Wenn kein Angebot da ist, schaffen wir eines

Der Bundesinnenminister möchte den Strafverfolgern neue Befugnisse zum Kampf gegen Kinderpornographie geben - unter anderem sollen verdeckte Ermittlungen und das Einstellen von Kinderpornographie zu Ermittlungszwecken erlaubt sein

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Ich habe wahrlich versucht, bei diesem Thema nicht zynisch zu werden, gelungen ist es mir nicht. Der "Kampf gegen Kinderpornographie" wird immer weiter zur Thematik Nr. 1 für Familienminister und Justizminister sowie Innenminister aufgeblasen, als wären die aktuellen Zahlen so dramatisch, dass bei der Nichteinführung von Netzsperren beispielsweise die gesamte Netzbevölkerung tagtäglich per Mail, Chat und Webseite ungefragt mit Kinderpornographie konfrontiert werden würde.

Der "Milliardenmarkt", von dem stets gesprochen wird, wenn es in der Politik um Kinderpornographie geht, konnte zwar nie bewiesen werden, aber trotz allen Aussagen von Landeskriminalämtern (!), von Anwälten usw. hält man eisern daran fest, dass dieser existiert.

Dann stell ich halt was ein ...

Die Verzweiflung beim Thema scheint mittlerweile groß zu sein, wenn man sich die neuen Ideen des Bundesinnenministers ansieht. Thomas de Maizière will, dass die Strafverfolgung nicht nur verdeckt ermitteln darf, sondern auch ferner die Möglichkeit, selbst Kinderpornographie einzustellen und zu konsumieren(ohne sich strafbar zu machen) erhalten soll.

Ein flaues Gefühl beschleicht einem bei dem Gedanken, dass demnächst Köder ausgelegt werden, die die Nachfrage erhöhen, was dann wieder für die diversen "Der Markt wächst stetig, wir müssen etwas tun!!!"-Rufer genauso sinnig wäre wie für die Strafverfolgung, die neue Befugnisse benötigt. Davon abgesehen stellt sich mir die Frage, wieso eigentlich Kinderpornokonsum für Polizisten strafbar sein soll, wenn es sich um Ermittlungen handelt. Ging es nicht gerade beim Fall Tauss darum ob er in Ausübung seiner dienstlichen Pflicht handelte oder nicht, als er sich Kinderpornographie beschaffte?

Nach §184 Absatz 2 und 4 StGB gilt, dass mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft wird, [...] wer es unternimmt, einem anderen den Besitz von kinderpornographischen Schriften zu verschaffen, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben" und "wer es unternimmt, sich den Besitz von kinderpornographischen Schriften zu verschaffen, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben". Ebenso wird der Vorschrift nach bestraft "wer die in Satz 1 bezeichneten Schriften besitzt". Diese beiden Absätze gelten aber nicht im Falle von §184 Absatz 5 StGB, der besagt:

Die Absätze 2 und 4 gelten nicht für Handlungen, die ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher oder beruflicher Pflichten dienen.

Schon jetzt wird durch die Angebote, die z.B. durch ausländische Strafverfolger ins Netz stellen, die Statistik extrem verfälscht, was aber nur selten Thema ist - wenn die deutschen Strafverfolger nun auch noch (echte) Kinderpornographie ins Netz stellen dürfen, stellt sich die Frage, wem das eigentlich noch nützt, außer denjenigen, die unbedingt Netzsperren wollen?

Da mehrheitlich die Dokumentation sexueller Gewalt über andere Kanäle als das Internet laufen dürfte, frage ich mich, ob hier nicht dafür gesorgt wird, dass die Zahlen, die man bisher "frei Schnauze" weitergab, selbst geschaffen werden sollen?

Und davon, dass die Kinder, die sexueller Gewalt ausgesetzt sind, von all diesen Bemühungen wenig haben dürften, weil nämlich schon seit Jahren weder für die Bekämpfung der Kinderarmut noch für niederschwellige Angebote zur Hilfe bei sexueller Gewalt Gelder drin sind, fang ich lieber gar nicht an.