Wenn die Erde unbewohnbar wie der Mond wird

Längst diskutieren Politik und Kunst über die Frage, ob und wie sich die Menschen dem Klimawandel anpassen können

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Anfang September 2010 fand in Dessau eine vom Wetterdienst und Bundesumweltamt organisierte Konferenz unter dem Titel "Forschung des Bundes zur Anpassung an den Klimawandel" statt. Schon wird heftig über die verschiedenen Anpassungsmaßnahmen und die Prioritäten gestritten. Denn die Liste der Maßnahmen ist lang und nicht gerade billig.

Sie beginnt bei der Neujustierung von Klimaanlagen in ICE, damit die nicht gerade dann ausfallen, wenn sie am Dringendsten gebraucht werden. Auch die Folgen des Klimawandels für die Versicherungswirtschaft spielen bei der Debatte über die Anpassungsmaßnahmen eine wichtige Rolle. Denn in Gegenden, in denen das Hochwasser oder der Wirbelsturm immer häufiger zuschlagen, wird es für die Betroffenen immer schwerer, sich versichern zu lassen.

Klaus Eisenack und Gerhard Petschel-Held vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung haben das Spiel Keep Cool entwickelt

Fast jedes Wochenende wird irgendwo in Deutschland über Anpassungsstrategien auf den Klimawandel debattiert. Am 13. September ging es in München um die Folgen des Klimawandels für die kommunalen Wassersysteme.

Anpassung oder Vermeidung?

Fast könnte man denken, der Diskurs über die Anpassung an den Klimawandel hat die Diskussion darüber verdrängt, wie sich ein weiterer Klimawandel vermeiden lässt. Weil es dazu schon zu spät ist? Oder weil sich auch in der Debatte ein technokratischer Ansatz durchsetzt, der davon ausgeht, dass die technischen Möglichkeiten so groß sind, dass die Menschen auch den Klimawandel in den Griff bekommen. Debatten über die Änderung der Wirtschafts- und Lebensweise wären dann wieder in Randbereiche abgedrängt.

Einer solchen technokratischen Sichtweise widerspricht das Kompetenzzentrum Klimafolgen und Anpassung, das als Ansprechpartner für die Anpassungsprozesse fungiert, auf seiner Homepage. Dort heißt es:

Treibhausgase, die jetzt in der Atmosphäre sind, beeinflussen das Klima der nächsten Jahrzehnte. Sich auf diese Veränderungen vorzubereiten heißt: rechtzeitig und aktiv auf Klimaänderungen zu reagieren, die bereits nicht mehr vermeidbar sind. Gleichzeitig muss der Klimaschutz zügig voranschreiten. Denn Anpassung ist nur in dem Maße hilfreich, wie man gleichzeitig die Anpassungszwänge nicht weiter wachsen lässt; also heißt die Maxime zügig den Ausstoß der Treibhausgase zu mindern und uns zugleich an die Folgen des Klimawandels anzupassen.

Trotz dieser Klarstellung vermittelt ein Sparziergang durch die Homepage des Kompetenzzentrums den Eindruck, dass beim Klimawandel, wenn schon nicht auf die Technik so doch auf die Regelung von Staat und Behörden vertraut werden kann. Das liegt allerdings auch an der Aufgabenstellung. Da werden detailliert Vorschläge für Alternativen in der Tourismusbranche unterbreitet, wenn witterungsbedingt Skigebieten oder Kurorten das Publikum abhanden kommt. Über die Millionen Menschen, die witterungsbedingt in ihren Heimatorten nicht mehr leben können, erfährt man dagegen auf der Homepage nichts, weil die in der Regel im globalen Süden leben und weil darauf vertraut wird, dass ein immer effektiveres Grenzregime schon verhindern wird, dass sie in den EU-Raum gelangen.

Hermann Josef Hack weist mit seiner Installation in der Ausstellung "Zur Nachahmung empfohlen" auf die künftigen Klimaflüchtlinge hin. Bild: Anne Meier

Zur Nachahmung empfohlen?

