Abstimmung am Donnerstag

Links die bisher geltenden Reststrommengen, die vor zehn Jahren festgeschrieben wurden, rechts, die neu zugestandenen Mengen. Bild: Ausriss aus "Entwurf eines Elften Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes" vom 28. September 2010

Die Energie- und Klimawochenschau: Bundestag entscheidet über die Verlängerung der AKW-Laufzeiten, Opposition bereitet Klage vor dem Verfassungsgericht vor

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Am Donnerstag ist es so weit, dann stimmt der Bundestag über die Änderungen des Atomgesetzes und einige begleitende Gesetze ab. In den Vorstandsetagen der vier großen AKW-Betreiber werden sicherlich die Sektkorken knallen, wenn die Laufzeitverlängerung gesetzlich fixiert ist, doch deren Gegner werden noch nicht das Handtuch werfen. Das Gesetzespaket wird, wie es bisher aussieht, umgehend nach Karlsruhe weitergeleitet werden.

Bei den Oppositionsparteien sammelt man eifrig an Material für eine Klage vor dem dortigen Bundesverfassungsgericht. Neue Munition lieferten ihnen die Regierungsfraktionen am Montag, als sie es im Umweltausschuss des Bundestages zum Eklat kommen ließen. Dort sollte über das zum Paket gehörende Kernbrennstoffsteuergesetz sowie das Gesetz zur Errichtung eines Sondervermögens "Energie- und Klimafonds" beraten und abgestimmt werden. Doch noch bevor es zur Abstimmung kommen konnte, erklärten die Vertreter von Union und FDP die Versammlung um 18 Uhr für beendet. Begründung: Die Sitzung sei nur bis zu diesem Zeitpunkt beantragt gewesen.

Nun wird am heutigen Dienstag der Wirtschaftsausschuss abschließend über die beiden Gesetze diskutieren, ohne dass seine Kollegen vom Umweltausschuss ein Votum haben abgeben können. Juristisch ist das vermutlich zulässig, meint einschränkend Ralph Lenkert, Obmann der Linksfraktion im Umweltausschuss, aber auf jeden Fall halten er und die anderen Fachpolitiker der Oppositionsparteien das Vorgehen für höchst undemokratisch.

Insofern ist der Vorgang symptomatisch für das von der Bundesregierung gewählte Verfahren. Das fängt bei den in aller Heimlichkeit mit den Stromkonzernen abgeschlossenen Verträgen an (siehe Bund übernimmt auch Kosten für die Asse und Sicherheit? Egal), geht über die Eile, die jede ernsthafte öffentliche Debatte unmöglich macht und endet bei der geplanten Missachtung des Bundesrates, in dem die Regierung keine Mehrheit für ihre Pläne erwarten kann.

Was passiert mit den Altmeilern?

Doch einige Bundesländer werden sich das nicht gefallen lassen und ähnlich wie die Oppositionsfraktionen vors Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe gehen. Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz und Bremen werden derzeit von der SPD regiert und werden wohl am ehesten gegen die Bundesregierung prozessieren. Eine Entscheidung der Verfassungsrichter kann sich ohne weiteres bis zur nächsten Bundestagswahl hinziehen. Wenn es ganz schlecht für die Bundesregierung läuft, dann könnte Karlsruhe einem Eilantrag der SPD stattgeben und das Gesetz vorläufig aufhalten.

Links die bisher geltenden Reststrommengen, die vor zehn Jahren festgeschrieben wurden, rechts, die neu zugestandenen Mengen. Bild: Ausriss aus "Entwurf eines Elften Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes" vom 28. September 2010

Das könnte besonders spannend werden, denn dann stellt sich die Frage, was aus den sieben ältesten AKW (Biblis A und B, Neckarwestheim 1, Brunsbüttel, Isar 1, Unterweser und Philippsburg 1) wird. Alle sieben haben nämlich bereits ihre bisher geltenden Reststrommengen so gut wie aufgebraucht, sodass die Meiler sämtlich in spätestens drei Jahren abgeschaltet werden müssten. In Neckarwestheim 1 reicht es bei Volllast gerade noch für einige wenige Monate.

