Zwischen Rollenspiel und Charakterprüfung

Spartanisch und übersichtlich: Die Benutzeroberfläche von "Die Verdammten" ist nach einem einführenden Tutorial schnell verständlich. Seitenlange Spielregeln dringen zusätzlich und detailliert in die Taktikmöglichkeiten vor.

Zombiespiele gibt es wie Sand am Meer - aber keines so wie "Die Verdammten"

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Bisher kann man Zombies zwar auf jede nur erdenkliche Weise abschlachten, wie im Action-Adventure "Dead Rising 2" (das Hersteller Capcom der USK erst gar nicht vorgelegt hat), sie massenhaft abschießen, wie im Coop-Ego-Shooter "Left 4 Dead 2", oder sie systematisch ausrotten, wie im Tower-Defense-Game "Plants vs. Zombies".

"Die Verdammten" dreht den Spieß beinahe um und lässt 40 Leute lediglich einen Plan aushecken, wie sie ihren Tod im Kampf gegen Zombies ein wenig hinauszögern können. Denn eines steht fest und gehört zur Spannung: das schrittweise Ableben aller Spieler. Wann allerdings das wirkliche Ende eintritt, liegt einzig und allein am guten Zusammenspiel der einzelnen Teilnehmer.

Helden zahlen extra

"Die Verdammten" ist ein Browsergame jenseits von "Farmville" und Co. und auch fernab prachtvoller Grafiken herkömmlicher Computerspiele. Vielmehr handelt es sich um ein komplexes Strategie-Browserspiel, dessen spielerische Action eher sekundär stattfindet. Das eigentliche Gameplay ist eher die Simulation einer kleinen Gesellschaft in einer Extremsituation, die, ohne Aussicht auf dauerhaften Erfolg, jede Menge leisten muss, um ihr Dasein zu verlängern. Das Spielgeschehen handelt in einer postapokalypischen Welt - eine von Wüste umgebene Stadt, die von Zombies belagert wird und nachts um 12 (Echtzeit) ihrem Angriff ausgesetzt ist.

Jeder Spieler übernimmt eine Rolle, die er nach der Anmeldung zum Bürger dieser 40-köpfigen Gemeinschaft zugewiesen bekommt. Spieler, die ein Premium-Account für 12 Euro pro effektivem Spielzeitmonat buchen (progressive Rabatte sind möglich), heißen Helden und haben diverse Vorteile gegenüber Spielern der kostenlosen Variante - auch, wenn alle letztlich untereinander vermischt werden und ein- und dasselbe Spiel spielen. Helden können zu Beginn einen Beruf auswählen und bestimmen, ob sie statt normaler Einwohner Aufklärer, Buddler oder Wächter sein wollen. Einwohner sind Alleskönner, die auf nichts spezialisiert sind und dort einspringen, wo einer der drei anderen Berufe gebraucht wird. Die Spezialfähigkeiten der Helden beeinflussen den Spielerfolg um einiges mehr: Aufklärer sind Tarnexperten, die sich an Zombies vorbeischleichen können. Buddler graben viel und haben mehr Erfolg bei der Suche nach Ressourcen. Und Wächter sind Kampfexperten, die es, im Gegensatz zum Durchschnittsbürger, mit doppelt so vielen Zombies aufnehmen können.

Überlebenskampf in der Gruppe

Jede Handlung aller einzelnen Spieler muss wohl überlegt sein. Pro Tag erhalten sie sechs Aktionspunkte, mit denen sie wirtschaften müssen und die sie für Tätigkeiten wie die Erkundung der Wüste oder den Bau von Gebäuden investieren müssen. Durch das Trinken von Wasser, den Konsum von Nahrung oder die Einnahme medikamentöser Drogen gewinnen sie weitere Aktionspunkte hinzu, so dass sie am Ende des Tages bis zu achtzehn davon einsetzen konnten. Ähnlich wie bei einem Managerspiel ist der Bildschirm in verschiedene Bereiche aufgeteilt, die u. a. Statistiken der einzelnen Spieler darstellen oder Aktionen in der Außen- bzw. Innenwelt der Stadt auflisten. In ausgedehnten Forumsgesprächen einigt sich die Stadt auf eine Taktik wie die Durchführung von Bauprojekten, zu denen jeder seinen Anteil beiträgt. Während innerhalb der Stadt an Werkstätten und Wachtürmen gebaut wird und ein möglichst streng kalkulierter Schutzwall gegen die Angreifer entsteht, machen sich kleinere Gruppen tagsüber auf in die Wüste, um nach nötigem Baumaterial zu suchen.

Ressourcenmanagement und die Aufteilung sinnvoller Aktionen: Die 40 Einwohner einer Stadt müssen möglichst effizient miteinander "leben".

Wenn schließlich die Nacht naht, müssen alle Spieler wieder auf ihrem Posten hinter geschlossenen Stadttoren erscheinen. Spieler, die den Zeitpunkt der Schließung verpassen, sind schutzlos verloren und ausgeschieden. Doch das ist nicht die einzige Art umzukommen. Neben dem Tod durch Zombies können Spieler verdursten, sich vergiften oder an Infektionen sterben. Ein neues Spiel startet trotzdem nicht von Beginn an. Sämtliche Tätigkeiten und Erfolge werden als Statistik unter dem Dach der individuellen Account-"Seele" gesammelt. In der Stadt verdichten sich derweil mit dem Ausscheiden von Spielern die Probleme und die Chancen der Überlebenden auf einen weiteren Tag sinken hoffnungslos gen Null.

Harmonie im Untergang oder Hinterhalt und Sabotage?

Hierzulande werden seit Einführung des Spiels durchschnittlich sieben Tage Spieldauer erreicht, in die sich die Teilnehmer frei nach Lust und Laune einloggen können, um ihrem Charakter Aufgaben zuzuweisen. Wer zuletzt überlebt, kriegt die meisten Seelenpunkte, deren Gesamtzahl u. a. bestimmt, welche Spieler bei der nächsten Runde zusammengewürfelt werden.

Die Organisation aller Tätigkeiten im sozialen Gruppengefüge macht den Spielspaß von "Die Verdammten" aus. Das Stadtforum ist für eine bessere Übersicht untergliedert in verschiedene Themengebiete und kleinere Expeditionen haben ihren eigenen Chat-Kanal.

"Die Verdammten" muss nicht zwingend kooperativ gespielt werden. Einzelgänger können egoistisch an ihrer alleinigen Sicherheit arbeiten, Machtkämpfe mit anderen Anführertypen ausfechten, Mitbürger bestehlen oder zum eigenen Vorteil Pläne der Gesamtheit sabotieren. Die Spannbreite der Ergebnisse ist riesig. Mit Verhandlungsgeschick können sie Ansichten durchsetzen. Gehen sie erfolglos aus, droht Ihnen die Verbannung und im schlimmsten Fall der gemeinschaftlich verhängte Strick. Um zusätzlich und bis zum letzten Moment Spannung durch die Ungewissheit der gegenseitigen Treue zu erzeugen, ist es sinnvoll, die 40-köpfige Spielergruppe per Zufall zusammenzustellen. Oder zumindest fast per Zufall, denn Helden haben gegenüber Normalbürgern den weiteren Vorteil, vor Spielbeginn fünf Leute aus ihrem Freundeskreis einzuladen. So entstehen interessante Sozial-Konstellationen für unterschiedlich spannende und pädagogisch interessante Spielszenarien - irgendwo zwischen Rollenspiel und Charakterprüfung.