Spanien zahlt Lösegeld an Al-Qaida

Ein Gefangener wurde ausgetauscht, Millionen sind vermutlich für die Freilassung von zwei Entwicklungshelfern geflossen

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Neun Monate nach der Entführung durch Al-Qaida in Mauretanien sind nun auch die letzten beiden katalanischen Geiseln freigelassen worden. Zwar bestätigt die spanische Regierung die Zahlung von Lösegeld nicht, doch wird berichtet, dass insgesamt 7 Millionen Euro ausgegeben wurden, wovon 3,8 Millionen an die Entführer geflossen seien. Die "Al-Kaida im islamischen Maghreb" (AQMI) feiert den Erfolg und spricht von einer "Lektion für die politische Klasse in Frankreich". Erst im Juli wurde der Franzose Michel Germaneau von seinen Entführern getötet, nachdem eine militärische Befreiungsaktion gescheitert war.

Man könnte es als Unterstützung einer "terroristischen Bande" werten, wie das in Spanien genannt wird, wenn zur Befreiung von drei katalanischen Entwicklungshelfern auch ein Lösegeld in Millionenhöhe an die Entführer gezahlt wird. Es ist bekannt, dass Madrid auch Lösegelder an somalische Piraten gezahlt hat, obwohl das in Spanien illegal ist. Deshalb wird die Regierung die Lösegeldzahlung nicht zugeben. Sie muss wohl auch keine Ermittlungen des Nationalen Gerichtshofs befürchten. Dieses Sondergericht inhaftiert bisweilen auch baskische Unternehmer, wenn sie zum Beispiel die von der baskischen Untergrundorganisation ETA erpresste "Revolutionssteuer" bezahlen.

Nun wird berichtet, dass ausgerechnet an Al-Qaida ein Lösegeld in einer Höhe von 3,8 Millionen Euro gezahlt wurde, damit die letzten beiden Mitglieder der katalanischen Hilfsorganisation Barcelona-Acció Solidària freigelassen werden. Das ist nicht unproblematisch. Denn ausgerechnet Al-Kaida zeichnete für das Massaker verantwortlich, dass im März 2004 in Madrid 191 Todesopfer forderte, als Vorortzüge in Madrid in die Luft gejagt wurden. Letztlich brachten diese Anschläge den Sozialdemokraten (PSOE) den unerwarteten Wahlsieg, weil die konservative Volkspartei (PP) die Anschläge zum Ende des Wahlkampfs unbedingt der ETA in die Schuhe schieben wollte (Lügen haben kurze Beine, auch in Spanien).

Letztlich waren die Anschläge in Madrid aus Sicht der Islamisten erfolgreich. Schließlich führten ihre Drohungen, Spanien in eine Hölle zu verwandeln ("Spanien in eine Hölle verwandeln"), zum Abzug der spanischen Truppen aus dem Irak, womit die Azoren-Allianz am schwächsten Glied aufgebrochen wurde (Unser Protest wird nicht müde). Madrid gibt nun auch in der Geiselfrage nach und finanziert letztlich mit, dass Al-Kaida im Maghreb seine Aktivitäten weiter ausweiten kann. Dass die Region von "Franzosen und Spaniern gesäubert" werden soll, hat die Organisation schon deutlich gemacht, die auch "Al Andalus", also das heutige Andalusien von Spanien zurückerobern will (Al-Qaida will den Maghreb von Franzosen und Spaniern säubern).

Insgesamt soll der gesamte Vorgang um die Freilassung die Regierung, auch für die Vermittlung, fast 7 Millionen Euro gekostet haben. Die Angaben von spanischen Medien wurden inzwischen auch von Unterhändlern aus Mali bestätigt. Am vergangenen 29. November waren drei Mitglieder der katalanischen Hilfsorganisation in Mauretanien überfallen und dann nach Mali entführt worden. Sie nahmen an einer Karawane teil, die Hilfsgüter in den Senegal gebracht hat. Die Hilfsorganisation hat immer wieder solche Karawanen in die Länder organisiert, in denen sie Hilfsprojekte unterstützt.