Auffällig an der Gesetzesnovelle ist übrigens, dass ausgerechnet die sieben Uralt-Meiler mit überproportional großen Reststrommengen bedacht werden sollen. In den meisten Fällen ist annähernd eine Verdoppelung der bisherigen Menge vorgesehen, in einem Fall werden sogar über 100 Prozent drauf geschlagen. Damit würde es wohl bis zur Mitte der 20er Jahre dauern, bis diese Anlagen endlich vom Netz gingen. Biblis A wird dann eine Laufzeit von 50 Jahren auf dem Buckel haben, das jüngste der Siebener-Riege, Philippsburg 1, immer noch 45 Jahre. Die deutsche Atomtechnik würde damit technisches Neuland betreten, denn mit derartig langen Laufzeiten gibt es bisher keine Erfahrungen.

Fraktionszwang?

Die Entscheidung, vor der die Abgeordneten am Donnerstag stehen, wird also auf jeden Fall weitreichende Folgen haben, und insofern wäre es sicherlich angebracht, dass die Abstimmung namentlich erfolgt. Bei der Linksfraktion wird derzeit diskutiert, ob ein entsprechender Antrag gestellt werden soll. Dann könnte es noch mal richtig interessant werden, denn auch einige Abgeordnete der Regierungsfraktionen haben sich kritisch über die Laufzeitverlängerung geäußert (siehe CSU-Abgeordneter will Privilegien abschaffen).

Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) weist darauf hin, dass sich sieben Abgeordnete der Regierungsfraktionen bei einer von ihm vor der letzten Bundestagswahl durchgeführten Befragung, für das Festhalten am geplanten Atomausstieg ausgesprochen haben. Unter anderem gehörten dazu der CSU-Abgeordnete und Obmann der Unionsfraktion im Umweltausschuss Josef Göppel sowie die Unionsabgeordneten Frank Heinrich und Peter Beyer. Sieben weitere hätten sich in der Befragung als unentschieden gezeigt.

Auch der FDP-Abgeordnete Sebastian Blumenthal aus Kiel hat sich kürzlich gegen Laufzeitverlängerungen ausgesprochen, womit er ganz auf der Linie seines Landesverbandes liegt. Sollte am Donnerstag tatsächlich namentlich abgestimmt werden, könnten die Wähler zumindest nachvollziehen, ob die Abgeordneten zu ihrer Meinung stehen oder sich einem eigentlich nicht vorgesehenen Fraktionszwang unterwerfen. Allzu knapp dürfte es für die Regierung dennoch nicht werden, denn ihren 332 Abgeordneten stehen nur 290 der Opposition gegenüber. Selbst wenn diese 15 Stimmen Verstärkung aus dem Regierungslager erhielte, hätte dieses noch immer eine Mehrheit.

Krise? Welche Krise?

Den Konzernen, die von der Laufzeitverlängerung profitieren werden, steht unterdessen offensichtlich ein neues Rekordjahr bevor. Nach einer kleinen Untersuchung haben E.on, RWE und EnBW in den ersten beiden Quartalen 2010 bereits einen Gewinn von rund 15 Milliarden Euro eingefahren. Es sieht also alles danach aus, dass sie in diesem Jahr ihr bisher bestes Ergebnis von etwas über 23 Milliarden Euro aus dem Jahr 2009 noch einmal überbieten werden. Ein besonderes Geschmäckle hat es da, dass E.on einen – zugegebener Maßen sehr kleinen – Teil seines Gewinns dafür investiert, in den USA rechte Kandidaten zu unterstützen, die Klimaschutzpolitik bekämpfen ( Geld von europäischen "Klimasaboteuren" für Tea-Party-Kandidaten).

Aber die Spitzen der hiesigen Wirtschaft halten offensichtlich nichts von einer progressiven Industriepolitik, die auf den raschen Einsatz neuer Technologien setzt, um die nötige Umstrukturierung ohne unnötige Reibung über die Bühne zu bringen. Lieber lässt man sich weiter den exzessiven Einsatz von Energie vergünstigen, wie sich am Montag zeigte. Die Bundesregierung verzichtet großzügig auf 1,5 Milliarden bereits eingeplante Steuermehreinnahmen. Eigentlich hätte nämlich demnächst der Rabatt auslaufen sollen, den industrielle Großverbraucher von Strom auf die Stromsteuer bekommen. Der wird jetzt jedoch in nahezu alter Höhe beibehalten, sodass auch künftig Energieverschwender belohnt werden ("Klima-Kanzlerin" fällt mal wieder um).