Wer sich den globalen Realitäten des Klimawandels stellt, sollte sich eher der Kunst als der Politik widmen. So findet der Besucher auf der Ausstellung Zur Nachahmung empfohlen, die zurzeit in Berlin zu sehen ist, neben viel Ökokitsch auch manchen Einbruch in die Realität. So vermitteln die Zelte, die der Aktionskünstler Hermann Josef Hack auf dem Ausstellungsgelände präsentiert, einen Eindruck von den Klimaflüchtlingen, die aktuell in Pakistan und anderen Ländern darin leben müssen. Hier wird zumindest angedeutet, dass Klimaanpassung mehr sein muss, als nur die Umstellung der Kaufgewohnheiten und neue Tourismusangebote.

Wer ist drin und wer bleibt draußen?

Ganz ohne Wohlfühlfaktor kam eine Ausstellung in Hamburg aus, die ebenso wie die Berliner Exposition von der Kulturstiftung des Bundes gefördert wurde. Schon der Titel Klimakapseln, Überlebensbedingungen in der Katastrophe, machte das deutlich. Die Ausstellung basiert auf dem von Friedrich von Borries herausgegebenen Buch Klimakapseln.

Ilkka Halso, "Museum of Nature", work in progress, ab 2000. Foto: Ilkka Halso

Dort wurden verschiedene zeltähnliche Gebilde präsentiert, die den Menschen vor einem durch den Klimawandel lebensfeindlich gewordenen Planeten Erde schützen soll. In der Kapsel, die auch die Form eines Ganzkörperanzugs haben kann, wird die Nahrungs- und Sauerstoffzufuhr komplett geregelt. Ein kleiner Defekt kann zum Tode führen. Die Ähnlichkeit mit einem für Astronauten konzipierten Raumanzug ist kein Zufall. Tatsächlich wird bei den Modellen an futuristische Konzepte der späten 1960er und frühen 1970er Jahre angeknüpft.

Eine frühe Klimakapsel präsentierte die Ausstellung von Richard Buckminster Fuller/Shoji Sadao: "Dome over Manhattan", um 1960, Courtesy The Estate of R. Buckminster Fuller

Nur der Kontext hat sich geändert. Träumten damals fortschrittsgläubige Wissenschaftler davon, das Weltall von einer durch die Technik prosperierenden Erde aus kolonisieren zu können, dienen die Kapseln in der Hamburger Ausstellung als Fluchtort von einer Erde, die durch den Klimawandel unbewohnbar geworden ist. Nach dieser Horrorvision könnten einige wenige, die es sich leisten können, in einer Art kosmischer Arche Noah die Katastrophe zumindest für kurze Zeit überleben. Wie nah Vision und Realität in der Ausstellung beieinander liegen, zeigt die Arbeit ParaSite von Michael Rakowitz.

Dabei handelt es sich um ein Zelt für Obdachlose, das in der Nähe der Häuser der Sesshaften aufgespannt und von der dort erzeugten warmen Abluft aufgeblasen wird. Rakowitz hat diese Zelte entwickelt, nachdem in seiner kanadischen Heimatstadt die U-Bahnschächte umgestaltet wurden, so dass Obdachlose dort nicht mehr Zuflucht vor der Witterung nehmen konnten. "Wollen wir so leben?", lautete die Frage, die sich der Besucher am Ende der Ausstellung stellen konnte.

ParaSite. Bild: Michael Rakowitz

"Wer darf überhaupt so leben?", heißt die Frage, die auf der gesamten Ausstellung immer mitschwang. Denn dass die Klimakapsel keine Lösung für die Menschheit sondern für eine kleine Elite, wäre, ist völlig klar. Wer in der Kapsel darf und wer draußen bleiben muss, könnte dann aber über Leben oder Tod entscheiden. Die Ausstellung ist in diesen Sinne völlig realistisch. Denn auch heute ist der Klimawandel schon eine Frage des Ein- oder Ausschlusses. Während ein alpiner Bewohner sich über veränderte Tourismuskonzepte informieren kann, muss ein Pakistani froh sein, wenn er ein Zelt zum Überleben findet.