Schleifung der Überkapazitäten

Interview mit Robert Kurz über die globale Wirtschaftskrise, die Krise der Staatsfinanzen und Gefahren von Deflation und Inflation - Teil 1

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Der Krisentheoretiker Robert Kurz hat bereits mit seinem 1991 publizierten Buch "Der Kollaps der Modernisierung" den Kapitalismus als Wirtschaftssystem analysiert, welches aufgrund seiner eigenen Widersprüche, vornehmlich der Verdrängung menschlicher Arbeit durch Wissenschaft und Technik und den damit zunehmenden Schwierigkeiten bei der Erzeugung von Profit, alles andere als die beste aller ökonomischen Welten darstellt. Anders als der überwiegende Teil der Globalisierungskritiker erklärt er aber die aktuelle globale Krise nicht mit den moralischen Verfehlungen einer korrupten Manager- und Politiker-Kaste, sondern deutet sie als Folge der Widerspruchsdynamik eines Systems, das in seinem krisenhaften Verlauf sämtlichen Lebensbereichen seine Funktionslogik aufherrscht.

Herr Kurz, in den letzten drei Jahren hat die Wirtschaftskrise drei Transformationsstadien hervorgebracht: Von der Immobilienkrise zur Finanzkrise, von der Finanzkrise zur Wirtschaftskrise und von der Wirtschaftskrise zur Währungskrise. Inwiefern lassen sich diese drei sich verschärfenden Krisenphasen mit ihrem Konzept der allgemeinen Wirtschaftskrise des Kapitalismus erklären?

Robert Kurz:: Jene drei Transformationsstadien bilden nur die Oberfläche der Erscheinungen ab. Die Immobilienkrise war der Auslöser für eine seit langem schwelende Schulden- und Finanzkrise. Diese hat ihre Ursache nicht in sogenannten spekulativen Exzessen gegenüber einer an sich "gesunden" Normalwirtschaft, sondern umgekehrt: Die Schulden- und Finanzblasen waren eine Folge mangelnder realer Verwertung des Kapitals. Schon immer ist der Kreditüberbau kein äußerer Faktor, sondern integraler Bestandteil der kapitalistischen Warenproduktion und mit dieser verschränkt. In den letzten beiden Jahrzehnten hat sich dieses innere Verhältnis zu einer strukturellen Abhängigkeit der sogenannten Realwirtschaft von den Finanzmärkten gesteigert. Deshalb musste die Finanzkrise zu einem historischen Einbruch der Konjunktur führen.

Mexiko-, Asien-, Russland- und Dot-Com-Krise

Alle Momente jener drei Stadien waren schon in der dichten Abfolge von Krisen seit der ersten Zahlungsunfähigkeit Mexikos 1982 enthalten. Zunächst schien es sich nur um eine Schuldenkrise der Peripherie zu handeln, die aber schon bald die kapitalistischen Zentren erreichte. Anfang der 1990er Jahre platzte die japanische Immobilienblase und der Nikkei-Index schrumpfte auf ein Viertel seines Höchststandes. Von der daraus folgenden Bankenkrise und binnenkonjunkturellen Stagnation hat sich Japan bis heute nicht erholt. Mitte der 1990er Jahre brach die Verschuldung der asiatischen Tigerstaaten in Fremdwährung (Dollar) zusammen und führte zu einer Währungskrise mit einer scharfen Rezession. Ähnliche Erscheinungen waren bei den Finanzkrisen Russlands am Ende der Jelzin-Ära und Argentiniens um die Jahrhundertwende zu beobachten. 2001 platzte weltweit die Dotcom-Blase und die "neuen Märkte" mit ihrer astronomischen Börsenkapitalisierung von Internet-Klitschen verschwanden von der Bildfläche, was eine kurze globale Rezession nach sich zog.

