Proteste gegen Abbruch palästinensischer Häuser

Palästinenser in Ostjerusalem: Wo sie wohnen, bestimmen allein die israelischen Behörden. Siedler drohen mit Gewalt und wollen Sicherheitsdienste anheuern, um "laxer Politik" nachzuhelfen

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Für Anfang Juli ist der Besuch des israelischen Premiers in Washington anberaumt und wie es derzeit aussieht, kommt Netanjahu wieder mit Neuigkeiten, die Obama in Verlegenheit bringen können. Das Thema ist ein alter Streitpunkt zwischen den beiden: die „Siedlungspolitik“ in Ostjerusalem, in die sich die israelische Regierung nicht hineinreden lassen will. Die Jerusalemer Stadtverwaltung hat verfügt, dass 22 Häuser von Palästinenser in Silwan, das vorwiegend von Arabern bewohnt wird, abgerissen werden, um dort ein Tourismuszentrum zu bauen. Laut Al-Jazeera würden infolge weiterer Abriss-und Umbauplänen der Stadtverwaltung 1500 Araber in Ostjerusalem ihr Zuhause verlieren.

Die Angelegenheit hat bereits zu neuen Verstimmungen zwischen den USA und Israel geführt, das amerikanische Außenministerium bezeichnete die Entscheidung als Schritt, der das für Fortschritte in den Friedensverhandlungen nötige Vertrauen unterminiere. Aus dem Büro des UN-Generalsekretärs Ban Ki-Moon kam gestern scharfe Kritik. Das Vorhaben habe keine rechtliche Grundlage, es sei „illegal“, heißt es dort.

Darüberhinaus signalisierten Sprecher des UN-Büros „Beunruhigung“ über den Plan der Stadtverwaltung, die von arabischen Seite, exemplarisch etwa vom bekannten Publizisten Rami Khouri, als „aggressiver Akt“ aufgefasst wird, dem weitere folgen werden: Khouri schreibt von 600 Wohnstätten für „kolonialistische Siedler“, die angeblich geplant sind. Sein Urteil ist klar: Daran zeige sich wieder einmal, dass Israel nicht bereit sei, in entscheidenden Fragen etwas zu verändern.

Die Reaktion einer rechtsgerichteten Siedlergruppe in Ostjerusalem demonstriert deutlich, wieviel Agressivität im ostjerusalemer Spiel ist. Die Siedler drohen damit, private „Sicherheitsfirmen“ anzuheuern, um vier palästinensische Familien aus ihrem Zuhause, ebenfalls in Silwan, zu vertreiben. Weil die offizielle Stellen aus politischen Motiven zu lax vorgehen würde, müsse man hier nachhelfen. Das Beispiel zeigt auch, wie grotesk einäugig und einseitig Besitzanansprüche hergeleitet werden.

So berufen sich die nationalistischen Siedlergruppen in diesem Fall darauf, dass auf dem Boden des Gebäudes, das evakuiert werden soll, im 19. Jahrhundert, weit vor der Staatsgründung Israels, eine Synagoge stand. Die Erben der jemenitisch-jüdischen Gemeinschaft, die diese Synagoge erbauen ließ, erheben nun Ansprüche auf das Gebäude, das auf diesem Grund steht. Seit fünfzig Jahren lebt aber laut Zeitungsbericht die Abu Nab Familie dort, der das Haus nach eigenen Angaben gehört. Wie viel Palästinenser könnten sich im Gegenzug auf Besitzansprüche berufen, die vor der Gründung des israelischen Staates datieren? Und welches Recht wird ihnen zugestanden?

Solche Vorgänge nähren den Argwohn gegenüber der Wohnungs-und Vertreibungspolitik in Ostjerusalem. Selbst Ehud Barak, Verteidigungsminister in der derzeitigen Rechtsauslegerregierung und von keinem Zweifel berührter Verteidiger der gewaltsamen Aktion auf dem türkischen Schiff der Free-Gaza-Flotte, demonstriert in der Siedlungsfrage größeres Unbehagen. Er kritisierte die Jerusalemer Stadtverwaltung für den oben genannten Plan zum Abriss von palästinensischen Wohnungen. Das Unbehangen hat freilich einen einfachen Grund: Barak befand sich zum Zeitpunkt der Kritik auf Reisen in den USA. Weswegen seine Kritik auch nicht so sehr dem Vorhaben als solchem galt, sondern dem ungeschickten Timing und dem Mangel an „Alltagsverstand“, das wohl ein Dejà-Vu auslöste (siehe US-Friedens-Mission im Nahen Osten weiter erfolglos):

They (die Jerusalemer Stadtverwaltung, Einf. d.A.) have shown a lack of common sense and sense of timing – and not for the first time.

Bürgermeister Nir Barkat liefert wiederum eine Bestätigung dafür, wie man politische Ziele verschleiern kann. Der neue Bebauungsplan für Silwan klingt nach den Worten Worten des Bürgermeisters sehr „(alltags)vernünftig“, so dass von dieser Stadtplaung alle Parteien profitieren würden. Damit schaffe man „tausende von Wohnungen im arabischen Sektor schaffen“ und löse zugleich das Problem von hunderten von Bauten, die gegen Vorschriften verstoßen, so Barkat. Die Stadt würde den Bewohnern der 22 „Homes“, der zerstört werden, dabei helfen, in andere Gebiete in Silwan zu ziehen. Zudem würde von 66 Wohnstätten, für die keine Erlaubnis vorliege, nachträglich eine solche erteilt.

Ob das nun israelische oder arabische Wohnstätten sind, wird allerdings nicht erwähnt – folgt man einer al-Jazeera-Reportage ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass eher jüdische Bauten genehmigt werden:

They give building permits to the Jews..They give them everything they need. But the Arabs living here in Jerusalem – they are finished, destroyed. They pay municipal taxes, they pay fines, but they have no rights.

Ebenso wenig ist die Rede davon, ob die arabische Bewohner der Häuser, die man abreissen will, in ein anderes Areal von Silwan ziehen wollen. Ob die von der Stadtverwaltung gewünschte Sanierung von Silwan für die arabischen Bevölkerung irgendwelche Vorteile hat, ist fraglich. Die Annahme, dass hier subtil aggressive Siedlungspolitik betrieben wird, ist überzeugender, insbesondere wenn man sich das Vorgehen bei den Landnahmen in der Westbank vor Augen hält (vgl. dazu auch Eyal Weizman über Israels Architektur der Besatzung http://www.edition-nautilus.de/programm/politik/buch-978-3-89401-605-0.html). Gewiss ist, dass die arabischen Bewohner die abhängige Variable bei dieser Politik ist. Wo sie wohnen, bestimmen allein die israelischen Behörden.