Stierkampfverbot in Katalonien auf der Zielgeraden

Am Mittwoch wird das katalanische Regionalparlament über das Verbot der Tierquälerei entscheiden

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Alles spricht dafür, dass das katalanische "Parlament" am Mittwoch die Stierkämpfe in Katalonien verbieten wird. Dann hätte das "Monumental", die letzte Arena in Barcelona und Katalonien, am Sonntag wohl zum letzten Mal die tödliche Hatz gefeiert, die viele Spanier als "Kunst" bezeichnen. Erneut gaben sich Gegner und Befürworter mit Protesten vor und in der "Plaza de Toros" ein Stelldichein, bei dem Tierschützer das öffentliche Abschlachten der Stiere wieder einmal als "Folter" angeprangert haben. Doch die letzte "Corrida" vor der Abstimmung hat vor allem klar gemacht, dass in Katalonien kaum jemand das blutige Spektakel sehen will.

Nicht nur in Katalanien ist man für das Stierkampfverbot. Bild: Asociación Nacional Animales con Derechos y Libertad ANADEL

Auch an diesem sonnigen Sommertag waren die Ränge der runden Arena nur zu einem Drittel gefüllt. Dabei hatten die Stierkampffans alle Kräfte mobilisiert, um vor dem drohenden Verbot die Arena bis zum Rand zu füllen. Doch für die Stierhatz gibt es auch in der Millionenstadt mit ihren zahllosen Besuchern kein Publikum mehr. Der Stadtrat von Barcelona hatte schon 2004 eine Resolution verabschiedet, worin der Stierkampf als "grausame Praxis" bezeichnet wird. Die Ablehnung des blutigen Treibens steigt in Katalonien seit vielen Jahren, weshalb Arenen in der Region nach und nach geschlossen wurden.

Der Boden war gut bereitet, als Tierschützer im vergangenen Dezember eine Volksinitiative ins Parlament einbrachten. Sie hatten dafür 180.169 Unterschriften gesammelt, deutlich mehr als die nötigen 50.000. Und bei der Frage, ob die Initiative zur Behandlung angenommen wird, stimmten auch Parlamentarier der katalanischen Sektion der spanischen Sozialisten (PSC) und der konservativen Nationalisten der CiU in der geheimen Abstimmung mit den linksnationalistischen Parteien. Seither wurden beide Seiten gehört, bevor nach der Debatte heute über das Verbot entschieden werden soll.

Die Chancen dafür sind derweil weiter gewachsen. Denn spanische Nationalisten haben die Debatte emotional stark aufgeladen. Als Reaktion auf die Volksinitiative versucht die konservative Volkspartei (PP) in den von ihr regierten Regionen den Stierkampf zum "nationalen Kulturgut" zu erklären und versucht ihr Bild von Spanien im "Toro" von Osborne zu zementieren, der wie die Postfaschisten ebenfalls ein Überbleibsel aus der Franco-Diktatur ist. Esperanza Aguirre, Präsidentin des Regionalparlaments in Madrid, würde die Tierquälerei sogar gerne von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklären lassen, deren erklärter Anhänger auch der von Franco eingesetzte Monarch Juan Carlos ist.

Dass es sich bei dem Gehabe um einen üblichen Reflex in Spanien auf Vorgänge in Katalonien handelt, die sofort als Angriff aus Spanien gewertet werden, lässt sich ganz einfach aufzeigen. Schließlich ist Katalonien nicht die erste "Autonome Region", welche die Stierkämpfe verbieten will. Als sich vor knapp 20 Jahren die Kanarischen Inseln dazu durchgerungen haben, 1991 mit Hahnen- und Hundekämpfen auch die Stierkämpfe zu verbieten, entbrannte diese absurde Debatte nicht.

Katalanisten nutzen die Steilvorlage der PP, um über dieses Thema die wachsende Distanz Kataloniens zu Spanien auszudrücken. Die Beziehungen sind schwer gestört, nachdem das Madrider Verfassungsgericht wesentliche Teile des neuen katalanischen Autonomiestatuts gekippt hat. Während es nach der internationalen Rechtsprechung im Kosovo korrekt war, die Unabhängigkeit einseitig zu erklären, darf sich Katalonien sich nicht mehr als Nation bezeichnen und die katalanische Sprache in der Region nicht vorrangig sein (Drohen zwischen Katalonien und Spanien belgische Zustände?). Etwa 1,5 Millionen Menschen, gut 20 Prozent der Katalanen, ging dagegen vor zwei Wochen auf die Straße. Der Ärger darüber dürfte sich nun auch in dieser Frage im Parlament ausdrücken. Die spanischen Nationalisten der PP und der kleinen Regionalpartei "Ciutadans" nehmen nur 17 der 135 Sitze ein. Zu ihren Stimmen dürften sich einige Stimmen der in dieser Frage gespaltenen PSC und CiU gesellen.

"Nein zu Stierkämpfen", jedes Jahr findet zum Beginn der Festwoche in Donostia- San Sebastian eine Anti-Stierkampfdemonstration statt. Bild: R. Streck

Dabei lehnt inzwischen sogar in ganz Spanien eine Mehrheit die Stierkämpfe ab. In Umfragen sprechen sich gut zwei Drittel der Bevölkerung gegen die Tierquälerei aus. So konnte die Tierschutzorganisation El Refugio nun auch eine Volksinitiative nach katalanischem Vorbild ins Regionalparlament von Madrid einbringen. Ein Erfolg ist für sie, dass es ihr gelungen ist, dass in der Madrider Bastion von Aguirre der Antrag angenommen wurde, für den in drei Monaten 60.208 Unterschriften gesammelt wurden. Davon wurden 51.609 als gültig erklärt, also 1.609 mehr, als für die Initiative nötig waren.

Ob der Initiative angesichts der absoluten Mehrheit der PP in der bevölkerungsreichsten Region Spaniens größere Aussichten auf Erfolg hat, darf bezweifelt werden Doch der Sprecher der Organisation, Nacho Paunero, bezeichnet die Kampagne als großen Erfolg, schließlich sei die Initiative von offizieller Seite mit allen Mitteln behindert worden. Die Organisation fordert die Parlamentarier nun dazu auf, "wenigstens die Debatte im Parlament zu der Frage zuzulassen". Doch das ist angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Regionalparlament unwahrscheinlich, auch wenn eine Mehrheit in dieser Region an dem blutigen Treiben entweder uninteressiert ist oder sich dagegen ausspricht. Ohnehin zeigt die Wirtschaftskrise, dass sich die Stierkämpfe nicht mehr kostendeckend in vielen Regionen abhalten lassen. Mit der Wirtschaftskrise ist die Zahl dieser Spektakel ohnehin schon um 20 Prozent auf etwa 800 im Jahr gesunken, weil viele Kommunen sie nicht mehr subventionieren.