Bild setzt Alice Schwarzer auf Kachelmann an

Nachdem der Wettermoderator die Boulevardzeitung mit einer zwei-Millionen-Euro-Klage überzog, soll die Emma-Herausgeberin in einer Kolumne aus seinem Vergewaltigungsprozess berichten

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Hätte in den 1970er Jahren jemand vorhergesagt, dass die Feministin Alice Schwarzer einmal eine Kolumne in der Bild-Zeitung bekommen würde, dann hätte man ihn wahrscheinlich gefragt, welche Genussmittel er zu sich genommen hat. Doch die Geschichte geht oft seltsame Wege - und ab Montag ist es tatsächlich so weit.

Dann berichtet die Frau mit dem Barry-Goldwater-Kinn einmal wöchentlich von einem Prozess am Landgericht Mannheim, der dem Springer-Blatt ganz besonders am Herzen liegen muss. Nicht nur, weil das Sommerloch immer noch weit offen ist und weil es um einen Prominenten und einige Seltsamkeiten geht, sondern auch deshalb, weil der unter bemerkenswert umfassender Medienbegleitung inhaftierte und angeklagte Wettermoderator Jörg Kachelmann durch Bild-Artikel seine Persönlichkeitsrechte verletzt sieht und die Zeitung auf zwei Millionen Euro verklagte.

Alice Schwarzer. Foto: Manfred Werner. Lizenz: CC-BY-SA 3.0

Dass Kachelmann seine frühere Geliebte vergewaltigt hat, scheint für Schwarzer bereits festzustehen. Auf ihrer Website schreibt sie: "Hier verhandelt eine ganze Nation anlässlich dieses einen Prozesses über die Frage: Ist sexuelle Gewalt in Beziehungen Privatsache? Oder ist sie ein Verbrechen?"

Allerdings wurde seit den ersten Meldungen über Kachelmanns Festnahme Einiges bekannt, das es durchaus möglich erscheinen lässt, dass sich die Anzeigeerstatterin mit ihrer Beschuldigung lediglich dafür revanchiert haben könnte, dass sich der Zipfelbund-Preisträger mehrere Buhlinnen gleichzeitig hielt. Diese Möglichkeit in Betracht zu ziehen, wie das Schwarzer zufolge "die anderen Leitmedien der Republik" angeblich machen, betrachtet die Siebenundsechzigjährige jedoch als Parteinahme für den Mann, der sie ein "Ernstnehmen" der "Sicht des mutmaßlichen Opfers" entgegensetzen will.