Warum sind die Managergehälter in den letzten Jahrzehnten so in die Höhe geschossen?

US-Soziologen glauben, dafür einen wichtigen Grund gefunden zu haben, der wenig mit Leistung und freiem Arbeitsmarkt zu tun hat

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In den letzten Jahrzehnten sind die Managergehälter in die Höhe geschossen. So bezog ein Manager der 350 größten US-Unternehmen im Jahr 2004 ein Einkommen, das 240 Mal höher lag als das des durchschnittlichen Angestellten. 1980 lag dieses Verhältnis noch bei 35:1. 2008 lag das Verhältnis bei 319:1. Inflationsbereinigt sind die Managergehälter zwischen 1980 und 2003 um 480 Prozent gestiegen.

In Deutschland ist das noch etwas gemäßigter. Hier ist das Verhältnis der Pro-Kopf-Gehälter von Angestellten und Vorstand durchschnittlich vom 14-Fachen 1987 auf das 44-Fache im Jahr 2006 gestiegen (Managergehälter reloaded). Allerdings gibt es hier große Unterschiede. So ist die CEO-to-Worker-Pay-Ratio in der Deutschen Bank von 31 im Jahr 1992, auf 286 im Jahr 2000 und 240 im Jahr 2003 angewachsen.

Soziologen von der Columbia University haben versucht, eine Erklärung für das Hochschießen der Managergehälter zu finden, das zugleich die Einkommensschere in den USA – und in anderen Ländern – massiv vergrößert hat. Wie Thomas DiPrete, der leitende Autor der Studie, die im American Journal of Sociology erschienen ist, sagt, könnte der Grund schlicht auf die vor allem in den USA verbreitete Praxis des Benchmarking für die CEO-Spitzengehälter zurückgehen. Diese Praxis hat sich seit den 1970er Jahren durchgesetzt, ab denen die Gehälter der Top-Manager überdurchschnittlich schnell gewachsen sind und zu einer wachsenden Einkommensschere zwischen ihnen und den übrigen Angestellten geführt haben.

Dabei werden die Managergehälter ähnlicher Unternehmen verglichen, um ein im Vergleich zu einer bestimmten Gruppe angemessenes Gehalt zu finden. Die immer weiter wachsenden Einkommen der Top-Manager haben nicht nur mit einem "Superstar"-Arbeitsmarkt für Supermanager zu tun und auch nicht alleine mit verfehlter Unternehmenspolitik, weil die Manager zu mächtig wurden, sondern resultiert teilweise aus strukturellen Prozessen, die eine der Hauptursachen für die Anomalie der Managergehälter in den USA sind, die sich allerdings mittlerweile weltweit verbreitet hat.

Da Managergehälter bekanntlich auch dann gestiegen sind, wenn die Unternehmen keine Gewinne machten und in die Pleite rutschten, können die Steigerungen kaum auf Leistung zurückgeführt werden. Da es immer wieder Ausreißer (leapfrogger) gibt, können diese die Gehälter auch von anderen nach oben ziehen, wodurch sich schließlich allgemein, ganz unabhängig vom Erfolg des Unternehmens oder der Manager, die Managergehälter durch einen "Ansteckungseffekt" beträchtlich durch "leapfrogging" erhöhen – jenseits eines freien Markts von Angebot und Nachfrage.

Die Wissenschaftler haben aufgrund von Gehaltsregeln Gruppen ähnlicher CEOs ausgewählt, die in den jährlichen Gehaltslisten von Standard and Poor's (ExecuComp) aufgeführt werden. Dort werden jeweils von großen Firmen die Einkommen der fünf höchsten Manager aufgeführt. Diese Gruppen haben sie dann zwischen 1992 und 2006 verfolgt und kamen mittels einer Simulation zu dem Ergebnis, dass "Leapfrogging" durch Benchmark-Vergleiche etwa die Hälfte der in dieser Zeit erfolgten Gehaltserhöhungen ausgemacht hat. Die Erhöhung einiger Managergehälter von Unternehmen, die nicht darauf achten, dass diese der Leistung und dem Erfolg entsprechen, kann so, wie die Soziologen sagen, zu scheinbar legitimen Gehaltserhöhungen bei anderen führen. Erstaunlich dabei ist auch, dass die "Mobilität" der Manager mit den höchsten Einkommen nicht sonderlich hoch ist, sie bleiben also normalerweise in der Einkommensklasse, in der sie waren und steigen mit dieser auf. Der Wechsel von einem Unternehmen in ein anderes hat normalerweise eine Einkommensverbesserung zur Folge.

Möglicherweise verändern die neuen Regeln, die die SEC nach den Pleiten von Enron und WorldCom aufgestellt haben, den Prozess der Spirale nach oben. Jetzt müssen die Unternehmen nämlich auch die "Peer Group" mit angeben, nach denen sich die Gehälter der Manager richten. Das war früher nicht notwendig, so dass die Auswahl ziemlich willkürlich war, während sie jetzt von den Shareholdern überprüft werden kann. Dazu komme seit der Finanzkrise der wachsende gesellschaftliche Druck auf eine Begrenzung der hohen Managergehälter.