American Fuehrer

George Lincoln Rockwell gegen den Rest der Welt

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Er war vielleicht der meistgehasste Mann in den USA seiner Zeit. George Lincoln Rockwell schien nach dem Motto "viel Feind, viel Ehr" zu leben. Ein Aufschrei ging durch die Medien, wenn er mit seinen Nazis durch die Straßen marschierte und verkündete, Juden und Linke vergasen zu wollen. Doch so sehr er die Abneigung seiner Zeitgenossen auf sich zog, so sehr ist er für Generationen militanter Rassisten ein Idol geworden. Von ihm stammt der Kriegsruf "White Power", mit dem sich weltweit Protagonisten von Rassenhass und Antisemitismus sammeln. Seine Erben stehen bereit, die zerstörerische Vision des "American Fuehrer" in die Tat umzusetzen.

George Lincoln Rockwell wird am 9. März 1918 in Bloomington, Illinois geboren. Seine Mutter, Claire Schade Rockwell, ist eine Tänzerin, die in ihrer Jugend fast ein Kinderstar gewesen ist. Sein Vater George Lovejoy Rockwell, ist ein Vaudeville-Comedian, der es zu einiger Berühmtheit gebracht hat. "Doc" Rockwell, zu dessen Kollegen und Freunden Künstler wie Groucho Marx und Benny Goodman gehören, vererbt seinem ersten Sohn seine Kreativität. Rockwell senior sprüht vor Einfällen und Wortwitz. Doch der dominante Vater, dem die Mutter, von Natur aus still und passiv, nicht Paroli bieten kann, gibt auch seine unübertreffliche Egozentrizität an das Kind weiter. Doc Rockwell ist immer und überall auf der Suche nach einem Publikum, will blenden und beeindrucken. Das wird auch George Lincoln sein Leben lang auszeichnen.

Als George Lincoln 6 Jahre alt ist, lassen sich seine Eltern scheiden. Das wird ihm immer als traumatisierende Erfahrung in Erinnerung bleiben. Er verbringt seine Zeit teils beim Vater, teils bei der Mutter. Schon früh zeigt sich an ihm ein besonderer Charakterzug: Immer, wenn eine Situation aussichtslos scheint, wenn die Zahl der Gegner übermächtig ist, dann wächst George Lincoln über sich hinaus. Geht es zum Beispiel bei einem Kampf unter Schülern gegen eine schier unüberwindliche Zahl von Gegnern, dann kämpft er mit Klauen und Zähnen und siegt. Hat er es nur mit einem Kontrahenten zu tun, unterliegt er.

Er geht als Schüler auf die Atlantic City High-School. In der Hebron Akademie bei Lewiston, die er anschließend besucht, verabschiedet sich Rockwell vom christlichen Glauben seiner Kindheit und wird Agnostiker. Ab 1938 studiert er Philosophie an der Brown University in Providence, Rhode Island. Er ist sehr beliebt und zeichnet Cartoons für die Studentenzeitung. Im Studium hat er Probleme vor allem mit der Soziologie. Er will nicht glauben, dass alle Menschen gleich sind und das gleiche Potenzial haben. Auch bezweifelt er, dass der Mensch hauptsächlich von Umwelteinflüssen geprägt wird.

Die allgemeine Kriegsstimmung während des Zweiten Weltkrieges ergreift auch George Lincoln. Er will seinen Beitrag zur Niederringung des Nationalsozialismus leisten. 1940 bricht er sein Studium ab und tritt der Marine der Vereinigten Staaten bei. Rockwell wird in Massachusetts und Florida zum Piloten ausgebildet, danach in Norfolk stationiert.

1943 heiratet er seine Kommilitonin von der Brown University, Judith Aultman. Sie werden 3 Töchter haben. Die Ehe steht von Anfang an unter einem schlechten Stern. Judith ist nicht die anschmiegsame und unterwürfige Ehefrau, die sich Rockwell erhofft hat. Sie pocht auf ihre Rechte und kann sich mit der Rolle als Hausfrau und Mutter nur schwer abfinden.