Schon im März war mit Alicia Gámez die einzige Frau freigelassen worden. Auch sie hatte schon, wie ihre Kollegen jetzt, die korrekte Behandlung durch die Entführer betont. Die hatten behauptet, Gámez sei zum Islam konvertiert, um die Freilassung zu begründen. Ein Bild zeigte sie mit einem Kopftuch vor drei schwer bewaffneten vermummten Personen. Es dürfte sich dabei aber vor allem um eine Geste gehandelt haben, um die Verhandlungen zu beschleunigen. Auch damals wurde schon über das Millionenlösegeld gesprochen, das zu zahlen ist. Nachdem die Verhandlungen schließlich für die Entführer erfolgreich abgeschlossen wurden, trafen in der Nacht zum Dienstag auch der 50-jährige Unternehmer Roque Pascual und 45-jährige Straßenbauingenieur Albert Vilalta in Barcelona ein. Mit der Befreiung sei der "Schlusspunkt gesetzt worden unter eine terroristische Aktion, die niemals hätte passieren dürfen", hatte der Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero schon am Montag die freudige Nachricht für die Freude und Familien der Entführten bekannt gegeben.

Spanien hatte sich sogar auch auf einen Gefangenenaustausch mit Al-Qaida eingelassen hat. Das zeigt ein Video von Sáhara Media, dass auch vom spanischen TV3 ausgestrahlt wurde. Bei der Befreiung der beiden Katalanen war Omar Ould Sidi Ahmed Ould Hamma (Omar le Saharaui) ebenfalls anwesend. Dabei war auch der mauretanische Unterhändler Mustafa Chafi.

Doch dass reichlich Geld geflossen ist, war aber nicht das einzige Zugeständnis an Al-Qaida. Denn schließlich wurde auch einer der Geiselnehmer, der später von mauretanischen Soldaten verhaftet und zu 12 Jahren Haft verurteilt worden war, im Gegenzug freigelassen. Omar Sid'Ahmed Ould Hamma (Omar le Sahraoui) wurde am 16. August auf Druck Spaniens aus Mauretanien an Mali ausgeliefert. Dass er inzwischen auf freiem Fuß ist, hat er der Nachrichtenagentur AFP in einem Telefoninterview bestätigt. Neben dem Lösegeld war dies eine der wesentlichen Forderungen der Entführer.

Die Feiern inzwischen natürlich den Erfolg ihrer Aktion. Sie ließen der spanischen Tageszeitung El País eine kurze Audiobotschaft zukommen. Damit bestätigt die Gruppe auch, dass ein Teil ihrer Forderungen erfüllt worden sind. Die Zeitung, die der sozialistischen Regierung sehr nahe steht, hatte ebenfalls schon von der Bereitschaft der Regierung zur Zahlung eines Lösegelds gesprochen. In der Botschaft heißt es: "Dank Gott haben die Gotteskrieger eine positive Lösung für die Fälle der Spanier Albert Vilalta und Roque Pascual gefunden, deren Inhaftierung am Sonntag, dem 12. Tag des Fastenmonats mit ihrer Freilassung beendet wurde, nachdem einige unserer Forderungen erfüllt worden sind."

Die Botschaft richtet sich aber vor allem an die französische Regierung. Die Gruppe spricht von einer "Lektion für die politische Klasse in Frankreich", die sie "in der Zukunft" lernen sollte: "Sie hatte die Möglichkeit, mit Verstand und Verantwortlichkeit gegenüber den Gotteskriegern zu handeln und sie hatte auch die Möglichkeit, den Wahnsinn und die Verärgerung zu vermeiden, die zum Tod ihrer Staatsbürger führte." Damit wird auch die gescheiterte Kommando-Aktion französischer und mauretanischer Militärs am 22. Juli in der Sahara angesprochen. Bei der Aktion sollte die französische Geisel Michel Germaneau aus der Gewalt der Islamisten befreit werden. Zwar wurden dabei mehrere Kämpfer der Gruppe getötet, aber die Befreiung der Geisel misslang. Der Franzose wurde daraufhin ermordet, der am 19. April im Niger entführt worden war.

