Freiwillige Selbstkontrolle beim Outsourcing der Gesetzgebung

Auch in Zukunft sollen, so die Bundesregierung, Anwaltskanzleien bei der Erarbeitung von Gesetzen mitwirken

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Großkanzleien, die an Gesetzentwürfen mitschreiben – spätestens seitdem die Mitwirkung der Kanzlei Freshfields, die die Finanzindustrie weltweit vertritt, am Finanzmarktstabilisierungsgesetz bekannt wurde, ist dieses Thema verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Der Verdacht, dass hier Interessenvertreter für ihre eigene Klientel Gesetze formulieren liegt nahe. Allein im Bereich der Finanzmarktgesetzgebung gibt es eine Reihe ähnlicher Fälle.

Für die Bundesregierung und die betroffenen Ministerien ist dieses Gesetzgebungsoutsourcing offenbar kein Problem, jedenfalls ist ein Abrücken von dieser Form der Gesetzesentstehung nicht absehbar. Daher beschäftigte sich das erst Ende 2009 gegründete Institut für Gesetzgebung und Verfassung auf einer Tagung mit dieser Problematik.

Max Stadler (FDP), Parlamentarische Staatssekretär im Justizministerium. Foto: S. Duwe

Warum aber lagern Ministerien die Erarbeitung von Gesetzentwürfen an private Anbieter aus? Lobbyismus und die Faulheit der eigenen Beamten, so erklärte der Parlamentarische Staatssekretär im Justizministerium, Max Stadler (FDP), fielen jedenfalls aus. Vielmehr sei die Auftragsvergabe an Kanzleien dann sinnvoll, wenn binnen sehr kurzer Zeit eine Regelung geschaffen werden müsse. Mitunter sei es eine langwierige Angelegenheit, bis im eigenen Haus eine Linie "festgeklopft" ist, zudem gebe es im üblichen Verfahren vorweg Abstimmungen mit den Koalitionspartnern, dem Bundesrat und dem Bundestag. Beim Einsatz einer Anwaltskanzlei kann darauf verzichtet werden. Zudem sei wirkliches Fachwissen eher außerhalb der Ministerien anzutreffen als innerhalb. Da Themen wie die Finanzmarktkrise nun einmal nicht leicht in Gesetze zu gießen seien, findet Stadler es legitim, Dritte mit einzubeziehen.

Kritik an der Haltung des Staatssekretärs kam von Staatsrechtler Matthias Rossi. Zwar könnten staatliche Akteure keinen Anspruch darauf haben, die Wahrheit zu formulieren, weshalb die Einbringung von externem Sachverstand auch die Akzeptanz von Gesetzesvorhaben erhöhen könne. Jedoch schwinde diese allgemeine Akzeptanz wieder, sobald man sehe, wer da Einfluss auf die Gesetzgebung nimmt. Das Argument, Kanzleien arbeiteten schneller, will er nicht gelten lassen: Demokratie sei auch die Pflicht zur Langsamkeit, so Rossi. Zudem fänden alle wesentlichen Formen der Beeinflussung vor dem eigentlichen Gesetzgebungsakt statt. Damit würde das Parlament auf seine Form reduziert, der inhaltliche Einfluss schwinde.

Matthias Rossi lehrt Staats- und Verwaltungsrecht, Europarecht sowie Gesetzgebungslehre an der Universität Augsburg. Foto: S. Duwe

Ähnlich sieht das auch der Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer Axel Filges. Zwar steht er dem Gesetzgebungsoutsourcing prinzipiell offen gegenüber, jedoch weiß auch er: verhandelt werden die Gesetze, die auf dem Tisch liegen. Damit bestimme auch derjenige, der den Entwurf erarbeitet, den Rahmen der anschließenden Entscheidungsfindung. Was nicht im Entwurf stehe, werde auch nicht mehr beraten, stattdessen werde nur noch über Formulierungen gestritten. "Beratung ist immer Mitentscheidung", brachte Ulrich Battis das Problem auf den Punkt.

Für Staatssekretär Stadler ist eine Beeinflussung der Gesetzgebung durch die Anwaltskanzleien jedoch nicht gegeben – immerhin gelte das "Strucksche Gesetz", wonach kein Gesetz den Bundestag so verlasse, wie es hineinkomme. Da die Entscheidungsmacht letztlich bei dem liege, der den Entwurf zu verabschieden habe, sei es egal, wie ein Gesetz entstanden ist. Wichtig sei jedoch höchste Transparenz und die richtige Auswahl der Kanzleien.

Wie diese Transparenz in der Praxis mitunter aussieht, zeigt eine Antwort der schwarz-roten Bundesregierung auf die Frage von Rainer Brüderle (FDP), welche Beratungsinstitutionen, einschließlich Anwaltskanzleien, an welchen Gesetzen mitgewirkt haben: Bei zahlreichen Gesetzentwürfen findet sich dazu schlicht die Bemerkung "keine Angabe". Der Grund: In einer vorangegangenen Antwort der Regierung auf eine Anfrage zum selben Thema von Wolfgang Neskovic (Linke) nannte die Bundesregierung bereits die gezahlten Honorare. Um das "Betriebs- und Geschäftsgeheimnis" zu wahren, weigerte sich die Regierung, die Namen der Berater herauszugeben. Echte Transparenz ist so kaum möglich. Dabei wäre diese Form der Geheimhaltung unnötig, wie Kai von Lewinski ausführte: Da der Mandant Herr des Verfahrens sei, dürfe dieser über die Umstände des Mandats sprechen – und damit auch über das Honorar.

Was bleibt, ist das Risiko eines Interessenkonfliktes. Erarbeitet eine Kanzlei einen Gesetzentwurf zu einem finanzpolitischen Thema und zählt gleichzeitig Banken zu ihrem Mandantenkreis, könnte diese geneigt sein, den Entwurf zugunsten ihrer Auftraggeber aus der Privatwirtschaft zu beeinflussen. Das sehen die auf dem Gebiet der Gesetzschreibung aktiven Kanzleien freilich anders. So ist beispielsweise Norbert Wimmer von der Kanzlei White & Case der Ansicht, dass schon alleine deswegen keine "hidden agenda" zu befürchten sei, weil ein Anwalt berufsrechtlich nur dem Mandanten verpflichtet ist.

Zu glauben, dass eine berufsrechtliche Regelung eine effektive Maßnahme sei, um ungewollte Einflussnahme auf Gesetzestexte zu unterbinden, ist freilich naiv. Wer also kontrolliert die Mitarbeit der Kanzleien an Gesetzen und klopft die Beteiligten systematisch auf Interessenkonflikte ab? Die Antwort gibt die Bundesregierung selbst: "Es ist Verpflichtung der Auftragnehmer, die Einhaltung standesrechtlicher und gesetzlicher Vorgaben zu gewährleisten." Die beauftragte Kanzlei soll also selbständig nach Interessenkonflikten suchen, auf diese hinweisen und gegebenenfalls von ihrem Mandat, und damit einem lukrativen Auftrag, zurücktreten. Ein derartiger Fall ist bisher im Zusammenhang mit Gesetzgebungsoutsourcing allerdings noch nicht bekannt geworden.