Mangelnde Qualitätskontrolle bei Closed-Access-Zeitschriften

Eine PR-Agentur konnte im Auftrag einer Pharmafirma jahrelang Werbeartikel als Wissenschaft platzieren

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Wyeth ist eine Pharmafirma die zum Pfizer-Konzern gehört. Sie beschäftigte das PR-Unternehmen DesignWrite, das es schaffte, zahlreiche Werbetexte für Medikamente durch das Peer-Review-System zu schleusen, das in den Wissenschaftsverlagen angeblich die Qualität sichert, und sie in teuren Closed-Access-Zeitschriften als vermeintliche Fachaufsätze unterzubringen.

Dies gelang unter anderem deshalb, weil die Werbetexte nicht allzu platt formuliert waren und zumindest formell den Anschein wissenschaftlicher Arbeiten wahrten. Dazu verfasste die PR-Agentur vor allem Artikel, die Ergebnisse echter Studien zur Hormonersatzbehandlung für Frauen in den Wechseljahren zusammenfassten und scheinbar neue Erkenntnisse daraus zogen. Dabei verharmlosten sie Gefahren wie die eines höheren Brustkrebsrisikos und lobten positive Effekte wie eine angebliche Verringerung der Wahrscheinlichkeit, an Demenz zu erkranken, die das Material gar nicht hergab. Tatsächlich, so brachten spätere Studien ans Licht, erhöhen Hormonpräparate das Demenzrisiko bei älteren Patienten sogar.

Für diese Texte suchte sich die PR-Agentur Mediziner, die bereit waren, ihre Namen darunter zu setzen. Dass dabei Geld floss, konnte bisher nicht nachgewiesen werden. Allerdings ist der Veröffentlichungsdruck im akademischen Bereich teilweise so groß, dass durchaus denkbar ist, dass den Strohmännern der Ausbau ihrer Veröffentlichungsliste Lohn genug war. Auf diese Kombination aus Werbetext und Namen fielen in den Jahren zwischen 1997 und 2003 unter anderem die Elsevier-Zeitschriften American Journal of Obstetrics and Gynecology und International Journal of Cardiology herein.

Ans Licht kam die Praxis durch eine groß angelegte öffentlich finanzierte Studie und auf sie folgende Schadensersatzklagen von über 14.000 amerikanischen Frauen, die Brustkrebs bekamen, nachdem ihnen ihre Ärzte die von Wyeth vertriebenen Hormonpräparate Premarin and Prempro gegen Hitzewallungen und andere Wechselbeschwerden verschrieben hatten. Mit den beiden Medikamenten machte die Pharmafirma alleine im Jahr 2001 etwa 2 Milliarden Dollar Umsatz.

Im Rahmen solch eines Zivilprozesses musste Wyeth im letzten Juli eine vierstellige Zahl von internen Mails, Memos und Verträgen veröffentlichen. Diese Dokumente sah sich Adriane Fugh-Berman vom Georgetown University Medical Center in Washington DC genau an und veröffentliche nun ihre daraus gezogenen Erkenntnisse in der Open-Access-Fachzeitschrift PLoS Medicine.1 Die Veröffentlichung löste eine Debatte über Wissenschafts-Ghostwriting aus, zu der am Dienstag auch die zur Holzbrinck-Verlagsgruppe gehörende Zeitschrift Nature einen Beitrag veröffentlichte.

Als überfällig wird die Debatte auch deshalb empfunden, weil Pfizer weiterhin solche Texte produzieren lässt. Allerdings, so das Unternehmen, würde man jetzt darauf achten, dass Nominalverfasser einbezogen und "Beiträge" nicht genannter Autoren in solchen Aufsätzen "erklärt" würden. Konzernsprecher Christopher Loder versuchte die Premarin- and Prempro-Werbeartikel außerdem durch den Hinweis zu rechtfertigen, dass die Texte ja das Peer-Review-Verfahren durchlaufen hätten.

Aus dieser unbestrittenen Tatsache lässt sich jedoch auch ein anderer Schluss ziehen - nämlich, dass diese Methode mittlerweile solche Schwächen aufweist, dass sie die Integrität von Texten nicht mehr in ausreichendem Maße garantieren kann. Dies liegt unterem daran, dass die Beurteiler von den Verlagen, die Monopolrenditen von bis zu 40 Prozent erzielen, nur in Ausnahmefällen bezahlt werden, weshalb viele Wissenschaftler pro Zeitschrift nur einmal daran teilnehmen, um sich dann eine weitere Publikation für ihren Lebenslauf zu angeln, mit der sie ebenso verfahren.

Auch der für seine pharmaindustriefreundliche Haltung bekannte Harvard-Medizinprofessor Thomas P. Stossel verteidigte das Ghostwriting-Phänomen, das nach Erkenntnissen des Medizinethikers Leemon McHenry weit über die jetzt bekannt gewordenen Vorfälle hinausgeht. Der Chefredakteur der Fachzeitschrift Current Opinion in Hematology meint, dass viele Mediziner mangels Zeit und Fähigkeiten auf professionelle Dienstleister angewiesen seien, die Texte für sie verfassen. Dies ist seiner Ansicht nach ebenso legitim wie der Einsatz von Redenschreibern durch Politiker.