Rechte Amerikaner wollen Gottesstaat

An der vom Fernsehmoderator Beck organisierten Kundgebung in Washington, die zur Wiederherstellung der Ehre, der Hinwendung zu Gott und dem Lob des Militärs aufrief, nahmen überraschend viele Menschen teil

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Die rechte Tea-Party-Bewegung konnte gestern in Washington Menschenmassen – Schätzungen reichen von 100.000 bis 500.000 - zu einer Demonstration locken, um ausgerechnet am selben Ort und am Jahrestag der Rede von Martin Luther King "I have a dream" die Rückkehr zum alten Amerika zu fordern und gegen den ersten schwarzen Präsidenten Barack Obama zu protestieren. Unter dem Titel Restoring Honor wollen die Rechten trotz aller Probleme, die die Regierung Bush unterlassen hat, wieder die USA als Supermacht restaurieren – als militante christliche Supermacht natürlich, die auch ihre Kreuzzüge fortsetzt. Die große Teilnahme an der Kundgebung bestätigt den Trend, dass eine wachsende Schicht von Menschen weiter nach rechts und in ein extrem religiöses Lager rutschen: Das Misstrauen der US-Amerikaner in die Regierung wächst und USA: Militante rechte und christliche Gruppen sprunghaft angestiegen.

Nach Beobachtungen der Washington Post waren wenige jungen Menschen zu sehen, die überwältigende Mehrheit seien Weiße gewesen. Das lässt sich auch an den Fotos erkennen, Nicht-Weiße treten lediglich als Polizisten oder Gegendemonstranten auf. Gleichzeitig fand eine sehr viel kleinere Demonstration von Bürgerrechtlern in Erinnerung an Kings Rede statt. Die Veranstaltung sollte nicht "politisch" sein, sie wurde durch ein Gebet eröffnet, mit einem Gebet ging sie auch zu Ende.

Ganz zufällig hat der rechtsextreme Fernsehmoderator Glenn Beck, der zur Veranstaltung aufgerufen hatte und schon mal Obama als "Rassisten" bezeichnet, Ort und Zeitpunkt gewählt. Es sei wohl eine "göttliche Vorhersehung" gewesen, lügt er frech, dass er seine Kundgebung am Jahrestag der wichtigen Rede des Bürgerrechtlers King angemeldet hatte. Natürlich wurde denn auch Martin Luther King aus sehr spezielle Weise vereinnahmt. Beck hatte schon zuvor erklärt, dass er und seine Anhänger – "We" - auf der richtigen Seite der Geschichte stünden und daher die echten Erben der Bürgerrechtsbewegung seien, deren wirkliche Vertreter sowieso die Rechten und Republikaner (GOP) seien. Die würde nun nämlich die Amerikaner von den Demokraten und Progressiven befreien, die das Land lange beherrscht hätten: "No man has been free, because we've been progressive." Beck, der in die Fußstapfen von King treten will, erklärte denn auch, er habe die Nacht vor der Kundgebung im selben Hotel wie seinerzeit King verbracht.

Auch Sarah Palin, die die rechtsextreme Bewegung für sich nutzen will, sprach auf der Veranstaltung. In ihrer Rede, in der sie sich als Mutter eines Soldaten darstellte, verwies sie zwar im Vorbeigehen auf den "Geist" von King und dessen Traum von der Gleichheit aller Menschen, viel wichtiger ist ihr aber die militärische und christliche Dimension der nationalen Ehre herauszustellen.

Man sei verbunden auf einem "festen Felsfundament des Glaubens an den einzig wahren Gott der Gerechtigkeit", und die Besten Amerikas seien die "Männer und Frauen in Uniform, eine Kraft des Guten in diesem Land". Die Tugenden des Landes würden in den Soldaten verkörpert, die sich für ihr Land opfern, und sie sei selbst stolz darauf, einen Kampfveteranen geboren und aufgezogen zu haben. Restoring Honor soll offenbar vor allem die von Bush angezettelten Kriege rechtfertigen, in denen die Amerikaner "selbst auf dem schlimmsten Schlachtfeld gegen den schlimmsten Feind an ihren hehren Prinzipien festgehalten" hätten.

Noch deutlicher ist allerdings Glenn Beck, der mit der Veranstaltung auch für Spenden an die Special Operations Warrior Foundation, die sich um die Kinder von im Einsatz getöteten Soldaten von Spezialeinheiten kümmert. Bei der Stiftung heißt, die Spezialeinheiten seien heute notwendiger denn je, nachdem der "Krieg gegen den Terrorismus" begonnen habe und viele Einsätze an vielen Orten der Welt mit sich bringe. Der christliche Gott und die Spezialeinheiten, die weltweit verdeckte Operationen ausführen, sind also die Botschaft der rechtsextremen Gegenbewegung zu den Islamisten.

Etwas, das über den Menschen hinausreicht, geschieht gerade. Amerika beginnt heute wieder, sich Gott zuzuwenden.

Glenn Beck

Im Unterschied zu den meisten Veranstaltungen der Tea-Party-Bewegung, die als Protest gegen den Staat, staatliche Verschuldung und Steuererhöhungen begann und als einer von deren Vätern Beck gilt, richtete er Restoring Honor auf die Verbindung von Glauben, Nationalismus und Kampf aus. Die USA seien zu lange "in Dunkelheit" gegangen. Das Land habe sich zu lange nur um die Narben gekümmert, man müsse jetzt nach vorne schauen und sich "auf die guten Dinge in Amerika konzentrieren". Beck sagte, man können nun wieder "das Herz Amerikas" erwecken. Das habe nichts mit Politik zu tun: "Das hat alles mit Gott zu tun." Und wahrscheinlich soll das Becks Traum in der Nachfolge von Martin Luther King sein.

Im Vorfeld rief Beck seine Anhänger zu einem Gelöbnis auf, "friedlichen Widerstand" zu leisten und 40 Tage lang jede Nacht auf Knien zu beten:

First...faith. I will pray on my knees every night for the next 40 nights...starting TONIGHT. Pray for guidance, inspiration, peace...pray for the leaders of our country. Pray for their safety, and that they will receive wisdom. I will re-establish my relationship with God.

Am Freitag hatte Beck, der sich 1999 als Mormone taufen ließ und durch Jesus Christus geheilt wurde, bereits zu einer Veranstaltung mit dem verheißungsvollen Titel "Göttliches Schicksal" eingeladen. Die solle die "Seele heilen", an die glanzvolle frühe Geschichte der USA erinnern und deutlich machen, dass der Glaube eine wichtige Rolle spielen könne, das Land wieder zu vereinen. Beck hat auch das 9/12-Projekt initiiert, um Amerikas Größe wieder herzustellen. Dazu hat er neun Prinzipien aufgestellt, die ersten und offenbar wichtigsten: "1. America Is Good." Und: "2. I believe in God and He is the Center of my Life."