Gezielte Schläge, aber keine Wende

Afghanistan/Pakistan: Erfolgsmeldungen über getötete Talibananführer ändern wenig an der skeptischen Lageeinschätzung von US-Geheimdiensten

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Die Intensivierung der US-Drohnenangriffe auf Talibanführer im pakistanischen Nord-Waziristan hat laut Zeitungsberichten einigen Erfolg. Dennoch äußern sich Pentagon-Vertreter und amerikanische Geheimdienste sehr skeptisch gegenüber militärischen Aussichten im Krieg gegen die Taliban in Afghanistan.

Qari Hussain Mehsud, ein wichtiger Kopf der pakistanischen Taliban (TTP), wurde Anfang des Monats getötet, wie der gewöhnlich gut unterrichtete Pakistan-Büroleiter von Asia Times, Syed Saleem Shahzad, heute berichtet. Seinen Angaben nach war Mehsud ein Spezialist für die Ausbildung von Selbstmordbombern. 12 mal soll er Versuchen, ihn durch Drohnenangriffe zu töten, entkommen sein. Shahzad lässt anklingen, dass der tödliche Angriff auf Mehsud Anfang Oktober mit Informationen zu tun haben könnte, die von Faisal Shahzad stammen. Shahzad wurde in den USA verhaftet, nachdem er versucht hatte, in Manhattan im Mai dieses Jahres eine Autobombe zu zünden (siehe dazu New Yorker Attentatsversuch: Doch die "Pakistani Taliban Connection"?).

Die erfolgreiche „gezielte Tötung“ reiht sich in eine ganze Serie von amerikanischen Drohnenangriffen ein, die seit einigen Wochen Talibanführer im pakistanischen Nord-Waziristan im Visier haben. Seit Juni 2004, so die Zahlen des Asia Times-Korrespondenten, seien 1.863 Menschen durch 184 US-Drohnenangriffe in Pakistan getötet worden. In diesem Jahr zählt man 89 Drohenangriffe, mit einer Rekordzahl im September; 789 Menschen kamen dabei ums Leben. Dass der Blutzoll unter der Zivilbevölkerung hoch ist, wird nur angedeutet, genaue Zahlen gibt es nicht.

Doch teilt Shahzad die Einschätzung, dass den Drohnenangriffe tatsächlich auch mehrere hochrangige Führer der bewaffneten Gruppen zum Opfer gefallen sind. Anscheinend habe sich die Informationslage verbessert, woher die Informationen aber stammen, darüber gebe es nur Spekulationen. Möglich, dass der pakistanische Geheimdienst enger mit der CIA zusammenarbeitet. Als wahrscheinlich gilt Shahzad, dass die USA die Intensität der Angriffe in den kommenden Wochen aufrechterhalten oder gar noch steigern werden, um „das Netz“ über den Militanten und ihren al-Qaida-Verbündeten in Nord-Wazirsistan, „der letzten verbleibenden Bastion“, noch enger zu schnüren.

Was die Führung der Taliban um Mullah Omar betrifft, die sich mutmaßlich im pakistanischen Quetta, Belutschistan, aufhält, so berichtet Shahzad von einer Order der pakistanischen Regierung, wonach in dieser Region Flüge von US-Drohnen untersagt seien. Rückzugsorte in Pakistan sind das große Problem in der militärischen Auseinandersetzung mit Taliban-Gruppierungen in Afghanistan - das bekannte Mantra der US-Führung unterliegt auch den aktuellen Einschätzungen amerikanischer Geheimdienste, wie sie die Washington Post heute wiedergibt. Deren Aussagen, wie immer aus ungenannten, informierten hochrangigen Kreisen, klingen weniger nach „erfolgreichem Druck“, den militante Talibanverbänden nachhaltig spüren würden, weil die Drohnen immer öfter wichtige Anführer treffen.

Zwar wird auch von den informierten US-Vertretern eingeräumt, dass Luftangriffe und Operationen von Spezialkommandos die Bewegung der Taliban-Guerillas „einschränken“ würden und „lokale Zellen zerstört“ worden seien. Allerdings hätten die Taliban diese Schläge erstaunlich gut weggesteckt - ein getöteter Anführer würde umgehend durch einen Schattenmann ersetzt. Der Nachschub an solchen Ersatzleuten erscheint nicht wirklich gefährdet. So dass sich für die Führung der Taliban, von „befristeten Störungen“ abgesehen, nichts Wesentliches an der grundlegenden Situation ändere.

Dass zwischendrin der Eindruck entstand, der Gegner auf Seiten Taliban sei kriegsmüde und bereit für Verhandlungen, könne nicht bestätigt werden, heißt es in dem Zeitungsbericht weiter. Im Gegenteil zitiert der Bericht offensichtlich beeindruckte Beobachter, die davon sprechen, dass die Taliban fortwährend dazu fähig seinen, „sich wiederaufzubauen und zu verjüngen“.

In northwestern Bagdhis province, for example, U.S. special operations forces thought they had delivered devastating blows to Taliban guerrillas, killing the group's local leader, Mullah Ismail, as well as his apparent heir, only to watch yet another "shadow governor" take the job.

Dass sich kein beobachtbarer Erfolg einstelle, liege nicht nur an den personellen Ressourcen, sondern auch am ungleichen zeitlichen Horizont. Die Taliban setzen auf Zeit, die USA stehen unter „Erfolgs-Termindruck“ . Nach US-Geheimdienstinformationen würden die Taliban ihre Gefolgsleute mit der Aussicht motivieren, dass die große Offensive der amerikanischen Streitkräfte bald zuende sei. Mit Aussicht auf den angekündigten Rückzug von amerikanischen Kampfverbänden Mitte nächsten Jahres würde die Talibanführung von einem baldigen Ende sprechen:

Attributing the words to Taliban leader Mohammad Omar, officials said, operatives tell one another, "The end is near."

Der Erfolgsdruck auf Seiten der Amerikaner zeigt sich deutlich. Unter Petraeus forciert das US-Militär das Tempo der Angriffe, seither sei die Zahl der Einsätze um das Vier- bis Fünffache gestiegen. Angeblich sind in den letzten drei Monaten 235 Guerilla-Führer getötet oder gefangen genommen worden. Flugzeuge und Drohnen hätten 700 mal auf afghanische Ziele gefeuert bzw. Bomben fallen lassen. Im Vergleichszeitraum im Jahr zuvor seien es noch 257 solcher Angriffe aus der Luft gewesen. Auf die Frage des Washington Post-Reporters, ob sich daraus eine deutliche militärische Wende ergeben hätte, antwortet ein „hochrangiger Vertreter des US-Verteidigungsministeriums“, der mit der gegenwärtigen Lageeinschätzung befasst ist: "I don't see it."