Lieber nicht lesen

Warum Ärzte Informationen von Pharmaunternehmen besser nicht lesen sollten

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In den USA gaben Pharmaunternehmen 2004 knapp 60 Milliarden Dollar für Werbung aus - fast ein Viertel ihres Gesamtumsatzes. Ein Teil davon wird in Informationen für Profis investiert: Ärzte und Apotheker, deren Verschreibungs- und Empfehlungsverhalten die Umsätze wesentlich beeinflusst. Für Frankreich liegen Schätzungen vor, wonach die Arzt-Information etwa drei Viertel der gesamten Werbeausgaben ausmacht - 2004 waren das rund 3,3 Milliarden Euro. In Deutschland, wo an Verbraucher gerichtete Werbung für verschreibungspflichtige Medikamente wie in allen EU-Staaten nicht erlaubt ist, dürften die Verhältnisse ähnlich liegen.

Was sich die Branche davon verspricht, mit horrenden Kosten Fachkreise gezielt über neue Wirkstoffe und Arzneimittel zu informieren, darüber lässt sich nur spekulieren. Immerhin ist klar, dass Unternehmen im Interesse ihrer Anteilseigner vor allem den eigenen Gewinn maximieren müssen. Nach eigener Aussage geht es aber zumindest auch darum, die Ärzte über Wirkungen, Nebenwirkungen und Risiken zu informieren, wissenschaftliche Informationen zu verbreiten, die Forschung und die Aus- und Weiterbildung zu unterstützen und von den Profis Feedback zu den eigenen Produkten zu erhalten.

Doch wie wirkt die Werbung wirklich, wie zahlen sich die Milliarden-Beträge aus? Verschreiben gut informierte Ärzte klüger als solche, die sich nicht von Pharmavertretern besuchen lassen? Fragt man Ärzte, halten diese die Broschüren der Pharmaunternehmen in der Regel für nützlich und bequem - und sich selbst für unabhängig genug, das eigene Verhalten nicht von der zielgerichteten Werbung beeinflussen zu lassen. Im online frei verfügbaren Fachmagazin PLoS Medicine untersucht ein internationales Forscherteam nun, wie Anspruch und Wirklichkeit zusammenpassen.

Höhere oder gleich bleibende Verschreibungskosten

Die Autoren haben die Form einer Metastudie gewählt - sie fassen die Ergebnisse einer großen Zahl von Studien zusammen, die sich mit dem Zusammenhang zwischen Pharma-Information und Verschreibungsverhalten befassen. Das Ergebnis ist recht eindeutig: Patienten und Gesundheitssystem kämen besser weg, würden die Ärzte auf das Lesen von Pharmawerbung verzichten. Jede der 51 untersuchten Studien, die den Zusammenhang zwischen dem Konsum von PR-Material und der Verschreibungshäufigkeit zum Gegenstand hatte, attestierte eine zunehmende oder mindestens konstante Häufigkeit der Verschreibung des betreffenden Medikaments.

Von 58 Studien, die auch die Qualität des Verschreibungsverhalten beurteilten, zeigten 57 eine sinkende oder gleich bleibende Qualität auf. Acht von neun Studien, die den Fokus auf die Relation zwischen Pharmawerbung und Verschreibungskosten setzten, mussten bei Ärzten, die die Arzneimittel-Informationen gelesen hatten, auch höhere oder gleich bleibende Verschreibungskosten konstatieren. Da die Studienteilnehmer nicht randomisiert ausgewählt worden waren, können die Forscher allerdings nicht mit Sicherheit eine Ursache-Wirkungs-Beziehung diagnostizieren.

Das Fazit bleibt deshalb relativ gutmütig: Ob vielleicht und unter Umständen doch eine Verbesserung des Verschreibungsverhaltens auftrete, lasse sich nicht mit Sicherheit ausschließen. Der Vorsicht halber rate man Ärzten aber doch, Informationen aus der Pharmabranche besser nicht zu lesen.