"Größte Immobilienblase aller Zeiten"

Alle diese Krisen hatten eines gemeinsam: Sie waren weltregional oder sektoral beschränkt und schienen deshalb bewältigbar, vor allem durch eine Niedrig- oder Nullzinspolitik der Notenbanken, für die Japan das Muster geliefert hatte. Diese Geldschwemme der Notenbanken, insbesondere der US-amerikanischen Fed, brachte nicht nur die größte Immobilienblase aller Zeiten hervor, sondern nährte damit auch eine ungeahnte Defizitkonjunktur, die sich vor allem im pazifischen Defizitkreislauf zwischen den USA und China niederschlug und für einige Jahre die Weltwirtschaft mitnehmen konnte. Noch im Frühsommer 2008 wurde der Boom von den Wirtschaftsinstituten auf Jahrzehnte hinaus hochgerechnet, obwohl allen die "Ungleichgewichte" der pazifischen Export-Einbahnstraße bewusst waren. Aber das Problem wurde heruntergespielt und nicht mehr ernst genommen angesichts der scheinbaren Faktizität eines "finanzgetriebenen Wachstums".

"Globale Kettenreaktion"

Der Bankrott von Lehman Brothers im Herbst 2008 brachte es an den Tag, dass die globalisierte Finanzblasen-Ökonomie in Wirklichkeit restlos ausgereizt war. Die davon ausgelöste globale Kettenreaktion erfasste nicht nur alle Zentren gleichzeitig, sondern auch die letzten Winkel des Weltsystems von Island bis Kasachstan. Der globalen Defizitkonjunktur ging der Sprit aus. Dieser Einbruch war mit einer zusätzlichen Geldschwemme der Notenbanken nicht mehr bewältigbar. Überall musste der Staatskredit in einer Dimension einspringen, die selbst die früheren Kriegswirtschaften übertraf. Die Rettungspakete für das Bankensystem haben die Bilanzen nicht saniert, sondern nur vorläufig über Wasser gehalten. Zusätzliche staatliche Konjunkturprogramme in derselben Größenordnung konnten den totalen Absturz zwar auffangen, aber das Problem wurde nur von den Finanzblasen auf die Staatsfinanzen verlagert.

"Allgemeine Krise der Staatsfinanzen"

Die Konsequenzen machten sich zuerst am drohenden Staatsbankrott Griechenlands und einer damit verbundenen Krise der europäischen Währungsunion geltend. Griechenland bildet das schwächste Kettenglied in der Euro-Zone und diese das schwächste Kettenglied im Weltwährungssystem, weil der Euro auf völlig disparate nationale Produktivitätsniveaus mit unterschiedlicher Kapitalstärke als Kunstwährung aufgesetzt wurde und nur tauglich für die einseitigen Exportströme der Defizitkonjunktur war. Diese Währungskrise hat aber eine andere Qualität als die früheren; sie ist der Vorbote für eine allgemeine Krise der Staatsfinanzen, die nicht nur die zentralen EU-Staaten wie die BRD, Frankreich und Großbritannien erfassen wird, sondern auch die USA und China. Gegenwärtig möchte man sich damit trösten, dass die Rettungspakete das "Vertrauen" in das marode Finanzsystem wieder herstellen bzw. die Berge an faulen Krediten wieder in handelbare Papiere zurückverwandeln würden, während die immensen Konjunkturprogramme den "Anschub" für eine neue selbsttragende Weltkonjunktur abgeben sollen. Dieser Entwarnungsdiskurs, der an der Oberfläche der Erscheinungen klebt und sich von Quartal zu Quartal hangelt, hat aber die Rechnung ohne den Wirt der zugrunde liegenden kapitalistischen Systemgesetzlichkeit gemacht. Der seit 2008 ablaufende Krisenprozess bildet nicht nur die globale Kulmination der partiellen Krisenerscheinungen in den letzten drei Jahrzehnten, sondern er unterscheidet sich auch von allen früheren konjunkturellen oder strukturellen Krisen.