Natürlich wird wie immer mit den Arbeitsplätzen argumentiert, aber auf die Idee, dass eine – moderate – Stromverteuerung auch ein Anreiz zur Modernisierung der Produktion bedeuten würde und damit langfristig Arbeitsplätze sichern würde, scheint keiner zukommen.

Solarthermie vor dem Durchbruch?

Anderswo ist das Innovationsklima offensichtlich freundlicher. In China setze Regierung und Parlament nicht nur regelmäßig ehrgeizige Ziele zur Steigerung der Energieeffizienz der Volkswirtschaft, in deren Rahmen unter anderem systematisch alte Anlagen aus dem Verkehr gezogen werden, auch neue Technik wird aktiv gefördert.

Neuestes Feld ist die Stromgewinnung mittels Solarthermie. Derzeit läuft ein Bieterverfahren für verschiedene Projekte, die zusammen einige hundert Megawatt Leistung haben werden. Noch gibt es bei den Entscheidungsträgern einige Vorbehalte, unter anderem, weil die Anlagen meist Wasser zur Kühlung brauchen, das in den meisten der in Frage kommenden Regionen im Westen des Landes eher Mangelware ist. Sollten die Kraftwerke allerdings zuverlässig und zu vertretbaren Preisen Strom liefern, könnten sie sozusagen das Eis brechen. Chinas Potenziale sind erheblich, denn viele Regionen im weiten Westen des Landes verfügen über reichlich Sonnenstunden.

In einem solarthermischen Kraftwerk wird die einfallende Sonnenstrahlung mit Spiegeln konzentriert und dadurch ein Medium erhitzt. Das kann mit Parabolrinnen erfolgen, durch deren Brennpunkt – Brennlinie müsste man wohl eher sagen – ein Rohr mit einem Spezialöl läuft. Eine andere Möglichkeit ist, dass einige hundert nachführbare Spiegel, sogenannte Heliostate, das Licht auf einen gemeinsamen Brennpunkt lenken.

In beiden Fällen wird mit dem erhitzten Öl oder Salz Wasserdampf erzeugt, der eine Dampfturbine antreibt. In beiden Fällen lässt sich ein Teil der Wärme speichern, sodass auch nach Sonnenuntergang noch Strom gewinnen lässt. Die Schwachstelle ist jeweils die Kühlung des Wasserdampfs. Wie in Kohle- oder Atomkraftwerken kann diese mit Kühlwasser oder -türmen bewerkstelligt werden, was jedoch einen erheblichen Wasserverbrauch bedeutet. In Wüstenregionen ein eindeutiges Handikap. Einige der Entwickler, die in China mitbieten, planen daher eine Luftkühlung, doch das wird die Effizienz der Kraftwerke wahrscheinlich erheblich mindern.

In Australien soll dennoch der Versuch gemacht werden. Von dort wird berichtet, dass gerade der Bau einer kleinen 0,2 Megawatt Pilotanlage eines luftgekühlten Solarkraftwerks begonnen habe. Heliostate sollen dort Sonnenstrahlung auf einen Behälter mit Salz konzentrieren, wodurch dieses auf bis zu 1000 Grad erhitzt wird. Die se Wärmeenergie wird an einen Strom von Druckluft abgegeben, deren Druck dadurch erheblich erhöht wird, wodurch eine Turbine angetrieben werden kann.

Vielleicht ja auch ein Konzept für Chinas Wüsten. Die Volksrepublik ist bereits, was die Nutzung der Sonnenstrahlung für Warmwasser und Heizung angeht, weltweit führend, aber die Solarthermie-Kraftwerke werden, abgesehen von einigen Versuchsanlagen, die ersten in ganz Asien sein. Allerdings wird auch in Thailand und Indien bereits sehr konkret über den Bau entsprechender Anlagen diskutiert.