Millionen toter Fische an der Golfküste

Neues Fotomaterial zeigt bislang wenig bekannte Folgen der Ölpest im Golf. Zugleich wird deutlich, wie wenig sich das Management großer Konzerne, nicht nur bei BP, um das Risiko von Umweltschäden kümmert

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Der neue Aufsatz wurde erfolgreich auf das Bohrloch gesetzt, meldet BP, die Apparatur werde nun getestet Mindestens 6 Stunden würde dies dauern, die Probephase könnte aber auch auf 48 Stunden ausgedehnt werden. Zwar gebe es Hoffnung darauf, dass während des Tests kein Öl mehr ins Meer austritt, das könne aber nicht als Hinweis darauf gewertet werden, dass der Ölstrom dauerhaft gestoppt sei.

Tatsächlich gab es zwischendurch erste Meldungen in US-Medien, wonach kurzzeitig kein ausströmendes Öl mehr beobachtet wurde. Allerdings gab es später dem widersprechende Beobachtungen von der Austrittstelle.

Der Zwischenerfolg mag die Aktienkurse beinflussen und BP etwas bessere PR bescheren, entscheidend ist nach wie vor, ob es die Entlastungsbohrungen im August schaffen, den Ölaustritt an der Quelle zu stoppen.

Tote Fische an der Küste

Neues Fotomaterial, das hier leider nicht veröffentlich werden kann, zeigt in drastischer Zusammenfassung, was ausgetretene Öl im Golf von Mexiko bereits angerichtet hat. Tote Delphine und Wale mögen Interessierte bereits gesehen haben, Meeresoberflächen vor den Stränden und in Hafenbecken, die zum Teil großflächig mit Millionen toter kleinster und kleiner Fische bedeckt sind, gehören bislang noch nicht zum Bildrepertoire, das der Öffentlichkeit die Auswirkungen der gigantischen Vergiftung im Golf von Mexiko vor Augen führt.

Die Dimension des Unglücks und dessen Folgen bleiben gegenwärtig kaum fassbar, weil sie sich auf so vielen Ebenen abspielen. So setzt beispielsweise Naomi Klein, für sie nicht untypisch, am ganz großen Problem an, dem Verhältnis zur Natur und Technik. Ihr Essay „Ein Loch in der Welt“, Mitte Juni im Guardian erschienen und gestern auf deutsch in der Printausgabe der SZ bietet neben grundsätzlichen Überlegungen nicht nur einen Blick auf Symbole (die Amsel mit den roten Flügeln auf einem Halm Sumpfgras, dessen Wurzel vom Öl bedroht ist), die die Zerstörung illustrieren, sondern auch handfestere Beobachtungen und Schlüsse.

Beispielsweise dass die Küste durch die Gefährdung der Sumpfgraswurzeln schrumpfen könnte, dass die Küstenkultur in der Folge ebenso verkümmern würde, weil Fischer nicht nur auf der Suche nach Nahrung sind, sondern einzigartige Kulturen aufgebaut haben, dass der Normalzustand nicht wieder hergestellt werden kann und dass die Küsten künftig Stürmen à la Kathrina stärker ausgesetzt sein werden, weil die Barrieren fehlen.

Der Unwille, aus Fehlern zu lernen

Indessen bestätigen neue Veröffentlichungen ein Grundgedanken Kleins, dass einer Unternehmenskultur, die dem Prinzip des Risikos huldigt, ein neues „Vorsichtsprinzip“ entgegengestellt werden kann. Klein macht dies am Schreibtischslogan von Tony Hayward fest. Dort habe man gelesen: „Was würdest du versuchen, wenn du wüsstest, dass du nicht scheitern könntest?“. Dem stellt sie ein anderes Credo mit einer anderen Forderung entgegen: „Wenn Handeln Bedrohungen oder Schaden für die Umwelt oder die menschliche Gesundheit mit sich bringt, sollten wir vorsichtig auftreten. So als wäre Versagen möglich, ja wahrscheinlich.“

Geht es nach Recherchen der New York Times, so hat BP bereits in der Vergangenheit „zu viele Risiken und Einsparungen an falscher Stelle“ praktiziert und daraus keine Lehren gezogen. Als Quellen für einen ganzen „Katalog an Krisen und Beinaheunglücke“ in den vergangenen Jahren nennt der Zeitungsbericht Analysten, Mitbewerber und frühere Angestellte. Es zeige sich, dass BP entweder „chronisch unfähig oder nicht willens“ war aus diesen Fehlern zu lernen.

Umweltschutz vernachlässigbar

Beinahe nahtlos fügt sich hier die Kritik des UN-Umweltchefs Achim Steiner an. Steiner sieht nicht nur bei BP schwere Versäumnisse, was den Blick auf Risiken für die Umwelt betrifft. In einem Interview schätzt er, dass allein die „3 000 wichtigsten Unternehmen Umweltschäden von jährlich knapp zwei Billionen Euro verursachen“.

Die Auffassung, die der damals verantwortliche BP-Chef Tony Hayward zu Anfang der Ölpest geäußert hatte, wonach die Menge des Öls und der Chemikalien winzig im Vergleich mit der totalen Menge an Meereswasser und der Golf von Mexiko ein sehr grosses Meer sei, spiegelt sich nach Aussagen Steiners in einer unter Konzernentscheidern weit verbreiteten Auffassung, dass natürliche Ressourcen „unerschöpflich“ sind. Nur zwei der 100 größten Unternehmen würden den Erhalt der Ökosysteme als strategisches Ziel verfolgen - und nur jeder vierte von 1100 „internationalen Top-Managern“ fürchte, dass Artensterben und der Verlust ganzer Ökosysteme das eigene Geschäft beeinträchtigen könne:

Dass sich das Unternehmensmanagement dieses Einstellung leisten kann, liegt nach den Worten Steiners an „mangelnden Folgen für die Bilanz der Unternehmen“. Die Nutzung des Ökosystems habe in vielen Bereichen keinen Marktpreis, zitiert ihn die SZ:

Kosten für Umweltschäden tragen Versicherer, die Bevölkerung und Steuerzahler.