Endlich: der Männergesundheitsbericht ist da

Fast 10 Jahre nach dem Frauengesundheitsbericht kann nun auch das vernachlässigte Geschlecht lesen, wie und warum es von "Wissenschaft, Politik und Krankenkassen" oder vielleicht gar von den Frauen diskriminiert wurde

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Das müsste eigentlich die Telepolis-Leserschaft direkt interessieren. Nachdem schon 2001 ein Bericht zur gesundheitlichen Situation der Frauen in Deutschland erschienen ist, kommen nun, 10 Jahre später, die Männer in den Genuss, über ihre körperliche und psychische Befindlichkeit aufgeklärt zu werden.

Zwar hatte sich schon 2002 eine Initiative begründet, die für das nun offensichtlich benachteiligte Geschlecht eben einen Männergesundheitsbericht forderte. Dem aber kam man im Familienministerium nicht nach, bis 2007 die Deutsche Gesellschaft für Mann und Gesundheit e.V. – wer wusste, dass es eine solche gibt und dass Philipp Lahm "erster deutscher Gesundheitsmann" ist? – noch einmal an die nun große Koalition appellierte. Auch da war Ulla Schmidt, Gott habe sie selig, außen vor, heißt es zur leidvollen Geschichte, weswegen sich Deutsche Gesellschaft für Mann und Gesundheit e.V. und die Stiftung Männergesundheit zusammen getan haben, um nun mit dem Männergesundheitsbericht die Geschlechterwelt wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

Jetzt also haben wir Männer den Männergesundheitsbericht mit 200 Seiten und von einem "hochrangigen Autorenteam" vor uns liegen, zumindest wenn wir bereit sind, dafür fast 30 Euro zu bezahlen. Als Hauptergebnis wird uns mitgeteilt, dass "Präventionsangebote und medizinische Versorgung – insbesondere bei psychischen Erkrankungen – besser an den unterschiedlichen Bedürfnissen von Männern und Frauen ausgerichtet sein" müssen. Und dann wird auch festgestellt, dass bislang die Männer diskriminiert wurden, "Wissenschaft, Politik und Krankenkassen" seien einfach zu lange zögerlich gewesen, "männliche Gesundheitsprobleme zu akzeptieren und zielgerichtet zu beheben". Das wird nun erst mit dem Männergesundheitsbericht anders.

Und man freut sich, dass die junge CDU-Familienministerin Kristina Schröder – die offenbar nicht so mehr so leidenschaftlich twittert - erklärte, ihr Ministerium betreibe erstmals eine "Jungen- und Männerpolitik". Gesundheitsminister Rösler (FDP) ließ sich offenbar nicht vor den Karren spannen.

Die Männer sind nicht allein, Familienministerin Schröder hat ein Herz für sie und will sie vor zu großer Arbeitsbeanspruchung entlasten

Schröder meint, das männliche Geschlecht sei aufgrund der geringeren Lebenserwartung benachteiligt. 4,5 der 5 Jahre geringeren Lebenserwartung gegenüber Frauen seien "soziokulturell" bedingt, also veränderbar. Sie macht offenbar die Arbeit dafür verantwortlich, weswegen sie für eine 30-35 Wochenstunde eintritt, während ansonsten eher für eine Verlängerung der Wochenarbeitszeit plädiert wird. Zudem will sie die "Präsenzkultur" bekämpfen, d.h. die Erwartung des Arbeitgebers, dass der Arbeitnehmer länger arbeitet als ausgemacht. Das wird ihre unternehmerfreundlichen Parteikollegen erfreuen. Ungut wirke sich aber auch aus, dass das männliche Geschlecht praktisch männerfrei in Kinderhorten und -gärten sowie Schulen aufwächst:

Wir wissen, dass inzwischen nicht Mädchen, sondern Jungen als Problemkinder erscheinen. Das liegt unter anderem daran, dass es in Kindergärten und Schulen kaum männliche Erzieher und Lehrer gibt, die Rollenvorbilder sein können. Die Aufgabe von Politik muss sein, faire Chancen für Jungen und Mädchen zu schaffen. Wir wollen deshalb mehr Jungen und Männer für zukunftsträchtige Erziehungs-, Sozial- und Gesundheitsberufe gewinnen. Deshalb starten wir zum Beispiel im nächsten Jahr den bundesweiten Boy's Day. Durch diese Jungenförderung können wir dann auch auf falsche Männlichkeitsvorstellungen eine Antwort finden.

Kristina Köhler

Gerade werden ja auch die Männer in der Medizin von den Frauen überschwemmt und beiseite gedrängt. Das mag sicher neu sein, aber auch früher sind die kleinen Männer in Kindergärten und damaligen Volksschulen, in den Familien sowieso, weitgehend männerfrei aufgewachsen – und vielleicht deshalb zu verbogenen Machos geworden, die hart sind, sich um ihre psychische Befindlichkeit oder um ihren körperlichen Zustand nicht kümmern?

Aber nein, so ist es doch auch wieder nicht, sagen die Autoren und Herausgeber, Männer seien keine "Gesundheitsidioten", die Gesellschaft macht sie dazu irgendwie bzw. die "gesellschaftliche Sicht auf Männer". Man sollte freilich dazu sagen, die Hälfte der "gesellschaftlichen Sicht" eben aus den Männern besteht. Aber schlau wird man aus der Vorankündigung nicht. Aber die deutliche geringere Lebenserwartung heißt natürlich, dass die Männer mit wachsendem Alter eher krank sind als Frauen. Diabetes beispielsweise, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Alkoholmissbrauch und dann auch noch Fettleibigkeit. Das starke Geschlecht ist das schwache, das vernachlässigte, dasjenige, das sich selbst ins Risiko begibt und auch mindestens ebenso stark an psychischen Problemen wie Frauen leidet, nur eben an anderen. Alkohol, Drogen, Persönlichkeits- und Erektionsstörungen, dazu noch die deutlich höhere Rate an gelungenen Selbstmorden. Und dann gehen sie nicht mal zum Arzt, Psychologen oder Apotheker, auch wenn die Deutschen – das werden dann wohl vor allem die Frauen sein – häufiger einen Arzt besuchen als Menschen anderer Länder, ohne deswegen gesünder zu sein.