1945, nach der Demobilisierung, steht Rockwell vor der Aufgabe, sich im Zivilleben zu etablieren. Das wird ihm nie wirklich gelingen. Er jobbt in der Werbebranche. 1946 studiert er am renommierten Pratt Institute of Commercial Art in Brooklyn, New York. Rockwell ist abgestoßen von der Vorliebe vieler Dozenten für die moderne Kunst. Für ihn ist sie reine Scharlatanerie. Er assoziiert sie mit dem Kommunismus. Im zweiten Jahr in Pratt gewinnt er den prestigereichen ersten Preis in einem landesweiten Wettbewerb der New Yorker Gesellschaft der Illustratoren mit einer Nichtraucher-Anzeige für die Amerikanische Krebsgesellschaft. Er bricht jedoch die Ausbildung ab, um mit einer eigenen Agentur Fuß zu fassen.

1950 wird er eingezogen, um im Korea-Krieg Dienst zu tun. Er wird in San Diego, Kalifornien, stationiert. Hier entwickelt er ein reges Interesse an der antikommunistischen Arbeit von Senator Joseph MacCarthy. Nun hat er sein politisches Erweckungserlebnis. Eine Mitstreiterin macht ihn auf antisemitische Literatur aufmerksam. Er nimmt an einem Vortrag des weißen Nationalisten Gerald L.K. Smith teil. Der empfiehlt Adolf Hitlers "Mein Kampf". Nach dieser Lektüre ist für George Lincoln Rockwell nichts mehr wie es war. Hier findet er "geistigen Sonnenschein, der die ganze graue Welt in das helle Licht von Vernunft und Verstehen" taucht. Jetzt ist für ihn Adolf Hitler ein christusgleicher Retter und "Mein Kampf" seine Bibel. Doch zuerst bleibt sein neuer Glauben ein Geheimnis. Nicht einmal seiner Frau erzählt er von seiner Konversion.

1952 wird er nach Island versetzt. Seine Familie bleibt in den Staaten zurück. Auf einer Party begegnet er der schönsten Frau, die er je gesehen hat, Thora Hallgrímsson. Sie ist die Nichte des isländischen Botschafters in den USA. Schnell ist er bis über beide Ohren verliebt. 1953 wird er von seiner Frau geschieden, um bald darauf Thora zu heiraten.

1954 entlässt ihn das Militär aus dem aktiven Dienst. Er zieht mit seiner Familie, inzwischen ist ein Sohn geboren, zurück in die Vereinigten Staaten. Er gründet eine Zeitschrift für Soldatenfrauen, "US-Lady". Trotz des anfänglichen Erfolges der Publikation muss er sie 1956 verkaufen, weil er kein Kapital hat. Im Anschluss arbeitet Rockwell für verschiedene konservative Zeitschriften und Aktivisten. Doch er will keine zahnlosen, feigen Konservativen unterstützen. Sein Kampf soll dem Juden gelten, der für ihn an der Wurzel aller Probleme ist, die die moderne Welt plagen. Vor Kritik an den Juden schrecken die normalen Rechten jedoch zurück. Solche Skrupel hat der Millionär Harold Noel Arrowsmith nicht. Mit seiner Unterstützung gründet Rockwell 1958 das "National Comittee to Free America from Jewish Domination" in Arlington. Sie halten Mahnwachen vor dem Weißen Haus. Damit ist Rockwell in der Öffentlichkeit als Antisemit geoutet und gezeichnet. Der Weg zu einer normalen Berufstätigkeit ist ihm versperrt. Er wird sein ganzes restliches Leben von extremistischer Politik leben. Rockwell überwirft sich jedoch bald mit Arrowsmith.

