Wer einsam lebt, stirbt früher

Psychologen haben die Intensität der sozialen Beziehungen mit dem Mortalitätsrisiko verbunden

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Wer möglichst viel mit anderen Menschen, Freunden, der Familie, Arbeitskollegen oder wem auch immer zusammen steckt und die sozialen Beziehungen pflegt, soll nach einer im Open-Access-Journal PLoS Medecin erschienenen Metastudie gute Chancen haben, länger zu leben. Gesellschaftsmuffel, die Einsamkeit schätzen, oder Menschen, die in sozialer Isolation leben, scheinen danach ihr Leben zu verkürzen.

Das Psychologenteam aus den USA analysierte 148 Studien, ausgewählt nach bestimmten Kriterien aus über 11.000 in Frage kommenden, mit mehr als 300.000 Teilnehmern, um zu sehen, wie soziale Beziehungen sich auf das Todesrisiko auswirken. Sie wollen herausbekommen haben, dass Menschen, die viel mit anderen Menschen zu tun haben, eine durchschnittlich 50 Prozent höhere Überlebenschance als einsamer lebende Menschen haben. Allerdings zeigten sich in den einzelnen, teils sehr unterschiedlichen Studien hohe Schwankungen beim Mortalitätsrisko, schon die Frage, was starke soziale Beziehungen auszeichnet, dürfte sich erheblich je nach Erhebung unterscheiden.

Allerdings sollen sich die positiven Auswirkungen von sozialen Beziehungen noch verstärken und eine 91 Prozent höhere Überlebenswahrscheinlichkeit mit sich bringen, wenn man strukturelle und funktionelle soziale Beziehungen zusammen nimmt. Die Wissenschaftler unterscheiden strukturelle und funktionelle soziale Beziehungen. Als strukturell wird die Integration in soziale Netzwerke bezeichnet (verheiratet, Zahl der Kontakte, Engagement in Gruppen, mit anderen lebend, soziale Isolation), also funktionell gelten die Interaktionen, die als hilfreich intendiert betrachtet werden, und die Wahrnehmung eines Menschen, ob er Hilfe oder Unterstützung erwarten kann.

Nach den Psychologen sei die Verbindung zwischen der Intensität der sozialen Beziehungen und dem Mortalitätsrisiko so stark, dass man sie mit anderen Risikofaktoren wie Rauchen, Alkoholkonsum und körperlicher Inaktivität vergleichen an. Einsam zu leben, bringe dasselbe Risiko mit sich, vorzeitig zu sterben, wie wenn man täglich 15 Zigaretten raucht, einen exzessiven Alkoholkonsum pflegt oder sich nicht sportlich betätigt. Und es soll doppelt so gefährlich sein wie Fettleibigkeit. Dieser hohe Todesfaktor von Einsamkeit und sozialer Isolation werden von der Öffentlichkeit und den Gesundheitssystemen nicht wahrgenommen, meinen die Psychologen. Daher könne es sinnvoll sein, soziale Beziehungen zu fördern, um das Mortalitätsrisiko zu senken. Die Bedeutung habe sich auch früher schon einmal gezeigt, als man festgestellt hat, dass die Todesrate bei Kleinkindern etwa in Waisenhäusern hoch ist, wenn sie kaum Kontakt mit Menschen haben.

Allerdings hat die Metastudie bestenfalls Korrelationen festgestellt, Einsamkeit oder soziale Isolation können beispielsweise auch bereits die Folge psychischer und physischer Krankheiten sein, die für einen früheren Tod verantwortlich sind, während sozial aktive Menschen auch eher gesünder sein könnten. Interessant ist auch, dass die Metastudie nicht die Qualität der Beziehungen untersucht hat. Strukturell zumindest scheint es auch nur das längere Leben zu fördern, wenn sozial integriert ist, selbst die Anderen die Hölle sind, wobei allerdings die guten Beziehungen die schlechten überkompensiert haben könnten. Und natürlich wissen wir nicht aus der Studie, ob es nun nur die Beziehungen sind, die im realen Raum stattfinden, oder ob auch virtuelle Beziehungen das Mortalitätsrisiko senken können.