Kommt jetzt die Pipeline von Turkmenistan durch Afghanistan nach Pakistan?

Was schon 1997 geplant wurde und mit als Kriegsgrund gilt, könnte nun trotz wachsender Instabilität mit dem einstigen Unocal-Mitarbeiter Karsai Wirklichkeit werden

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In Afghanistan sind seit 2001 nun mehr als 2.000 ausländische Soldaten gestorben, genauer 2002. Das ist im Vergleich zu früheren Kriegen nicht viel, auch im Irak kamen mehr Soldaten um, allerdings wurde damit eine symbolische Marke überschritten. Gleichzeitig der Oberbefehlshaber der US- und Isaf-Truppen, General David H. Petraeus, vor Ungeduld warnte und erklärte, dass sich der geplante Abzug der Truppen womöglich verzögern könnte.

Abdul Haq Shafaq, der Gouverneur der nordafghanischen Provinz Faryab, die der Bundeswehr unterstellt ist, berichtete am Sonntag dem afghanischen Sender Tolonews, dass die Taliban vermehr ihre Kämpfer aus dem Süden abziehen und in den Norden verlegen würden. Damit wollen sie zeigen, so der Gouverneur, "dass sie überall sind". So würden die Taliban zunehmend mehr Dörfer in den nördlichen Provinzen kontrollieren. Erst kürzlich hätten sie in Faryab sechs Dörfer in ihre Hand bekommen, aus denen die Isaf-Soldaten und die afghanischen Sicherheitskräfte sich zurückgezogen hätten. Der Sender meldet auch, dass die deutschen Soldaten im Oktober eine Offensive starten wollen, um dem Eindruck entgegenzutreten, dass sie Kämpfen mit den Taliban ausweichen würden

Schon vor ein paar Tagen berichtete das Institute for War and Peace Reporting (IWPR), dass die Taliban auch im Osten wieder stärker werden. So hätten mehr als 1000 Militante in der Provinz Herat im letzten Jahr ihre Waffen niedergelegt, weil ihnen Arbeit und Amnestie sowie ihren Kommunen Wiederaufbauhilfe versprochen wurden. Nur Gul, ein Taliban-Führer, hatte sich mit seinen 20 Männern im letzten Oktober von den Militanten losgesagt, ist aber, wie er in einem Telefongespräch IWPR sagte, nun zusammen mit anderen wieder zu den Taliban zurückgekehrt, nachdem fast keine der Versprechungen von der afghanischen Regierung und der internationalen Gemeinschaft eingelöst worden sei.

Vermutlich ist es bezeichnend für die Situation, was Nur Gul beschreibt. Als sie die Waffen niederlegten, erhielten sie vom Wiederaufbauteam des italienischen Militärs vor laufenden Kameras einen Sack Reis, einen Kanister Speiseöl und eine Winterjacke. Das sei beschämend gewesen, weil damit öffentlich im Fernsehen suggeriert würde, sie hätten nur wegen dieser Geschenke die Seiten gewechselt. Auch ein anderer Taliban-Führer ist wieder zum Aufstand zurückgekehrt, nachdem vier seiner Männer vermutlich von Sicherheitskräften der Regierung getötet worden seien. Man habe nicht aufgehört zu kämpfen, um dann verfolgt und bedroht zu werden, sondern damit Frieden einziehe und der Wiederaufbau geschehe.

Dass der Wiederaufbau des Landes nur wenig vorankommt und die Arbeitslosigkeit auch nach 9 Jahren gewaltig ist, während die Korruption der Regierung wächst, lässt das Zutrauen der Menschen sinken und treibt sie zurück auf die Seite der Taliban, Warlords und Regionalfürsten. Die alternativenlose Unterstützung der Karsai-Regierung und die gelegentlichen Offensiven der Isaf-Truppen mitsamt den Killerkommandos der US-Spezialeinheiten werden die Lage in Afghanistan nicht verbessern. Die Neigung zu schnellen militärischen Lösungen, die sich dann über Jahre hinziehen und deren Kosten explosiv steigen, anstatt zu zivilem Wiederaufbau oder neuen Marshall-Plänen, die letztlich billiger kommen und wahrscheinlich eher den Aufständischen den Wind aus den Segeln nehmen würden, herrscht aber ungebrochen weiter in den USA und letztlich auch in den Ländern vor, die sich an den Isaf-Truppen beteiligen.