Am 12. Oktober 1958 explodiert eine Bombe in einer Synagoge in Atlanta. Polizei und Presse bringen Rockwell mit dieser Tat in Verbindung, obwohl er nie angeklagt wird. Er erhält Drohanrufe. Die Familie seiner Frau will Thora nach Island zurückholen. Rockwell stimmt zu, dass seine Familie für ein Jahr Amerika verlässt, bis sich der Sturm der Entrüstung gelegt hat. Allein, ohne Arbeit und Angehörige, wird Rockwell immer depressiver. Ein Anhänger schickt ihm eine Hakenkreuzfahne. Mit Hitlerbild und Kerzen arrangiert er mit ihr einen Altar. Er erzählt später, dass er vor diesem Altar eine religiöse Erfahrung kosmischer Einheit hatte und Weisheit erlangt. Nun wird er endgültig von Hitlers Anhänger zu Hitlers Apostel werden.

1959 besucht er seine Frau in Island. Doch die Entfremdung ist vollständig. Thora reagiert schockiert auf seine Ankunft. Er muss erkennen, dass seine Ehe am Ende ist. Er kehrt in die USA zurück und fällt wieder in tiefe Depressionen. Immer öfter greift er zur Flasche. Doch er fängt sich wieder. Seine wenigen Anhänger drängen ihn, eine Partei zu gründen. Und er ist bereit. Jetzt, nachdem er alles verloren hat, ist er wirklich frei für seinen Kampf gegen das Judentum. Seine Gegner werden für alles büßen müssen, was das Leben ihm angetan hat. Im Oktober 1959 gründet er die "American Nazi Party" (ANP).

Rockwells Konzept ist einfach. Bevor man populär werden kann, muss man bekannt werden. Dazu ist ihm jedes Mittel recht. Die wehende Hakenkreuzfahne. Nazis in Uniform, die mit "Sieg Heil" grüßen. Der Plan, alle Schwarzen, als "Nigger" tituliert, nach Afrika zurückzuführen. Die Ankündigung, dass Rockwell, sobald er Präsident ist, den atomaren Erstschlag gegen Rotchina führen wird. Ein Affe im Käfig mit dem Schriftzug "Martin Luther King". Ein Paket mit Vaseline, adressiert an die Ausrichter einer Veranstaltung für die Rechte von Homosexuellen. Das erklärte Ziel, alle Juden, die Verrat an den USA begangen haben, zu vergasen, mit dem Hinweis, dass das 80 Prozent sein dürften. Das Verteilen von Platzkarten für die Schlange zur Gaskammer.

Die Aufmerksamkeit der Medien ist Rockwell so sicher wie der Zorn der jüdischen Gemeinschaft. Oft reagieren Gruppen wie die "Jewish War Veterans" und Holocaust-Überlebende mit Hass und Gewalt auf die Kundgebungen der Nazi-Partei. Die ANP steht in der Regel einer vielfachen Übermacht von Gegendemonstranten gegenüber. Verwundungen sind an der Tagesordnung.

George Lincoln Rockwell

Die Angst der jüdischen Gemeinschaft vor einer neuen Verfolgung ist an sich unbegründet. Die ANP hat zu ihren besten Zeiten nicht mehr als 300 Mitglieder und 3000 Sympathisanten. Sie hat chronische Geldprobleme. Der harte Kern der ANP-Aktivisten, als "Stormtroopers" bezeichnet, lebt in den verwahrlosten Baracken des Hauptquartiers der Nazi-Partei. Nicht selten wird gehungert. Ihre Bedeutung haben Rockwell und die ANP durch ihre hohe Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit und durch das Erbe, dass sie ihren zahlreicheren Nachfolgern hinterlassen haben.

1960 entlässt die US-Marine Rockwell wegen seiner nazistischen und rassistischen Aktivitäten. Er hat es bis zum Commander gebracht. Rockwell war 6 Monate von 20 Jahren Dienst in der Navy und einer Pension entfernt.

