Das ursprüngliche Vorhaben, die Vätermonate von zwei auf vier Monate, und damit die auf ein Jahr befristete Elterngeldzahlung auf 16 Monate zu verlängern, ist vom Tisch. Ebenso die Einführung des Teilelterngeldes.

SPD, Grüne und familienpolitische Verbände reagierten erwartungsgemäß mit Kritik. Prophylaktisch und grundsätzlich von der SPD: Schröder handele „in vorauseilendem Gehorsam“, sie stelle das Elterngeld zur Disposition. Zugespitzter von den Grünen, die ihr vorwerfen, „sozial unausgewogene Kürzungen“ vornehmen zu wollen. Nach deren Informationen hat Schröder eine Kürzung von Festbeiträgen im Auge. Die würde insbesondere Mindestbezieher treffen, die fast ein Viertel ihrer Leistung verlieren würden, wohingegen Höchstbezieher lediglich mit einer Einsparung von vier Prozent zu rechnen hätten.

Das Zukunftsforum Familie, das auf die Arbeiterwohlfahrt zurückgeht, warnt vor einer Kürzung des Mindestbeitrags, momentan bei 300 Euro, da dies vor allem Mütter mit keinem oder nur geringen Einkommen „in unverhältnismäßiger Weise“ belasten würde. Dass auf die auf die Einführung des geplanten Teilelterngeldes verzichtet würde, sei sehr bedauerlich: „Damit bleiben Paare, die sich Erwerbs- und Erziehungsarbeit zu gleichen Teilen aufteilen wollen, nach wie vor benachteiligt.“

Besser investieren

Man darf gespannt sein, was die Sparklausur der Regierungskoalition am Wochenende hier beschließen wird, erwartet werden kann, dass sie in die falsche Richtung geht. Schröder hat schon klargemacht, dass an der Struktur des Elterngeldes nichts geändert werden soll. Wahrscheinlich wird die an Lobbygruppen orientierte Regierung an diesem Tabu auch nicht rütteln. Doch gibt es gute Gründe dafür, den umgekehrten Weg zu gehen, also nicht unten zu sparen und die Maximalzahlungen beizubehalten, sondern das Elterngeld in der Form, wie es die Vorgängerin im Amt der Familienministerin von der Leyen seit Januar 2007 realisiert hat, gänzlich abzuschaffen.

Die 4,5 Milliarden Euro jährlich, die den weitaus größten Posten im Etat des Familienministeriums ausmachen, könnten besser investiert werden, in kostenlose Betreuung von Kindern in Kindertagesstätten, Kindergärten und Ganztagesschulen, in bessere Ausbildung der Pädagogen, bessere Bezahlung der Erzieher und in andere Modelle, die das garantieren, was für die Erziehung von Kindern am wichtigsten ist. Und das ist nicht mehr Geld, sondern mehr Zeit, um Eltern Aufmerksamkeit für ihre Kinder zu ermöglichen.

Lebensferner Stimulus für jene, die ohnehin keine materiellen Sorgen haben

Ein Jahr bezahlte Vakanz von beruflichen Anforderungen und der damit verbundenen Zeitnot und Hektik, hat sich nicht als der Königweg erwiesen, um hierzulande den Wunsch nach Kindern bedeutend anzuregen. Das zeigen die Statistiken (siehe Negativrekord bei den Geburten) - anders als von der Leyen, die mit Tricks versuchte, dass die unschönen Statistiken dennoch bella figura in ihrem familienpolitischen Sinne machen, agiert Kristina Schröder vorsichtiger. Sie behauptet keinen Zusammenhang zwischen Elterngeld und Zahl der Geburten.

Ein Jahr Aussicht auf abgesicherte Verhältnisse ist zu wenig, und mehr ist mit Elterngeld nicht bezahlbar. Der Anreiz zum Kinder-in-die-Welt-Setzen übers Elterngeld hat eine seltsame Analogie zur Abwrackprämie; zunächst sorgen solche Prämien für Belebung, doch sind das nur kurzzeitige Effekte, Oberflächenpolitik, am grundlegenden Problem verändert sich nichts. Sich ein Jahr vom Beruf-und Geschäftsleben weitgehend unbelästigt um einen Säugling kümmern zu können, den Mehraufwand im Haushalt zu bewältigen, die Umstellung mit dem neuen Mitbewohner hinzubekommen, das Wunder zu genießen, die Bindung an das Baby so liebevoll wie möglich herzustellen und besonders die Väter dabei stärker ins Bonding-Boot zu holen, das ist eine schöne Werbepause vom Leben.

Nicht mehr Geld, mehr Zeit für Kinder!

Das wissen auch die kinderlosen Realisten, die sich überlegen, was nach diesem Jahr auf sie zukommen wird. Viele Jahre, mindestens ein Jahrzehnt, wo Beruf und Kinder zusammengebracht werden müssen, Kinder, die im Heranwachsen stetig anspruchsvoller werden, ganz andere Aufmerksamkeit fordern als Säuglinge, das Zusammensein noch einmal ganz anders herausfordern, anders gefördert werden wollen. Hier könnten Staat und Arbeitgeber tatsächlich unterstützen. Zum einen, wie oben genannt, bei der Betreuung und Ausbildung. Zum anderen die Arbeitgeber mit mehr Flexibilität, mehr Arbeitsplätzen, die sie zur Verfügung stellen, mehr Teilzeitjobs, das würde geregelte Arbeitszeiten ermöglichen, weniger Überstunden, großzügiger gewährte freie Tage für Eltern.

Selbst mit entsprechenden Lohneinbußen könnte ein freier Tag zweiwöchentlich, der für Kinderbetreuung gedacht ist, langfristig sehr viel größere Effekte auf die Bindung zu den Kindern und auf deren Erziehung haben als das Elterngeld in der seit 2007 praktizierten Form. Wohlverstanden die letzten Vorschläge zielen vor allem auf jene Gruppe der ohnehin Bessergestellten ab, die das Elterngeld-Projekt von van der Leyen im Visier hatte und die in den Genuss der höheren Beiträge gelangt sind. Denen, die keine Arbeit haben, oder nur einen Billiglohnjob muss anders geholfen werden, wenn sie Kinder haben, als dies derzeit praktiziert wird. Hartz-4 Empfänger und Einkommensschwache beklagen, dass sie beim Elterngeld in der jetzigen Form benachteiligt sind.

Das Elterngeld macht mit 4,5 Milliarden Euro den größten Posten im Etat des Familienministeriums (6,5 Milliarden Euro) aus. Die neue Familienleistung war in der großen Koalition von Schröders Vorgängerin Ursula von der Leyen (ebenfalls CDU) durchgesetzt worden und 2007 zum ersten Mal gezahlt worden. Das von vielen Experten gelobte Instrument stieß auf große Nachfrage. Anders als ihre Vorgängerin behauptet Schröder keinen Zusammenhang zwischen Elterngeld und Zahl der Geburten.