Mit Negativzinsen gegen die Deflation

Leitzinsen nahe Null sind gut für die Wirtschaft, aber führen auf Kurz oder Lang zu einer erheblichen Inflationsgefahr

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Um Inflation und Deflation nachhaltig zu bekämpfen braucht es einen weiteren Schritt – Leitzinsen im negativen Bereich

In ihrem verzweifelten Kampf gegen die Deflation haben die Währungshüter in Japan dem Finanzmarkt nochmals10 Billionen Yen (über 90 Milliarden Euro), zu einem festen Zinssatz von lediglich 0,1 Prozent, zu Verfügung gestellt. Damit stockt die Bank von Japan ein im Dezember 2009 eingeführtes Kreditprogramm über 20 Billionen Yen erneut auf. Den Leitzins belässt sie bei 0,1 Prozent.

Die Notenbanker ignorieren jedoch den Sachverhalt, dass die Maßnahme nicht die gewünschten Effekte erzielt. Die zusätzliche Liquidität führt weder zu einer Ankurbelung der Wirtschaft, noch hat sich der Würgegriff der Deflation gelockert. Negativ ist zu verzeichnen, dass sich mit der ausgeweiteten Geldmenge die Schulden der öffentlichen Hand in dramatischer Weise erhöht haben. Ansonsten liegt das Geld weitgehend brach. Festzuhalten ist: Solange keine Inflation entsteht, fehlt den Geldhaltern die Motivation, ihr Geld auszugeben oder zu sinkenden Zinssätzen weiter auszuleihen.

Mit einem vergleichbaren Phänomen schlägt sich die Europäische Notenbank herum. Einige Mitglieder des Zentralbankrats warnen zwar bereits vor den Folgen einer weiteren Ausweitung der Geldmenge. Dennoch belässt man den Leitzins weiter bei einem Prozent und hofft, dass über das billige Geld die Konjunktur angekurbelt wird. Das Dilemma der Notenbank besteht aber darin, dass sich ihre niedrigen Leitzinsen nicht automatisch auf die Kapitalmarkt Zinssätze übertragen und dass anhaltend niedrige Zinssätze zu Stockungen im Geldkreislauf und zu einer Verringerung langfristiger Ausleihungen führen.

Torsten Riecke schrieb dazu Ende August im Handelsblatt: "Im Mittelpunkt stehen vielmehr zwei Fragen: Was können die Notenbanken überhaupt noch für die Wirtschaft tun, wenn die Leitzinsen bereits am Nullpunkt angelangt sind? Und welche Lehren ziehen die Zentralbanker aus der Tatsache, dass sie mit ihrer überaus expansiven Geldpolitik wesentlich zur letzten Finanzkrise beigetragen haben?“ In diesem Kommentar macht sich die Erkenntnis breit, dass die Ökonomen mit ihrem Latein am Ende sind.

Vom Teufel zum Belzebub

Den Notenbankern fehlt bisher ein geeignetes Mittel zur Krisenreaktion. Solange sie mit den Leitzinsen im positiven Bereich bleiben, können sie den Teufel nur mit dem Belzebub austreiben. "Die schwächelnde Konjunktur verlangt nach einer dauerhaft expansiven Geldpolitik. Die Finanzkrise lehrt hingegen, dass die Notenbanker die Zügel früher anziehen müssen. Ein fast auswegloses Dilemma“, schreibt Riecker.

Aufzulösen ist dieses Dilemma nur wenn es gelingt, der herausgegebenen Geldmenge Beine zu machen. Statt mehr Geld zur Verfügung zu stellen, muss gewährleistet werden, dass Geld und Guthaben nicht blockiert werden. Für die Geldhalter gibt es nur eine Motivation, ihre spekulative Geldhaltung aufzugeben: Kosten auf die gehortete Liquidität. Torsten Riecke folgert daraus zu recht: „Mehr Wirkung können die Notenbanken erzielen, wenn sie negative Strafzinsen auf jene riesigen Guthaben erheben würden, die private Finanzhäuser bei ihnen unterhalten. Das würde die Kreditvergabe der Banken anregen.“

Die Erweiterung des Handlungsspielraumes ist keine Strafe

Das Halten von Liquidität muss Kosten verursachen. Nach den Regeln von Angebot und Nachfrage ist dies eine Selbstverständlichkeit, nur dann kann der Geldmarkt auch bei Wachstumsraten um Null funktionieren. Derartige Kosten kann die Notenbank in Form einer Gebühr auf das Zentralbankgeld erheben.

Die schwedische Riskbanken hat einen ersten Schritt in diese Richtung bereits gemacht. Im Sommer 2009 hat sie den Einlagenzinssatz für die Geschäftsbanken auf -0,25% abgesenkt. Dies führt dazu, dass Überschüsse auf ein notwendiges Maß beschränkt werden. Dementsprechend geben die Geschäftsbanken Liquiditätsüberschuss entweder an die Notenbank zurück oder sie überlassen ihn, zeitlich begrenzt, den Mitbewerbern. So bleibt der Interbankenhandel auch in schweren Zeiten funktionstüchtig.

Und was für die Geschäftsbanken gilt, trifft ähnlich auch auf die Bürger zu. Sie geben ihr Geld aus oder überlassen es anderen in Form von Krediten, wenn sie damit Kosten vermeiden. Wir haben uns daran gewöhnt, dass diese Kosten der Wertverlust durch die Inflation ist. Wenn aber, was durchaus erstrebenswert ist, die Inflationsrate gegen Null geht, fällt dieser Umlaufantrieb aus, der Konjunkturmotor fängt an zu ruckeln und bleibt irgendwann stehen.

Wenn an dieser Stelle eine Umlaufgebühr auf Geld zum Einsatz kommt, hat dies mit Strafe nichts zu tun. Hier geht es um ein zwingend notwendiges Instrument zur Stabilisierung der Währung und zur Beruhigung der Kreditmärkte.

Handwerkszeug für zeitgemäßes Agieren

Um den Handlungsspielraum der Notenbank sinnvoll zu erweitern sind zwei simple Maßnahmen nötig:

  1. Die Zinssätze für Einlagen, Mindestreserve und Überschussreserve bei der Zentralbank sollten zukünftig in den negativen Bereich abgesenkt werden können. So bliebe die Notenbank auch bei Wachstums- und Inflationsraten um Null handlungsfähig. Deflation und Kreditklemme könnten vermieden werden, da das Blockieren von Liquidität nicht mehr kostenfrei bleiben würde.
  2. Die Euro-Banknoten sollten so gestaltet werden, dass den Verbrauchern für die Haltung Kosten zwischen 2% und 6% p.a. entstehen. So würde beim Bargeld für die notwendige Enthortung gesorgt werden und überschüssige Liquidität würde in den Kreditmarkt gelockt. Dies hätte ein stabiles Kreditangebot zur Folge.

Beide Maßnahmen zusammen erzeugen ein deutliches Absinken des Kapitalmarktzins-Niveaus. Eine Wirtschaft ohne permanentes Wachstum wird damit möglich. Die positiven Auswirkungen auf Staat, Wirtschaft und jeden einzelnen Bürger sind vielfältig. Entscheidend für die Durchsetzung dieser Idee wird letztlich sein, dass die exponentielle Ausweitung von Geldvermögen und Schulden, und die zwingend immer wieder erfolgenden Zusammenbrüche, auf diese Weise überwunden werden können.

Klaus Willemsen (geb. Popp) betreibt das Fairconomy Büro Düsseldorf.