1962 reist Rockwell illegal nach England. Zusammen mit Colin Jordan vom englischen "National Socialist Movement" und der exzentrischen Kulturphilosophin Savitri Devi gründet er in Cotswold die "World Union of National Socialists" (WUNS). Die WUNS wird zu Rockwells Lebzeiten 19 nationale Sektionen haben. Ab 1966 wird die WUNS die Zeitschrift "National Socialist World" herausgeben.

1965 kandidiert Rockwell für das Gouverneursamt in Virginia. Sein Stimmanteil ist verschwindend gering, sein Optimismus aber ungebrochen. Er glaubt, 1972 amerikanischer Präsident zu werden. Rockwell nähert sich einem Masseneinfluss am ehesten im Jahr 1966. Martin Luther King und die Bürgerrechtsbewegung demonstrieren in Chicago. Dort erwartet sie ein gewalttätiger Mob von tausenden Weißen. Ihre Parole ist, als Reaktion auf die Black-Power-Bewegung der Slogan "White Power". Diese Losung hat Rockwell geprägt, der mit Postern, T-Shirts und Transparenten vor Ort ist. Dahinter verbirgt sich ein neues Konzept. Während Hitlers Adressat nur die nordisch-germanische Rasse war, wendet sich Rockwell an jeden, der nicht schwarz oder jüdisch ist, also beispielsweise auch an Slawen oder Griechen. Die Nation sieht fassungslos im Fernsehen, wie sich tausende Weiße aus der Mittelklasse und der Arbeiterschaft hinter den Parolen eines offenen Neonazis versammeln. Ermutigt von seinem Agitations-Erfolg benennt Rockwell die ANP in "National Socialist White People's Party" (NSWPP) um, als Ausdruck eines seriöseren, amerikanisierten White-Power Nationalsozialismus.

Doch die Früchte, die sich eventuell aus seiner Arbeit ergeben könnten, wird er nicht ernten. Am 25. August 1967 treffen George Lincoln Rockwell vor einem Waschsalon zwei Kugeln. Er ist sofort tot. Der Tat angeklagt wird John Patler, ein ANP-Stormtrooper griechischer Herkunft, der immer wieder Streit mit Rockwell hatte. Der Mörder wird zu 20 Jahren verurteilt, der geringsten Strafe, die für einen Mord möglich ist. Er wird nur 11 Jahre im Gefängnis verbringen.

George Lincoln Rockwell ist tot, doch sein Erbe ist sehr wirksam. Sein Einfluss ist wesentlich größer als zu Lebzeiten. Für viele tausend Aktivisten weltweit ist er eine Ikone. Das grundlegende Konzept einer übernationalen, weltweiten Einheit aller Weißen im Rassenkampf, das etwa Teile der Skinhead-Subkultur unter dem Label "White Power" antreibt, hat viele Nachahmer inspiriert. Auf Rockwell geht auch die Leugnung des Holocaust zurück, die zu seiner Zeit nicht einmal in Nazikreisen üblich war.

Rockwells Partei überlebt seinen Tod. 1983 benennt sie sein Nachfolger Matt Koehl in "New Order" um. Diese Organisation versteht sich eher als Religion denn als politische Bewegung. Hitler wird zu einem Avatar, zu einem Gott oder Gottesboten. William Luther Pierce, ehemals Hofintellektueller der ANP und Schüler von Rockwell, führte die National Alliance. Sein rassistischer Kult-Roman "Turner Diaries" findet eine halbe Million Leser und inspiriert unter anderem 1983 und 84 die Terrorgruppe "The Order" und 1995 Timothy Mc Veigh, den Bombenattentäter von Oklahoma City.

So haben George Lincoln Rockwells Ideen heute eine enorme Sprengkraft. Es bleibt eine Aufgabe, zu verhindern, dass der American Fuehrer späte Siege erringt.

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