Der Klimawandel kommt in Mitteleuropa an

Wie die Anpassung an "das Unvermeidliche" aussehen könnte: äthiopische Zwerghirse und zukunftsfähige Kulturlandschaften

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Wer von der Katastrophe des Klimawandels spricht, fordert in aller Regel eine klare Reaktion: Der Klimawandel muss gestoppt werden. Das Leben vieler Menschen, vielleicht sogar der gesamten Menschheit, hänge an einem seidenen Faden. Es sei denn, die Politik findet endlich eine Handlungsoption, mit der die Erwärmung der Erde deutlich gebremst wird. Die Forderung, die Erderwärmung zu stoppen, mag nachvollziehbar sein. Gleichwohl ist sie illusorisch und lenkt vom eigentlichen Problem ab. Denn, dass sich die Erde erwärmt, ist in der Zwischenzeit unbestritten. Viel wichtiger ist die Erkenntnis, dass sie nur noch in einem gewissen Rahmen aufgehalten werden kann. Die Frage, die damit aufgeworfen wird, zielt darauf, wie man sich auf die Folgen der Erwärmung einstellen kann.

Anlässlich einer gemeinsamen Konferenz über die Möglichkeiten einer Anpassung an die Klimaveränderung im September diesen Jahres gab der Deutsche Wetterdienst (DWD) und das Umweltbundesamt (UBA) eine Presseerklärung heraus, in der sie die Prognosen der Klimaforschung durch die Entwicklung der Wetterdaten bestätigt sehen.

Der Präsident des Umweltbundesamtes, Jochen Flasbarth, sagte auf der Konferenz, dass die dramatischen Ereignisse der vergangenen Wochen und Monate, z.B. die Flutkatastrophe in Pakistan , aber auch das Hochwasser in Sachsen, „den allgemeinen Erwartungen der Klimaforschung über die Zunahme von Extremwetterereignissen“ entsprächen. Sie würden verdeutlichen, wie wichtig es sei, sich auf die Folgen einer Erderwärmung vorzubereiten.

Die allgemeinen Extremwettererscheinungen der vergangenen Jahre scheinen auch in Politik und Wissenschaft nicht mehr wegdiskutiert zu werden. Auf der Pressekonferenz sagte Gerhard Adrian, Präsident des DWD: „Die Wissenschaft ist sich weltweit einig: Der Klimawandel ist eine Tatsache“. Das vergangene Jahrzehnt sei, sowohl in Deutschland, als auch weltweit, die wärmste Dekade seit Beginn flächendeckender Messungen vor 130 Jahren gewesen.

Damit stellt sich die Frage, wie auf solche Wetterereignisse reagiert werden kann. Adrian fordert, die Strukturen von Staat, Ländern und Gemeinden an die künftigen Bedingungen anzupassen. Dass dies eine große Aufgabe für die Politik werden würde, stellt er dabei gleich klar:

Höhere Deiche oder mehr kühlende und schattenspendende Grünflächen in unseren Innenstädten können nicht über Nacht eingerichtet werden.

“Es gibt die Idee, andere Pflanzen zu benutzen“

Gleichwohl scheint die Politik die ersten Schritte in diese Richtung unternehmen zu wollen. Seit Juli vergangenen Jahres fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit dem Projekt Klimzug mehrere Modellregionen dabei, sich an die kommenden Veränderungen anzupassen.

Die Region um Hamburg ist eine davon. Prof. Dr. Heinke Schlünzen ist Meteorologin an der Universität Hamburg und verantwortlich für die Quantifizierung der Wirkung der erarbeiteten Anpassungsstrategien bei Klimzug-Nord. Die Auswirkungen der Klimaveränderungen sieht sie differenziert. Gegenüber Telepolis sagte sie, dass mit einer Erwärmung von etwa zwei Grad Celsius gerechnet werden könne. Diese zwei Grad seien allerdings „nicht gleichmäßig auf das ganze Jahr über verteilt“. Allerdings würde sich auch eine ungleichmäßige Erwärmung deutlich auf das innerstädtische Klima auswirken. Möglichkeiten dort für eine Verbesserung zu sorgen, gäbe es jedoch genügend.

So könnten beispielsweise die Dächer Hamburgs mit Gras bepflanzt werden. Der Einfluss solcher Maßnahmen auf das Mikroklima sei nicht zu unterschätzen. Im Durchschnitt rechnet sie mit wesentlich milderen Wintern. Dies habe sowohl Vorteile, als auch Nachteile. Zum einen, sagte sie, „müssen wir weniger heizen“, gleichzeitig jedoch würden sich eine ganze Reihe von „Schädlingen vermehren“. Auch die zeitliche Verteilung der Niederschläge über das Jahr, könne zu Schwierigkeiten in Hamburg und der Umgebung führen.

