Grenzenloses Vertrauen in Google und Co

Suchmaschinen scheinen die Glaubwürdigkeit von Websites und Informationen zu garantieren, was nicht ganz oben steht, wird kaum mehr wahrgenommen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Es ist doch schön, dass junge Menschen, zumal auch Studenten, die doch im kritischen Denken und Beurteilen von Informationen ausgebildet sein sollten, ein tiefsitzendes Vertrauen zur Welt, in dem Fall: zu Suchmaschinen haben. Nach einer Studie von Kommunikationswissenschaftlern der Northwestern University gehen die meisten Studenten schlicht davon aus, dass sie nicht nur eine Suchmaschine, vor allem Google, benutzen, um etwas zu finden, sie vertrauen auch darauf, dass unter den ersten Ergebnissen, die die Suchmaschine auflistet, auch das Relevante dabei ist.

Google und Co. scheinen die Glaubwürdigkeit und Relevanz der Informationen zu garantieren, ein Hinterfragen der Quelle und des Kontextes, geschweige denn der Suchalgorithmen selbst, scheint sich zu erübrigen. Das ist natürlich hoch brisant, zumal wenn Google zum weltweiten Monopol geworden ist, was zur Folge hat, dass das, was Google nicht findet (und unter den ersten Suchergebnissen auflistet), praktisch nichts existiert. Eine Studentin sagte: "I'd go on Google, that's where everyone goes." Ein Student räumte ein: "I basically do everything on Google."

Die Dominanz von Google lässt sich daran erkennen, dass sich für das Suchen im Web der Begriff googeln weltweit durchgesetzt. Den Begriff verwendeten auch viele der Studenten der Studie. Eszter Hargittai, Professor für Kommunikationswissenschaften und Leiter der Studie, meint, die Studenten gingen einfach davon aus, dass dann, wenn Google etwas zuerst auflistet, dann sei es auch glaubwürdig. Das aber sei schon deswegen irreführend, weil Google eine Website nicht nach Glaubwürdigkeit beurteilt. Das Ranking erweist sich also als sehr wichtig für die Glaubwürdigkeit einer Website, wie sie dann gestaltet ist und welche Inhalte man dort findet, wird schon nebensächlich.

Für die Studie, die im International Journal of Communication erschienen ist, befragten die Wissenschaftler 102 Studenten im ersten Semester unterschiedlicher Fachrichtungen der University of Illinois in Chicago und gaben ihnen Aufgaben. Die Wissenschaftler saßen dabei neben den Studenten, beobachteten ihr Verhalten und fragten gelegentlich nach, während die Studenten erzählen sollten, wie sie ihrer Suche nachgehen. Dass die Studenten in aller Regel Suchmaschinen nutzten, um eine gestellte Aufgabe anzugehen, verwundert nicht, schließlich sind Suchmaschinen die Tore zum Web. Dass aber ein Viertel der Studenten die erste Website anklickte, die von Google aufgelistet wurde, ist schon erstaunlicher, zumal sie sagen, dass sie sich für das erste Ergebnis entscheiden, weil es als erstes aufgeführt wird. Oft werde, so die Studie, die Suchmaschine für glaubwürdiger gehalten, als die Website, die von ihr gefunden wird, die Autoren der gefundenen Information werden oft nicht nachgefragt, die Ergebnisse einfach benutzt:

Researcher: What is this Web site?

Respondent: Oh, I don’t know. The first thing that came up.

Nur 10 Prozent der Studenten machten Bemerkungen zu den Autoren einer Information oder zu deren Glaubwürdigkeit. Nachgeprüft wurde die Glaubwürdigkeit allerdings von keiner Versuchsperson. Gefragt, welche Website sie benutzen, um Nachrichten zu lesen, sagte die Mehrzahl, dass sie eine voreingestellte Startseite in ihrem Browser dafür verwenden, in aller Regel die News von Google oder Yahoo oder die ihres Internetproviders. Meist werden kommerzielle Anbieter aufgesucht, Wikipedia wird hingegen vergleichsweise wenig benutzt, andere Websites nur, wenn es um spezielle Suchen geht, beispielsweise um Fahrpläne oder medizinische Informationen. Allerdings sagen die Studenten, dass eigentlich Informationen auf Websites des Staates oder von Bildungseinrichtungen verlässlicher seien als solche von der Privatwirtschaft. Und manchmal versuchten die Studenten auch, die Information, die sie auf einer Website fanden, durch das Aufrufen einer anderen zu überprüfen.

Ganz entscheidend aber ist, so die Wissenschaftler, dass die Studenten sich anhand von Brands orientieren, die ihnen verlässlich erscheinen, wohl auch, weil sie populär sind. Und was von den Meisten verwendet wird, so sagte ein Student über Google und demonstrierte so die Neigung zur Herdenbildung und -orientierung, müsse doch auch wichtig und damit verlässlich sein. Auch wenn die Studenten alle mit dem Internet groß geworden sind, so seien sie deswegen nicht auch schon "savvy with digital media", wenn es um die Einschätzung der Glaubwürdigkeit von Informationen geht, und bringen Google und Co. mehr Vertrauen entgegen, als vernünftig wäre. Für die kritische Interneterziehung sei es wichtig, so Eszter Hargittai, bestimmte Websites in der Klasse zu präsentieren und darüber diskutieren, warum eine Informationsquelle glaubwürdig ist oder warum sie dies nicht ist.