Monsantos WINNER-Zauber für Haiti

Der Agrar- und Biotechnikkonzern will Tonnen von Saatgut an das arme Land verschenken, Bauern fürchten Schlimmes und verweigern die Hilfe

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Der Konflikt gehört zu denen, die den Anfang des 21. Jahrhunderts charakterisieren, doch schwingt viel Mittelalter mit, feudale Interessen, Bauernrebellion und Beschwörungen von Himmel und Hölle. Auslöser ist ein Geschenk des Life-Sciences-Unternehmens Monsanto an das hilfsbedürftige Haiti: 475 Tonnen Saatgut im Wert von etwa 4 Millionen Dollar; Hybridsaat für Mais und Gemüse für die Bauern des armen Landes, umsonst.

Geboren wurde die PR-Idee Monsantos auf dem diesjährigen World Economic Forum in Davos, in höheren Sphären also. In der haitianischen Wirklichkeit kam die Spende nicht gut an, es rief 12 000 wütende Bauern zum Protest auf die Straße und spornte einen Wortführer dazu an, von einem "neuen Erdbeben" zu sprechen. Man verbrannte eine symbolische Menge des bereits gelieferten Saatguts, alles wolle man nicht verbrennen, betonte Doudou Pierre Festile, Sprecher der Organisation Mpnkp, denn das würde „die Luft verpesten“. Monsanto sät Unheil, so Argumente (in detaillierter Ausführung hier nachzulesen) der Gegner des „Geschenks“, das man als vergiftet bezeichnet. Der Hybrid-Mais, eine Kreuzung aus zwei Sorten gentechnisch veränderter Monsanto-Sorten, bringe die einheimische Landwirtschaft langfristig in Abhängigkeit zum Großkonzern, er verdränge lokale Sorten und verlange teure Neubestellungen des Saatguts, da die Saatkörner des aus dem Geschenk erwachsenen Mais nicht zum Wiederanbau taugen.

Das Giftige an der geschenkten Saat ist jedoch nicht nur metaphorisch gemeint, sondern ganz konkret. Man fürchtet aber auch tatsächliche gesundheitliche Schäden, die man allein schon bei der Berührung mit ihm riskiere, wie dies von Kritikern des Hybrid-Maises ins Feld geführt wird. Man stützt sich dabei immerhin auf Erkenntnisse der US-Umweltschutzagentur (EPA). Demnach ist ist die geschenkte Hybrid-Mais-Saat mit „Fungizid Maxim XO“ behandelt und die ebenfalls gespendete Tomatensaat Calypso mit „Thiram“:

Thiram gehört zu einer hochgiftigen Klasse von Chemikalien mit der Bezeichnung Ethylenbisdithiocarbamate (EBDC). Die Ergebnisse von Tests mit EBDC an Mäusen und Ratten riefen Bedenken bei der US-Umweltschutzagentur (EPA) hervor, die daraufhin eine Sonderüberprüfung in Auftrag gab. Die EPA bestimmte, dass die mit EBDC behandelten Pflanzen für landwirtschaftliche Arbeiter so gefährlich sind, dass sie beim Umgang mit diesen Pflanzen eine spezielle Schutzkleidung tragen müssen. Nach der Regelung der EPA müssen Pestizide, die Thiram enthalten, ein spezielles Warnetikett enthalten. Die EPA untersagte darüber hinaus die Vermarktung der Chemikalien für viele Produkte für Haus und Garten, weil sie davon ausgeht, dass viele Hobbygärtner nicht die passende Schutzkleidung haben.

Beverly Bell

Wie gefährlich der gentechnisch-veränderte Mais tatsächlich für die Gesundheit ist, ist nicht restlos geklärt; ein Gutachten des Wissenschaftlichen Gremiums für genetisch veränderte Organismen (GVO-Gremium) der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zum Monsanto-Maishybrid 2004 zu dem Ergebnis, dass „keine Einigung hinsichtlich der Evaluierung der Sicherheit des Hybridmais erzielt“ werden konnte.

Dass sich bei der Einschätzung der Risiken Lager bekämpfen, deren Extrempole einerseits Geschäftsleute markieren, Saatgut-Macchiavellis, die auf Monopolmacht feudaler Art aus und rabiate Pflanzenausreisser andrerseits, macht die Wahrheitsfindung über wissenschaftliche Methoden hinaus auch zu einem politischen Problem. Aus der politischen Perspektive zeigt sich wiederum, dass dier PR-Aktion Monsantos durchaus ihre Haken hat, die als Enterhaken eines Konzerns funktionieren können, der es auf die Landwirtschaft in Haiti abgesehen hat.

Da gibt es zum Beispiel die hervorragenden Beziehungen Monsantos zu amerikanischen Organisation USAID, die auch das Saatgut Monsantos über deren Hilfsprogramm WINNER verteilt. Die Macht der USAID in Haiti ist beträchtlich, wie eben auch die Macht der USA auf Haiti groß ist. Manche sprechen sogar davon, dass Bill Clinton der wahre Präsident Haitis sei.

Die USA sorgen mit ihrer Armee für Sicherheit, US-Vertreter arbeiten sehr eng mit Ministerien in Haiti zusammen, um Hilfe zu organisieren – es gibt plausible Indizien für solche Wahrnehmungen. Dass Mosanto in der benachbarten dominikanischen Republik erfolgreich ist, beruhigt die aufgebrachten Gemüter in Haiti nicht. Man wolle „Saat-Souveränität“, fordern Bauernorganisationen.

Praktische Argumente, die von Seiten der USAID zur Untesrtützung der Monsato-Gabe propagiert werden, lauten, dass die Ernte mit dem Mosanto-Hybrid-Samen ertragreicher wird. Allerdings ist das nur ein kurzfristiger Effekt (siehe oben). Der braucht aber auch darüberhinaus ein bestimmtes Düngemittel, dessen Verwendung ebenfalls sehr in der Kritik steht.

Haiti hat in der Vergangenheit schon einmal schlechte Erfahrungen mit Saatgutimporten gemacht:

Unter dem Druck des Internationalen Währungsfonds wurde das zentralamerikanische Land 1995 gezwungen, die Importzölle für Reis von 35 Prozent auf nur 3 Prozent zu senken. Als Ergebnis stieg der Reisimport in neun Jahren um 150 Prozent. Heute kommen drei von vier Portionen Reis, die in Haiti gegessen werden, aus den USA. Die rund 50 000 einheimischen Reisbauern und -bäuerinnen sind die grossen VerliererInnen

Marina Mai, WOZ