Neue Rohstoffpolitik rückt Regierung und Industrie noch enger zusammen

Um die Versorgung der Wirtschaft mit Rohstoffen besser abzusichern, plant die Regierung die Gründung einer Rohstoffagentur

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Die zunehmende Verknappung wichtiger Industrierohstoffe ruft die Bundesregierung auf den Plan. Im Auftrag des Wirtschaftsministeriums soll nun eine neue Rohstoffagentur gegründet werden, die sich für die deutsche Wirtschaft um die Zugänge zu den wichtigen Zukunftsrohstoffen kümmert. Sie ist das Ergebnis des von Bundeswirtschaftsminister Brüderle (FDP) angestoßenen Rohstoffdialoges zwischen seinem Ministerium und der deutschen Industrie. Telepolis sprach mit Dr. Peter Buchholz von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR).

Wie kam es zur Gründung der neuen Rohstoffagentur des Bundes?

Peter Buchholz: Am 23. April diesen Jahres hat Bundesminister Brüderle verkündet, dass die BGR zur zentralen Rohstoffagentur für die deutsche Wirtschaft ausgebaut werden soll. Die getroffene Entscheidung hat allerdings eine längere Vorgeschichte.

Wie sieht die aus?

Peter Buchholz: Im Prinzip ist die Einrichtung der Rohstoffagentur eine Folge der seit fünf Jahren bestehenden politischen Diskussion um die sichere Versorgung der deutschen Wirtschaft mit mineralischen Rohstoffen. Der Schwerpunkt der Diskussion um die sichere Rohstoffversorgung lag bislang meist auf der Versorgung mit Energierohstoffen, während die mineralischen Rohstoffe in der Vergangenheit eher ausgeblendet waren.

Der veränderte Markt

Woran lag das?

Peter Buchholz: Das lag daran, dass die Versorgung überhaupt kein Thema war. Die Rohstoffe waren günstig am Markt zu erhalten.

Was hat sich dann verändert?

Peter Buchholz: Mit dem Wirtschaftswachstum in China stieg die Nachfrage nach Rohstoffen seit 2003 massiv an und das Angebot kam der Nachfrage nicht schnell genug hinterher. Dadurch stiegen die Preise. Im Jahr 2005 haben der damalige Bundeskanzler Schröder und der BDI den ersten BDI Rohstoffkongress eröffnet. Gefolgt vom Zweiten BDI Rohstoffkongress, der von BDI-Präsident Thumann und Bundeskanzlerin Merkel im Jahr 2007 eröffnet wurde. Während dieser Zeit entwarfen die BDI-Präsidialgruppe „Internationale Rohstofffragen“ und die Bundesregierung Strategien, wie man das Rohstoffthema angehen sollte.

Was waren die Ergebnisse dieser Überlegungen?

Peter Buchholz: 2007 kamen die „Elemente einer Rohstoffstrategie“ der Bundesregierung heraus, der BDI hat ein größeres Positionspapier veröffentlicht und die Bundesregierung hat den interministeriellen Ausschuss Rohstoffe unter Federführung des BMWi um diese Thema erweitert. Zu dieser Zeit hatte Deutschland auch die EU-Ratspräsidentschaft inne. Dort stand das Thema ebenfalls hoch auf der Agenda.

Wohin hat das geführt bei der EU?

Peter Buchholz: Diese Initiativen führten Ende 2008 zur Einrichtung der EU-Raw-Materials-Initiative.

Es gibt also ein Pendant-Institut auf EU-Ebene?

Peter Buchholz: Nein, das ist kein Institut. Das ist eine Initiative der EU, die zum Thema mineralische Rohstoffe gestartet wurde. Die EU hat sich diesem Thema angenommen, um zu analysieren, wo die Probleme auf den Rohstoffmärkten liegen. Letzten Endes ist die Gründung der Deutschen Rohstoffagentur in der BGR eine logische Konsequenz aus den fünfjährigen politischen Diskussionen, wie man die Versorgung der Wirtschaft mit Rohstoffen besser absichern kann.

Wo gibt es potentielle Lieferrisiken?

In wie fern spielt der Rohstoffdialog von Wirtschaftsminister Brüderle in diese Entwicklung hinein?

Peter Buchholz: Seit 2007 gehen die Diskussionen um eine sichere Rohstoffversorgung ja weiter und das geschieht in dem interministeriellen Ausschuss Rohstoffe und dieser wird geleitet vom Bundeswirtschaftsministerium. Bundesminister Brüderle hat das Thema Rohstoffe prominent auf die Agenda gesetzt. Die Initiative zur Gründung der Deutschen Rohstoffagentur ist neu und stammt von ihm.

In wie fern funktioniert die Kommunikation mit den Unternehmen? Die Unternehmen sind ja letztendlich die Nutznießer dieser Agentur.

Peter Buchholz: Genau.

Wie dürfen wir uns das vorstellen?

Peter Buchholz: Klar ist natürlich, dass wir uns eng mit der Wirtschaft abstimmen werden. Den genauen Prozess dazu erarbeiten wir gerade.

