Polizeigewalt lohnt sich

Forscher zeigen, wie bei der Entwicklung menschlicher Kooperation eine Art Polizei entstehen kann

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Im Garten Eden mussten die bekanntermaßen wenigen Anwesenden noch nicht zusammenarbeiten: Von allen verfügbaren Gemeingütern waren genügend große Vorräte vorhanden. Nur die Frucht der Erkenntnis, je nach Ikonografie Apfel oder Feige, scheint in beschränkter Menge gereift zu sein, jedenfalls teilen Adam und Eva das Obst - und prompt folgt die Strafe eines Dritten, gefolgt von Ärger und Streit. Die Vertreibung aus dem Paradies dürfte deshalb in biblischer Sichtweise der Beginn der Kooperation unter Menschen gewesen sein. Diese Sicht muss man nicht teilen - doch auch in materialistischer Weltsicht spielt Strafe eine Rolle, wenn es um die gemeinsame Nutzung öffentlicher Güter durch Individuen geht.

In so genannten Public-Goods-Games konnten Forscher bereits zeigen, dass Strafe sich in der Regel lohnt. Und das, obwohl der Strafende eine gewisse Summe investieren muss, um denjenigen zu disziplinieren, der sich am Gemeingut egoistisch bereichert (siehe Zu strafen lohnt sich). Dadurch verringert sich zwar der Gesamtertrag der Gruppe, doch anderenfalls würden Trittbrettfahrer, die so genannten Freerider, das Gemeingut über kurz oder lang zusammenbrechen lassen. Das ist in der Realität sehr schön zu beobachten, wenn bei realen Public-Goods-Games die Mechanismen für Strafe fehlen. Eine Alternative oder Ergänzung zur Strafe kann dann, wie Wissenschaftler ebenfalls gezeigt haben, die Reputation darstellen.

Allerdings sind auch Situationen mit Strafe nicht unbedingt über lange Zeit stabil. Das Problem sind hier die Trittbrettfahrer der zweiten Ebene. So nennt man einen Freerider, der sich zwar im Spiel an sich brav verhält, aber nie die Kosten einer Bestrafung auf sich nimmt. Der Second-Level-Freerider verbessert mit der Zeit seinen Gewinn - deshalb wird sich dieses Verhalten über kurz oder lang in der Gruppe durchsetzen. Bis der Strafmechanismus irgendwann versagt und das Gemeingut überbeansprucht wird. Die Trittbrettfahrer der zweiten Ebene verstoßen jedoch nie ausdrücklich gegen die Regeln, schon deshalb ist es problematisch, sie in der bekannten Form ebenfalls zu bestrafen. Und selbst, wenn man dies versucht, wird es unweigerlich Third-Level-Freerider geben, die sich an der Bestrafung der Second-Level-Freerider zurückhalten - und die Rekursion lässt sich beliebig fortsetzen.

Dagegen hilft, wie nun ein Mathematikerteam im Wissenschaftsmagazin Nature zeigt, ein simpler Mechanismus, der mit der Bildung einer Art Polizei vergleichbar ist und den die Forscher Pool-Bestrafung nennen: Die Gruppe legt dazu vor dem eigentlichen Spiel ein Straf-Budget zurück. Hier ist sofort erkennbar, wenn ein Individuum sich nicht an der Bestrafung beteiligen will - der Mensch kann dann aus dem Polizei-Budget ebenfalls bestraft werden. Die Forscher zeigen, dass sich das Public-Goods-Spiel auf diese Weise wesentlich länger stabil halten lässt. Der Ertrag pro Runde liegt zwar niedriger als bei einem Spiel mit Strafe, aber auf lange Sicht ist die Gruppe mit Polizeigewalt erfolgreicher als eine Kontrollgruppe mit gewöhnlichem Strafmechanismus.

Die Wissenschaftler vermuten, dass auf diese Weise tatsächlich die Polizei in die menschliche Gesellschaft gekommen sein könnte - in frühen Gesellschaften etwa in Form eines Regel- oder Gesetzeshüters, der für seine Tätigkeit bezahlt wurde. Zu ihrer Entstehung bedarf es keiner Anordnung von oben, sie ergibt sich, ökonomisch gesehen, im Laufe der Evolution des Public-Goods-Spiels und aus dem sozialen Lernverhalten seiner Teilnehmer.