Derzeit „deuten sich zunehmende Winterniederschläge an“. Gleichzeitig kündigen sich sehr trockenen Sommer an. Eine Lösung für dieses Problem könnten Winterteiche sein, die die Niederschläge in den Wintermonaten auffangen und im Sommer für die Wasserversorgung der Stadt zur Verfügung stellen. Auch der landwirtschaftliche Anbau von Pflanzen müsse sich an die Klimaerwärmung anpassen. Schlünzen meint:

Es gibt die Idee, andere Pflanzen zu benutzen.

Zwerghirse und zukunftsfähige Kulturlandschaften

Monika von Haaren, Diplom Geografin bei der Landwirtschaftskammer Niedersachsen und Projektleiterin bei Klimzug-Nord für den Bereich „Zukunftsfähige Kulturlandschaften“ hat sich dieser möglichen neuen Pflanzensorten angenommen. Derzeit experimentiert sie mit Zwerghirse. Dabei handelt es sich um eine Form, die in erster Linie in Äthiopien angebaut wird. Das Interessante an Zwerghirse sei dabei nicht nur die Resistenz gegenüber starker Sonneneinstrahlung,

„Hirse ist sehr trockentolerant“, meint sie im Gespräch mit Telepolis. Hirse komme auch mit geringeren Niederschlägen aus. Bereits heute müssten große landwirtschaftliche Flächen Niedersachsens „beregnet werden“. „Mit Hirse können wir das Grundwasser schonen.“ Die Idee dazu brachte eine Kollegin aus dem Urlaub mit. Ende Mai diesen Jahres säte sie zum ersten Mal verschiedene Sorten aus. Von Haaren schätzt, dass diese Formen der Hirse nur etwa die Hälfte des Wassers verbrauchen, das der normale Weizen benötigt. Allerdings liegt dafür auch der Ertrag deutlich niedriger. „Die Kultur ist nicht zu 100 Prozent konkurrenzfähig“, so von Haaren.

Pro Hektar ließen sich unter besten Voraussetzungen vielleicht zwischen 2000 und 3000 Kilo Hirse ernten. Weizen brächte es unter vergleichbaren Bedingungen jedoch auf bis zu 8000 Kilo. Gleichwohl stelle die Hirse eine Alternative dar. Denn neben dem niedrigeren Wasserverbrauch ist einer der größten Vorteile ihre Verträglichkeit für Allergiker.

Daneben gibt es jedoch auch Verlierer unter den Pflanzen. „Kartoffeln haben Schwierigkeiten mit Hitze“, so von Haaren. Dies bedeute zwar nicht, dass der Kartoffelanbau in Deutschland über kurz oder lang vor seinem Aus stünde. Es sei jedoch absehbar, dass es dort zu einer Verschiebung hin zu hitzeverträglicheren Pflanzen kommen könne. „Mais beispielsweise kommt mit warmen Temperaturen sehr gut zurecht“, sagt sie. Auch die Verlängerung der Vegetationszeit könne für die Landwirtschaft ein großer Vorteil sein. Grundsätzlich stünden wir allerdings noch am Anfang der Entwicklung und es sei nicht absehbar, welche Maßnahmen erfolgreich umgesetzt werden können.

Wasserversorgung der Städte

Dies kann derzeit wohl niemand genau vorhersagen. Denn wie sich die Erwärmung auf Mitteleuropa auswirken wird, ist bislang noch eher ein Nischenprojekt der Klimaforschung. Es scheint jedoch ein logischer und rationaler Schritt zu sein, die Klimaveränderung nicht nur dahingehend politisch zu behandeln, wie sie aufgehalten werden kann. Genau so wichtig wird in der Zukunft die Art und Weise, wie mit den Veränderungen des Klimas gesellschaftlich umgegangen wird. Dabei spielen viele Faktoren eine Rolle. Für große Städte wie Hamburg, Berlin oder München sind das innerstädtische Klima und die Wasserversorgung der vielen Bewohner die Hauptprobleme.

Die ländlichen Gebiete hingegen mit ihren landwirtschaftlich genutzten Flächen, stehen eher vor dem Problem, wie das Land auch dann noch bewirtschaftet werden kann, wenn in Zukunft weniger Wasser zur Verfügung steht. Das Ziel muss sein, entsprechende Strategien zu erarbeiten, um die Gesellschaft auf die Veränderungen des Klimas vorzubereiten und es wurde Zeit, dass die Politik das Projekt Klimzug angestoßen hat.

Zu hoffen bleibt, dass Erfolge bei der Anpassung nicht vergessen lassen, dass eine Erwärmung des Klimas zwar nicht mehr aufgehalten, jedoch durchaus noch begrenzt werden kann. Denn die Erarbeitung von Strategien für eine Anpassung, so wünschenswert sie auch seien, können nicht die Senkung des Ausstoßes von Klimagasen ausgleichen und haben damit auch keinen Einfluss auf die weitere Erwärmung.