Diese Rohstoffagentur ist ja jetzt eine Neugründung. Wo stehen sie denn heute beim Aufbau der Agentur?

Peter Buchholz: Mit Einrichtung der Deutschen Rohstoffagentur haben wir ein Kontaktbüro etabliert, um auch schneller auf Anfragen reagieren zu können. Der Aufbau verläuft jetzt schrittweise.

Sie bekommen also Anfragen an ihr Kontaktbüro vom BDI oder einem Unternehmen. Was möchten diese dann von ihnen wissen?

Peter Buchholz: Das sind ganz vielfältige Anfragen. Das sind beispielsweise Fragen zur Marktverfügbarkeit eines bestimmten Rohstoffes. Gibt es irgendwo Engpässe? Gibt es alternative Lieferanten? Ist der Markt angespannt oder entspannt? Wie ist die Versorgungslage langfristig? Wo gibt es potentielle Lieferrisiken? Aus rein geologischer Sicht sehen wir keine Versorgungsengpässe in der Zukunft auf uns zukommen. Die Erde ist ja nicht durchlöchert wie ein Schweizer Käse und das Potential, neue Rohstoffvorkommen zu entdecken, ist nach wie vor sehr groß. Aber bei der technischen Verfügbarkeit kann es zu Engpässen kommen die zu Lieferproblemen führen können.

Konkurrent China

Diese technische Verfügbarkeit bezieht sich sicherlich auch auf politische Unsicherheiten?

Peter Buchholz: Hierzu schauen wir uns beispielsweise die Länderrisiken an. Bei Rohstoffen, die in politisch unsicheren Ländern gefördert werden, ist auch die Verfügbarkeit unsicherer, so dass es zu Lieferproblemen auf den Weltmärkten kommen kann.

Inwiefern beurteilen sie die politische Situationen von Lieferländern?

Peter Buchholz: Wir bedienen uns hierbei des Governance-Indikators der Weltbank. Dies ist eine Länderrisikobewertungsskala. Der Indikator deckt verschiedene Risiken in einem Land ab, zum Beispiel das politische Risiko, Rechtssicherheit oder Korruption. Anhand des Länderratings kann man indirekt Rückschlüsse darauf ziehen, ob es zu politischen oder wirtschaftlichen Instabilitäten kommen kann, die dann auch wieder Einfluss auf die Rohstofflieferungen haben können.

Was für weitere interessante Parameter gibt es für die Rohstoffagentur?

Peter Buchholz: Ein interessantes Thema sind auch Wettbewerbsverzerrungen in den Märkten. Stichwort China. Wenn also Länder mit Exportbeschränkungen arbeiten, dann sind das Maßnahmen, die den Weltmarkt in Unruhe und Aufruhr bringen.

Auf welche Art und Weise findet eine Zusammenarbeit mit der EU statt?

Peter Buchholz: Wir sind sehr eng in die Diskussion der Raw Materials Initiative eingebunden. Die BGR war Mitglied in der Ad Hoc Working Group Defining Critical Minerals, wo wir mit anderen Wissenschaftlern, Vertretern von Verbänden und der Zivilgesellschaft die Rohstoffmärkte auf mögliche Lieferrisiken bewertet haben.

Serviceleistung für die deutsche Wirtschaft

Wie sieht denn die Zukunft dieser Rohstoffagentur aus?

Peter Buchholz: Das Ziel der Agentur ist die Versorgung der Industrie mit Rohstoffen durch eine umfassende Beratung von Politik und Wirtschaft zu unterstützen. Rohstoffsicherung ist nach wie vor Sache der Wirtschaft. Aber wir können deren Aktivitäten flankieren.

Wie wollen sie das sicherstellen?

Peter Buchholz: Wir planen, die Tätigkeit der Agentur in verschiedene Module aufzuteilen. Das erste ist ein Rohstoffinformationssystem. Dies stellt das Kernelement der Agentur dar. Dieses Modul soll Unternehmen Informationen über die Verfügbarkeit von Rohstoffen auf den Märkten und neue Potenziale zur Erschließung neuer Lieferquellen bereitstellen.

Die Beteiligungen scheinen ja derzeit das große Problem zu sein. China kauft momentan auf der ganzen Welt Rohstoffe ein oder sichert sich von immer mehr Staaten deren Rohstofflieferungen. Kann man die neue Rohstoffagentur als eine Gegenstrategie für den neuen Konkurrenten auf den Rohstoffmärkten betrachten?

Peter Buchholz: Nein, das ist keine Gegenstrategie. Das ist eine Serviceleistung für die deutsche Wirtschaft, die selber entscheidet, wie sie ihre Rohstoffversorgung absichert. Es gibt ja vielfältige Möglichkeiten Rohstofflieferungen abzusichern. Unternehmen können z.B über eine Diversifizierung der Lieferanten nachdenken, sie können Metalle an den Metallbörsen hedgen oder sich an Rohstoffbetrieben beteiligen.

Sie sollen also die Informationsgrundlage liefern, dass dann entsprechend reagiert werden kann auf die neuesten Entwicklungen am Rohstoffmarkt.

Peter Buchholz: Das ist ganz richtig.