Selbst für die Bereitschaft, Umfragen mitzumachen, sollen Gene verantwortlich sein

Eine Studie von Psychologen führt vor, wie der Wissenschaftsbetrieb allmählich das Vertrauen in Wissenschaft austreibt

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Immer mehr Wissenschaftler werden ausgebildet, weswegen immer mehr Studien durchgeführt werden, deren Ergebnisse in immer mehr Wissenschaftszeitschriften erscheinen. Die Quantität verspricht auch hier nicht unbedingt Qualität, zumal Wissenschaftler, Institute und Zeitschriften um die Aufmerksamkeit buhlen müssen und sich dann schon mal weit hinauslehnen.

Das ist so wohl bei den US-Psychologen Lori Foster Thompson von der North Carolina State University, Zhen Zhang von der University of Minnesota und Richard D. Arvey von der National University of Singapore der Fall gewesen, die ihre Studie im Journal of Organizational Behavior veröffentlichen konnten. Und die Studie hat es in sich. Die Forscher wollen nämlich herausgefunden haben, dass die Mitwirkung an Umfragen genetisch bedingt sein soll. Und sie sind stolz darauf, dass sie als erstes eine solche Studie durchgeführt haben.

Schon überhaupt die Fragestellung, ob es möglich sei, dass genetische Prädispositionen eine Rolle dabei spielen können, ob Menschen bei Umfragen mitmachen oder nicht, scheint ziemlich abwegig zu sein. Dass es für die Forschung allgemein wichtig sein kann, die Gründe zu kennen, warum Menschen bei wissenschaftlichen Umfragen mitmachen oder nicht, ist allerdings nachzuvollziehen. Schließlich stützen sich viele wissenschaftliche Studien auf Umfragen, die verfälschend oder einseitig werden, wenn bestimmte Personengruppen von vorneherein zur Mitarbeit nicht bereit sind und insgesamt, wie die Psychologen sagen, die Zahl der Menschen, die mitmachen, gering bleibt. Dass die Psychologen auch davon ausgehen, dass Arbeitszufriedenheit und Leistung genetisch bedingt seien, verstärkt den Eindruck eines doch sehr naiven Ansatzes.

Es gebe passive und aktive Umfragenverweigerer, was mit der Persönlichkeit der Menschen zu tun habe. Und weil diejenigen, die bereitwillig mitmachen, eher liebenswürdig und gewissenhaft seien und diese Charakterzüge vermutlich genetisch verankert seien, würde eben viel dafür sprechen, dass (Un)Willigkeit, bei Umfragen mitzuwirken, auch mit den Genen zu tun haben könnte. Der Wille, Hypothesen zu konstruieren, um sie dann verifizieren zu können, ist schon groß. Und da Studien, die Hypothesen falsifizieren, nicht gerne veröffentlicht werden, weil sie ja nichts bringen, obwohl Falsifikation ein wichtiges und vielleicht sogar das wichtigere wissenschaftliche Ergebnis wäre, werden auf Teufel komm raus positive Ergebnisse fabriziert. So werden dann auch diejenigen, die die Teilnahme an Umfragen von Wissenschaftlern als Zeitverschwendung ansehen oder einfach nichts von sich preisgeben wollen, als genetisch determinierte Querulanten für den wissenschaftlichen Prozess eingestuft, man könnte jedoch genauso gut die Umfragewut hinterfragen, würde dabei aber kaum an genetische Dispositionen denken.

Für ihre Studie mit dieser Fragestellung verschickten sie einen Fragebogen an 558 männliche und 500 weibliche ein- und zweieiige Zwillinge in Minnesota. 58 Prozent füllten die Fragenbogen aus und schickten sie zurück. Und weil eineiige Zwillinge signifikant (0,74 gegenüber 0,51) reagierten, schließen die Psychologen auf eine genetische Veranlagung. Nach einigen statistischen Berechnungen sollen allerdings dann doch nur 45 Prozent genetisch determiniert sein, 55 Prozent seien abhängig von der Umwelt. Was nun aus dem Ergebnis der Studie folgen soll, wenn man denn ihre Hypothese und Methode akzeptieren sollte, bleibt fraglich. Der Gewinn ist schlicht eine Publikation für die Wissenschaftler und für den Verlag ein Beitrag.