"Innerer Selbstwiderspruch der Kapitalverwertung"

Reif geworden ist damit ein säkularer innerer Selbstwiderspruch der Kapitalverwertung, der sich in zwei Stufen darstellen lässt. Zunächst hat die von der Konkurrenz erzwungene Produktivkraftentwicklung dazu geführt, dass der Anteil des Sachkapitals (Maschinen usw.) im Zuge der Verwissenschaftlichung der Produktion gegenüber dem Anteil der Arbeitskraft immer größer wurde. Um auch nur eine einzige kapitalproduktive Arbeitskraft anwenden zu können, musste ein stets wachsendes Sachaggregat mobilisiert werden (steigende Kapitalintensität). Damit wuchsen die toten Vorauskosten für die Kapitalverwertung in einem Maße an, dass sie immer weniger aus den laufenden Gewinnen finanziert werden konnten (Maschinen übertragen nur früher produzierten Wert und schaffen keinen Neuwert). Die Folge war eine historische Expansion des Kreditsystems auf allen Ebenen (Unternehmen, Staat, private Haushalte). Um aktuellen Mehrwert produzieren zu können, musste in stetig wachsendem Ausmaß auf zukünftigen Mehrwert in Form des Kredits vorgegriffen werden. Dieser Widerspruch war aushaltbar, solange die Kredite aus laufender realer Mehrwertproduktion bedient werden konnten.

"Dritte industrielle Revolution"

Mit der dritten industriellen Revolution der Mikroelektronik seit Ende der 1970er Jahre erlosch jedoch dieser Kompensationsmechanismus; die realen Mehrwert produzierende Arbeitskraft wurde in neuer historischer Dimension sukzessive wegrationalisiert. Damit drohten die immer weiter in die Zukunft vorgreifenden Kreditketten zu reißen und rissen auch tatsächlich an immer mehr Stellen. Es ist kein Zufall, dass der Einsatz der dritten industriellen Revolution mit dem Beginn jener Serie von Finanz-, Wirtschafts- und Währungskrisen zusammenfällt, die heute ihre Kulmination erleben.

"Faul gewordener Kreditüberbau und Finanzblasen"

Die sogenannte neoliberale Revolution war kein subjektives politisches Projekt, sondern eine Flucht nach vorn angesichts des objektiven Problems mangelnder realer Mehrwertproduktion. Was jetzt blauäugig als historischer Fehler ausgegeben wird, nämlich die umfassende Deregulierung der Finanzmärkte, war in Wirklichkeit die einzig mögliche Art und Weise, den Kollaps des Weltsystems hinauszuschieben. Die Kapitalverwertung virtualisierte sich in Gestalt eines nicht mehr von realer Wertsubstanz einholbaren "fiktiven Kapitals"; die Verschuldungs-Ökonomie mutierte zu einer Finanzblasen-Ökonomie (Aktien und Immobilien) mit immer abenteuerlicheren Derivaten. Dieser Zusammenhang entwickelte sich über mehr als zwei Jahrzehnte zu einer in der kapitalistischen Geschichte beispiellosen defizitären Realwirtschaft. Die Defizitkonjunktur ist deshalb so zu nennen, weil die Scheinverwertung nicht wie bei früheren kurzzeitigen Blasenbildungen im Finanzhimmel verblieb, sondern als substanzlose Kaufkraft für Konsum der Mittelschichten (bei fallenden Reallöhnen) ebenso wie für Investitionen in die selber nach kapitalistischen Kriterien irreal werdende Realwirtschaft eingespeist wurde und die globale Konjunktur befeuerte. Die Millionen von scheinbar realen Arbeitsplätzen in den einseitig ausgerichteten Exportindustrien sind eine optische Täuschung, weil der Absatz ihrer Produkte nicht auf realen Gewinnen und Löhnen beruht, sondern auf der Einspeisung aus dem faul gewordenen Kreditüberbau und aus den Finanzblasen.

"Verlagerung des Problems auf den Staatskredit"

Schon die Geldschwemme der Notenbanken, die den Bruch mit der monetaristischen Doktrin des Neoliberalismus (Begrenzung der Geldmenge) vollzog, war eine verzweifelte Notmaßnahme. Die jüngste Verlagerung des Problems auf den Staatskredit löst das Problem erst recht nicht, sondern schiebt es nur bis zum erwartbaren neuerlichen Einbruch hinaus. Nirgendwo sind neue reale Verwertungspotentiale in Sicht, für die staatliche Konjunkturprogramme einen "Anschub" bilden könnten. So erweist sich der innere Zusammenhang von Finanz-, Wirtschafts- und Währungskrise als historische innere Schranke des Kapitals auf der Höhe der von ihm selbst erzeugten Produktivkraftentwicklung und Verwissenschaftlichung der Reproduktion. Der erreichte Grad der negativen (auf Wert und Konkurrenz beruhenden) Vergesellschaftung lässt sich nicht mehr in die kapitalistischen Kategorien einbannen.