Die Kritik daran, dass man Gefangene austauscht und Lösegeld an Al-Qaida bezahlt, wird in Spanien nur sehr verhalten vorgetragen. Sogar die konservative PP, die sonst keine Möglichkeit auslässt, um auf den Zapatero einzuprügeln, würdigten, dass die Geiseln wieder unbeschadet frei kamen. Das lässt den Schluss zu, dass Zapatero sich in der Frage eng mit dem Oppositionsführer Mariano Rajoy abgestimmt hat. Die rechte Zeitung El Mundo ließ sich aber die Gelegenheit nicht entgehen. Sie schrieb: "Der herausgestellte Stolz der Terroristen führt die spanische Regierung vor, die sich, im Gegensatz zu Frankreich und Großbritannien, von den Islamisten erpressen ließ und ihnen einen enormen propagandistischen Erfolg bescherte."

Ähnlich sieht man das aber auch in Frankreich, auch wenn man sich diplomatisch mit offener Kritik zurückhält. In Paris ist man nicht erfreut über das spanische Vorgehen, was es zudem den Islamisten erlaubt, mit dem Finger auf die französische Regierung zu zeigen. Die weist zurück, dass es überhaupt jemals Verhandlungen mit den Islamisten um die Freilassung von Germaneau gegeben habe. Der Generalsekretär im Elysée-Palast Claude Guéant hat es abgelehnt, die Anschuldigungen der AQMI überhaupt zu kommentieren. Er erklärte aber, man habe "niemals eine Möglichkeit zu Verhandlungen über die Freilassung von Michel Germaneau gehabt". Die linksliberale Zeitung Liberation interpretiert das so, dass er damit zu verstehen geben will, dass Germaneau noch leben könnte, wenn Paris verhandelt hätte, anstatt sich auf das militärische Abenteuer einzulassen.

Dass Guéant anfügt, man sei "jederzeit zu Verhandlungen bereit, wenn das Leben eines Franzosen in Gefahr ist", klingt nicht sehr glaubhaft, auch wenn der Sprecher aus dem Elysée-Palast das Beispiel der Geisel Pierre Camattestets anführt. Denn das steht im Widerspruch zu dem meist harten Vorgehen gegen Geiselnehmer, wie es sich in der gescheiterten Militäraktion in Mali gezeigt hat oder auch bei Geiselbefreiungen vor der Küste Somalias. Hier wurden im April 2009 von den Franzosen nicht nur zwei Piraten erschossen, sondern auch der Kapitän des gekaperten Segelboots.

Aus Frankreich wurde Spanien nun aufgefordert, alles dafür zu tun, dass solche Geiselnahmen künftig verhindert werden, damit es keine "weiteren Geldgeschenke" an islamistische Terroristen geben müsse. Um Paris zu beruhigen, trat am Dienstag sofort die Staatssekretärin Soraya Rodríguez vor. Sie erklärte, dass derlei Hilfskarawanen wohl nicht mehr durchgeführt werden können. "Es gibt bestimmte solidarische Aktivitäten, die natürlich in den folgenden Jahren nicht mehr stattfinden können", sagte sie angesichts der Bedrohung durch die Entführungen. Ihr Angebot, die "sichere Infrastruktur" der "offiziellen spanischen Entwicklungshilfe" zu nutzen, dürfte viele Gruppen aber dankend ablehnen, um nicht noch stärker zum Ziel zu werden, denn schließlich ist Spanien weiter in Afghanistan aktiv und kehrt auch in den Irak zurück. Barcelona-Acció Solidària bereitet derweil schon die nächste Hilfskarawane vor, auch wenn diesmal Mauretanien gemieden wird und die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt werden. Im November werden sich aus Barcelona erneut Hilfsgüter auf den Weg nach Gambia und Senegal machen.