Wiederkehr der Pipeline-Pläne

Interessant in diesem Zusammenhang ist auch, dass nun anscheinend die Pipeline-Pläne, die nach längeren Verhandlungen mit dem Taliban-Regime 1998 eingestellt wurden, jetzt wieder aufgenommen werden – trotz der hoffnungslos unsicheren Situation. Dass die US-Regierung nach dem 11.9. sofort auf einen Krieg gegen die Taliban und eine Besetzung von Afghanistan aus waren, anstatt das Taliban-Regime massiv unter Druck zu setzen, damit es die Terrorverdächtigen um Bin Laden ausweist, wurde auch auf die interessante geopolitische Lage Afghanistans zwischen den öl- und gasreichen zentralasiatischen Staaten Kasachstan, Aserbaidschan, Turkmenistan und Usbekistan und Pakistan und Indien zurückgeführt. Wegen der angestrebten Energiesicherheit wurde zumindest auch der Krieg gegen den Irak geführt.

Unter der Führung des US-amerikanischen Konzerns Unocal, seit 2005 Chevron einverleibt, wurde 1997 ein Konsortium gebildet, das mit den Taliban über den Bau einer Pipeline von Turkmenistan durch Afghanistan nach Pakistan verhandelte. Die Pipeline hatte den Vorteil, Russland und Iran zu umgehen, was man später mit der Nabucco-Pipeline über Aserbeidschan und Georgien in die Türkei realisieren wollte, allerdings um den Preis, der dann im Krieg zwischen Georgien und Russland mündete (Bleibt "Nabucco" nur eine Oper?). Allerdings kommt das Projekt, trotz der Hilfe des ehemaligen deutschen Außenministers Fischer, nicht voran (Nabucco - die Unvollendete).

Der jetzige afghanische Präsident Karsai war zur Zeit der Verhandlungen als Berater von Unocal tätig. US-Präsident Bush ernannte auch 2002 Zalmay Khalilzad, ebenfalls Unocal-Mitarbeiter, zum amerikanischen Gesandten. Schon kurz nach dem Sturz des Taliban-Regimes wurden 2002 die alten Pipeline-Pläne wieder aus der Schublade geholt (Vom Krieg zum Geschäft). Dass sie nicht weiter verfolgt werden konnten, verdankte sich der wachsenden Instabilität des Landes. Afghanistan wurde ebenso wie der Irak nach der Invasion zum Terrorland, im Irak wurden Pipeline und Öl-anlagen zum beliebten Ziel von Anschlägen. Die US-Regierung hatte darauf gehofft, mit einer schneller Steigerung der Ölproduktion im Irak den Wiederaufbau des Landes und damit die eigene Wirtschaft zu finanzieren, woraus allerdings nichts wurde.

Wie es im Irak weitergeht, bleibt unsicher, da über die Frage, wem die Ölfelder gehören, die Fraktionen streiten, was durchaus weiter zu einem Bürgerkrieg führen könnte, wenn die Amerikaner das Land verlassen haben. In Afghanistan hingegen scheint man nun die alten Pläne wieder aufnehmen zu wollen. Mitarbeiter des afghanischen Industrie- und Bergbauministeriums haben berichtet, dass bei der nächsten gemeinsamen Konferenz von Turkmenistan, Afghanistan, Pakistan und Indien die technische Durchführbarkeit der Pipeline diskutiert und deren Bau dann in der darauf folgenden Konferenz beschlossen würde. Bestätigt werden die Pläne von Turkmenistan.

1.680 km der Pipeline würden durch Afghanistan führen, ein gewagtes Abenteuer. Abenteuerlich erscheint im Augenblick auch, dass die Pipeline in Pakistan bis zur Küste weiter gehen soll. Wie es mit der Stabilität von Pakistan nach der Flutkatastrophe aussieht, steht wohl in den Sternen. Aber man erwartet viel von Pipeline, sollte sie wirklich gebaut werden können. Die afghanische Regierung erwartet jährliche Steuereinnahmen in Milliardenhöhe und dazu Tausende von Arbeitsplätzen.

Interessant mag dabei ein kleines Detail sein. Neil Bush, Bruder des ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush, der den Krieg gegen Afghanistan begonnen hatte, ist Voritzender des Konsortiums von Chevron, das sich Unocal einverleibt hat, ConocoPhillips, Mubadala Development und TX Oil Limited, das vermutlich Ölfelder am Kaspischen Meer ausbeuten darf. Und es ist alles ganz kompliziert. Turkmenistan setzt auf China als Gelder für den Pipelinebau.