Wie hoch sind nun ihrer Schätzung nach die Gefahren einer Inflation oder Deflation?

Robert Kurz:: Inflation und Deflation sind nur zwei verschiedene Formen der Entwertung von Aggregatzuständen des Kapitals. Strukturelle Massenarbeitslosigkeit, Prekarisierung und Billiglohn im Weltmaßstab als Folge der dritten industriellen Revolution brachten bereits eine deflationäre Entwertung der Ware Arbeitskraft, also des nach Marx "variablen" (allein Neuwert produzierenden) Kapitalbestandteils. Die Kehrseite war die Finanzblasen-Ökonomie, der Aufbau von substanzlosen und damit fiktiven Ansprüchen bzw. Guthaben als Vermögensinflation (asset inflation). Weil die globale Verkettung dieser Vermögensinflation sich über viele Währungsräume erstreckte, konnte sie sich längere Zeit halten, ohne in eine große Entwertung des Geldmediums selbst umzuschlagen. Das war allerdings im Endstadium der letzten Defizitkonjunktur absehbar, als die Inflationsraten in vielen Schwellenländern, auch in China, auf 20 Prozent zusteuerten und in den USA für Ende 2008 eine Rate von 6 bis 10 Prozent erwartet wurde. Im Grunde hätte die Kreation von substanzloser Kaufkraft durch die Finanzblasen trotz ihrer komplexen globalen Vermittlungswege letzten Endes zu demselben inflationären Resultat geführt wie das klassische Anwerfen der Notenpresse.

" Vermögensinflation schlug nicht in Geldinflation um, sondern in Vermögensdeflation"

Dieses Szenario erledigte sich jedoch, als der Crash der Finanzmärkte auf einen Schlag Billionen von Dollars und Euros fiktiver Vermögenswerte verbrannte oder in Form von eigentlich wertlosen, aber mittels Staatsbürgschaften besicherten toxischen Papieren in den Banktresoren zurückließ, die bilanztechnisch ausgelagert wurden. Die Vermögensinflation schlug also nicht in eine Geldinflation um, sondern in eine Vermögensdeflation. Nachdem auf diese Weise der bisherige Mechanismus der Defizitkonjunktur abrupt zum Stehen gekommen war, hätte ein ebenso rapider Abbau der globalen Überkapazitäten in der Produktion (vor allem der Autoindustrie) folgen müssen, die nur aufgrund des Zustroms fiktiver Kaufkraft aus den Schulden- und Finanzblasen hatten aufgebaut werden können; also eine um sich greifende Entwertung von Sachkapital in den Fabriken (Produktionsmittel) und Warenkapital auf dem Markt (unverkäuflich werdende Waren), verbundenen mit einem weiteren Schub der Entwertung von Arbeitskraft (Massenentlassungen). Bis heute läuft zwar eine globale Pleitewelle, aber die Deflation von Sach- und Warenkapital konnte vorläufig abgebremst werden durch die kreditfinanzierten gigantischen Staatsprogramme. Sowohl im Finanzsektor als auch im Produktionssektor wurde also gegen die heiß geliebten Marktgesetze die berühmte "Marktbereinigung" verhindert, weil mangels neuer realer Verwertungspotentiale nach dieser "Bereinigung" nur noch eine ökonomische Wüste zurückbleiben würde.

