Wann kommen die Kampfroboter?

Die Frage ist nicht so wichtig, glaubt die Bundeswehr. Ganz schön naiv

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Es ist Zeit, an einen fast vergessenen Film zu erinnern. Denn die Realität setzt unübersehbar dazu an, ihn zu überholen. „Colossus: The Forbin Projekt“ entstand nach einem Roman von Dennis Feltham Jones und kam 1970 in die Kinos. Die Geschichte mag nach heutigen Maßstäben eher nüchtern erzählt sein und hinterlässt visuell keinen starken Eindruck. Aber das Szenario der Machtübernahme durch Computer spielt der Film so konsequent und unerbittlich durch wie kein anderer. Wir werden verlieren, lautet die bedrückende Erkenntnis, die dem Zuschauer ohne die leiseste Andeutung eines Happy Ends zugemutet wird. Künstliche Intelligenz wird die Macht übernehmen. Der entscheidende Fehler: Wir haben ihr unsere Waffen anvertraut.

„Wir hängen das nicht an die große Glocke“, kommentierte Virginia Young kürzlich bei der Eröffnung der [International Micro Air Vehicle Conference and Flight Competition (IMAV 2010) Meldungen, dass die US Air Force bereits mehr Piloten für unbemannte Systeme ausbilde als für bemannte Flugzeuge. Aber die Forschungsdirektorin des Aviation and Missile Research, Development, and Engineering Center (AMRDEC) der US Army in Huntsville, Alabama, machte kein Geheimnis daraus, dass die Umstellung der Kriegführung auf Roboter für die Amerikaner sehr hohe Priorität hat. In ihrem Vortrag fehlten auch die Worte „weaponization“ und „lethality“ nicht.

MQ-9 Reaper. Bild: U.S. Air Force

Für den Anfang genügte es, fliegende Roboter mit knapp 50 Kilo schweren Hellfire-Raketen auszurüsten. Inzwischen können Drohnen wie die MQ-9 Reaper weit über eine Tonne Waffen tragen. Militärvertreter werden nicht müde zu betonen, dass der Einsatz dieser Waffen nur von Menschen ausgelöst wird. Doch das wird nicht so bleiben.

Es wird nicht an die große Glocke gehängt, aber es ist auch kein Geheimnis: Innerhalb von 25 Jahren könnte es bewaffnete Roboter geben, die autonom entscheiden, wann sie feuern. Das behauptet nicht irgendein Wissenschaftler, der sich möglicherweise wichtig machen will. Es steht in offiziellen Dokumenten des US-Verteidigungsministeriums.

So geht die Unmanned Systems Integrated Roadmap davon aus, dass luftkampffähige unbemannte Flugsysteme (Air-to-Air UAS), ab 2025 entwickelt werden könnten. Ab 2033 könnten die ersten Roboterluftkämpfer einsatzbereit sein. Menschlichen Piloten wären sie haushoch überlegen:

UAS [Unmanned Aerial Systems] can fly into areas the US does not have aerial dominance and engage in air-to-air combat defeating enemy fighters with greater maneuverability and at higher performance levels than a “manned” aircraft.

Roadmap

Etwas weiter unten findet sich eine Präzisierung, was „greater maneuverability“ bedeutet. Demnach sollen unbemannte Flugzeuge um das Jahr 2015 herum Manöver fliegen können, bei denen Beschleunigungskräfte bis zum Neunfachen der Erdschwerkraft (9 G) auftreten. Das entspricht ungefähr den Belastungen, die Kampfpiloten gerade noch verkraften. Bis 2034 dürften die Roboterkrieger ihre menschlichen Lehrmeister aber weit hinter sich gelassen haben: Dann erwartet die Roadmap von den unbemannten Fliegern Manöver mit Belastungen bis zu 40 G. (S. 30)

Bei solchen Szenarien sind menschliche Piloten nicht nur körperlich hoffnungslos überfordert. Fernsteuerung ist dann ebenfalls nicht mehr möglich: Ein Operator am Boden könnte über eine womöglich mehrere tausend Kilometer weite Funkverbindung nicht schnell genug reagieren. Die Unmanned Aircraft Systems Roadmap 2005-2030 stellt unmissverständlich fest, dass eine Steigerung der Kampfkraft wegen der großen Zahl von Entscheidungen, die in kurzer Zeit getroffen werden müssen, größere Autonomie verlangt.

The second family of missions (...) for future UA [Unmanned Aircraft] employs them in weapon delivery roles, graduating from electronic warfare to air-to-ground to air-to-air in complexity. (...) Progress in the weapon delivery direction for UA, because of the large number of decisions in a short span inherent in these missions, hinges on development of increasing levels of autonomy.

Roadmap 2005-2030

In diesem vor fünf Jahren verfassten Dokument wird die Luftkampffähigkeit unbemannter Systeme noch um das Jahr 2025 erwartet. Die aktuellere „Unmanned Systems Integrated Roadmap“ hat den Zeitrahmen um fünf bis zehn Jahre nach hinten verschoben. Aber die Frage des Zeitpunkts ist zweitrangig. Es wird passieren, früher oder später: Wir werden autonome Roboter bewaffnen.

In der Realität wird der Point of no Return nicht so klar erkennbar sein wie in „Colossus“, wo dem Computer aus Gründen der Dramaturgie gleich das gesamte Kernwaffenarsenal anvertraut wird. Aber es wäre grob fahrlässig, davon auszugehen, dass es einen solchen Zeitpunkt, von dem ab die Entwicklung nicht mehr zu stoppen ist, nicht gibt. Rüstungsplaner mögen es ehrlich meinen, wenn sie erklären, autonomes Feuern nicht zulassen zu wollen. Nur werden sie bei der derzeitigen Logik und Dynamik der technologischen Entwicklung bald keine andere Wahl mehr haben.

Lässt sich die Entwicklung noch aufhalten? Wissenschaftler aus Großbritannien, Australien, Deutschland und den USA wollen es versuchen und haben das International Committee for Robot Arms Control ins Leben gerufen, das eine breite internationale Diskussion über Militärroboter und Vereinbarungen zur Rüstungskontrolle einfordert.

Die Bundeswehr dagegen eiert um das Thema herum. Die „Wirkfunktion“ (damit ist der Waffeneinsatz gemeint) wird dort bewusst ausgeblendet, um das neue „Betrachtungsfeld Robotik“ zu schützen. Die Empfehlung an das Führungspersonal lautet, auf aktuelle Presseberichte (Roboterkrieg, Stell Dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin, Die Automatisierung des Krieges) erst einmal nicht zu reagieren.

Ein guter Rat. Die Generäle sollten sich nicht unvorbereitet öffentlich äußern, sondern sich vorher noch einmal „Colossus“ ansehen und den legendären Schlussdialog über die Liebe zu Computern auf sich wirken lassen. Zur Entspannung gibt es danach „Terminator“. Aber dann führt kein Weg mehr daran vorbei: Wir müssen über die Roboter reden.