"Familienpolitik à la Pinochet"

Und es wirkt doch, das Elterngeld: Bei den Debatten allemal und, wie eine Studie in Pommern festgestellt hat, bei der Entscheidung "gut ausgebildeter" Eltern für ein Kind

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Was das Elterngeld mit „sozialistischer Familienpolitik à la Pinochet“ zu tun hat, bleibt vorerst Geheimsache der bayerischen Familienministerin Christine Haderthauer von der Christlich-Sozialen Union. Auf nähere Zusammenhänge zwischen der deutschen „Lohnfortzahlung für gut ausgebildete Eltern“ und der Familien-Politik des Putschisten, Diktatoren, Mörders sozialistischer Oppositioneller und politischen Freund des ehemaligen CSU-Vorsitzenden F.J. Strauß, Augusto Pinochet, ging Haderthauer nicht ein.

Mit ihrer Äußerung, wonach die Liberalen konzeptlos herumschlingerten „zwischen Klientelpolitik für Superreiche und sozialistischer Familienpolitik à la Pinochet“, reagierte sie auf Vorschläge von FDP-Politikern, das Elterngeld nur an Personen auszubezahlen, die im Jahr vor der Geburt berufstätig waren. Darüberhinaus hatte die familienpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Miriam Gruß, dafür plädiert, den Maximalbetrag von 1800 Euro auf 1500 Euro zu kürzen. Beide Forderungen hatte Gruß mit einem Plädoyer für ein „selbstbewussteres Auftreten der FDP“ verbunden: "Die FDP ist weder auf Landes- noch auf Bundesebene zuerst Koalitionspartner."

Für Haderthauer war dies anscheinend eine willkommene Einladung, um die Wildsau weiter durchs Gurkentruppenfeld zu treiben. Die Debatte ums Elterngeld, neu entfacht durch das Sparpaket, ist für Distinktionsgewinne und Polemik gut geeignet. Wo es um Familie geht, spielen Kernüberzeugungen eine große Rolle, Ideologen sitzen hier so gerne am Tisch, wie im katholischen Bayern früher die Pfarrer am Mittagstisch der Honoratioren.

Auf dieses Milieu, das der Vergangenheit angehört, konnte die CSU jahrzehntelang zählen. Gehalten haben sich allerdings ein paar katholisch angereicherte konservative Überzeugungen, wie etwa dass sich die Eltern, traditionellerweise die Mutter, besser selbst um ihre Kinder kümmern, wenn sie noch keine fünf Jahre alt sind. Die Diskussion über Krippen wird in manchen bayerischen Bilderbuchorten mit Wertungen geführt, die keinen Zweifel an der Existenz von Teufel und dem Bösen (siehe Pinochet) lassen. Die CSU will ihr konservatives Profil wieder schärfen. Das Eltergeld ist so ein Platz dafür.

Mit 4,5 Milliarden ist es der größte Posten im Haushalt der Familienministerin – es birgt also obendrein einiges Sparpotential. Die Diskussionen darüber, wo man sparen könnte, sind unterlegt mit Fragen, die für Aufregung sorgen, weil sei ans Eingemachte gehen: Welche Kinder will Deutschland haben, welche Eltern will man fördern?

Wo die FDP Einsparmöglichkeiten sieht - "Wir sollten das Elterngeld auf diejenigen konzentrieren, die vorher gearbeitet haben oder wegen einer früheren Geburt ihre Berufstätigkeit unterbrochen haben" -, erkennt die CSU Widersprüche zu Interessen von Teilen ihrer Klientel, die Familie der Berufsausübung voranstellen. Gegenüber der Kritik, die Sparpläne beim Elterngeld würden den Ärmeren schaden, besonders Hartz-IV-Empfängern, die mit der früheren Erziehungsgeldregelung besser gestellt waren, betont man im Lager der Union wie der FDP derzeit, die „Grundidee“ des Elterngeldes, das ncihta sl Sozialleistung gemeint war, sondern als Familienleistung, die gut ausgebildeten Frauen die Entscheidung für ein Kind erleichtern sollte. Zu Anfangs habe man geplant, das Elterngeld nur für höhere Einkommen einzuführen, berichtete die Print-FAZ kürzlich.

Das Elterngeld ist keine Sozialleistung, sondern eine Familienleistung - es geht dabei nicht wie bei anderen staatlichen Leistungen ums Umverteilen, sondern um Lohnersatz für Arbeitnehmer, die sich Zeit für ihre Kinder nehmen wollen. Arbeitslose haben keinen Anspruch auf Lohnersatzleistungen.

Familienministerin Kristina Schröder (CDU)

Indessen bestätigte eine Studie von Forschern der Greifswalder Universität die entsprechende Wirkung des Elterngeldes in Pommern. Der Anteil von Frauen mit Hochschulabschluss, die ihr erstes Kind bekamen, habe sich nach Einführung der Hilfe um 30 Prozent erhöht, so der Chef des Instituts für Community Medicine, Wolfgang Hoffmann.

Die Ergebnisse sind eine Bestätigung für das Elterngeld.

Die stärksten Effekte ermittelte man bei Frauen, deren Haushaltseinkommen bei über 2500 Euro lag. In dieser Gruppe entschieden sich demnach 70 Prozent mehr für ein Kind. In der Gruppe der Frauen mit Arbeitsstelle habe sich der Anteil derer, die sich für ein zweites oder drittes Kind entschieden, um 30 Prozent erhöht.

Auf den Geburtenrückgang, den Gesamtstatistiken nach wie vor verzeichnen, wirke sich das nicht aus „weil der kleinen Gruppe der einkommensstarken Familien die größere Gruppe der einkommensschwächeren gegenübersteht“. Elterngeld sei deshalb aber nicht sozial ungerecht. „Das Elterngeld hat einer Gruppe der Frauen genützt und keiner geschadet“, wird Hoffmann zitiert. Das sehen Vertreter der Familien mit geringem Einkommen, bzw. Hartz-IV-Empfänger nicht so.