Unternehmen werden durch künstliche Beatmung am Leben erhalten"

Die Schleifung der Überkapazitäten ist damit aber nur aufgeschoben; sie wird in absehbarer Zeit durch die Krise der Staatsfinanzen exekutiert. Alle Konjunkturprogramme und Beihilfen sind letztlich unproduktiver Staatskonsum, auch wenn damit vordergründig Unternehmen durch künstliche Beatmung am Leben erhalten werden. Der Staat müsste die Kredite für diesen Konsum aus der Abschöpfung (Besteuerung) der Gewinne und Löhne aus realer Mehrwertproduktion bedienen. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz, denn das ganze Manöver ist ja nur nötig, weil letztere nicht mehr in ausreichendem Umfang stattfindet. Ultima ratio in solch auswegloser Situation ist eben das Anwerfen der Notenpresse, wie man es aus den Kriegswirtschaften kennt; jetzt aber zwecks künstlicher Lebensverlängerung der kapitalistischen Produktionsweise als solcher.

"Weichen gestellt für den Aufbau eines gewaltigen Inflationspotentials"

Die Notenbanken haben bereits etliche Sicherheitsventile gekappt, indem sie teilweise gegen ihre eigenen Vorschriften toxische Papiere von den Banken als "Sicherheiten" akzeptieren oder potentiell wertlose Staatsanleihen von Kandidaten für den Staatsbankrott aufkaufen (EZB). Einerseits sind so die Weichen gestellt für den Aufbau eines gewaltigen Inflationspotentials, das heißt der Entwertung des kapitalistischen Selbstzweck-Mediums Geld, von dem alle Aggregatzustände des Kapitals ausgehen und in das sie wieder zurückverwandelt werden müssen. Da die Geldschwemme der staatlichen Rettungspakete und Konjunkturprogramme (im Unterschied zur Geldschwemme der Notenbanken für die transnationalen Finanzmärkte) direkt in die jeweiligen Währungsräume eingespeist wird, ist die Inkubationszeit für die Realisierung des inflationären Potentials viel kürzer als im Fall der transnationalen Finanzblasen-Ökonomie. Andererseits schreckt man eben deswegen davor zurück, die Notenpresse weiter anzuheizen. Die aktuelle relative Stabilisierung auf niedrigerem Niveau als in Zeiten der boomenden Defizitkonjunktur wird aber allein von den Staatsprogrammen getragen; angesichts der realen Verwertungslage müsste der Staat dauerhaft die Konjunktur subventionieren, und das ginge nur über die Notenpresse. Deshalb konterkarieren die Sparprogramme die Rettungsmaßnahmen.

Dieses Dilemma wird seine Verlaufsform nehmen. Das Hü und Hott von sich wechselseitig ausschließenden Maßnahmen kann nicht dazu führen, dass sich Deflation und Inflation einfach aufheben und in Wohlgefallen auflösen. Da es sich bei Inflation (in Bezug auf Geld als solches) und Deflation (in Bezug auf Arbeitskraft, Geldvermögen, Sachkapital und Warenkapital) nur um verschiedene Formen der Entwertung von Elementen der kapitalistischen Reproduktion handelt, können sie im Prinzip auch gleichzeitig auftreten. Das wird umso mehr der Fall sein, wenn die Geld- und Wirtschaftspolitik von der Not getrieben zwischen gegensätzlichen Optionen hin- und herschwankt. Schon Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre gab es als erste Folge der mangelnden realen Verwertung eine Gleichzeitigkeit von deflationärer Stagnation und steigender Inflation (Stagflation). Das war ja gerade der Anlass für die neoliberale Revolution gewesen, die aber mittels jener deregulierten Finanzblasen-Ökonomie nur einen historischen Aufschub bewirkte. Jetzt kehrt das damalige Problem auf einer weitaus höheren Stufenleiter der inneren Widersprüche zurück. Möglich sind daher sowohl ein deflationärer oder inflationärer Schock, wenn eine der gegensätzlichen Optionen voll gefahren wird, als auch eine Periode der Stagflation mit wesentlich heftigeren Ausschlägen als vor 30 Jahren, wenn beide Optionen sich mit einander ausschließenden Maßnahmen in rascher Folge ablösen.

Morgen folgt Teil 2 des Interviews mit Robert Kurz über die Finanzkrise der EU, wirtschaftspolitische Differenzen und dem Defizitkreislauf zwischen China und den USA